Offering: Live At Temple University (Live At Temple University/1966)

Albumbeschreibung

Von erloschenen Vulkanen weiß man, wie trügerisch die vermeintliche Ruhe sein kann. Auf das gigantische Werk von John Coltrane bezogen, bedeutet das: Von dem einflussreichsten Saxophonisten der 1960er-Jahre können immer noch erstaunliche musikalische Funde auftauchen.
Jüngstes Beispiel dafür ist ein sensationelles Konzert, das Coltrane im November 1966 in Philadelphia acht Monate vor seinem Tod gab. Dabei ging die Faszination von der kreativen Umsetzung von Themen aus „Tranes“ Repertoire aus, zumal bei manchen zwei Altsaxophonisten und eine lokale Percussion-Gruppe mitwirken. Schon die Ballade „Naima“ führt zu bewegten Tenorsax-Chorussen. Dazu passen Alice Coltranes flimmernde Piano-Motive, die nur sehr entfernt an die Dramatik ihres Vorgängers McCoy Tyner erinnern. In der Komposition „Leo“ dominieren ekstatische Klangkaskaden, die in ihrer Intensität an menschliche Schreie erinnern. Wenige Minuten, nachdem Sanders in den höchsten auf dem Tenorsaxophon möglichen Tönen sein Solo spielte, wurde Coltrane offenbar durch dessen Einsätze zu einem kurzen
hymnischen Gesang animiert. Ähnliches passiert nach der mit afrikanischen Klängen angereicherten Sequenz der Percussion-Gruppe.
Fast in jedem Konzert spielte Coltrane „My Favorite Things“. Nach dem Bass-Intro variiert er die einprägsame Melodie auf dem Sopransax, der zu Alice Coltranes Beitrag überleitet. Nach einem frenetischen Altsaxophon-Diskurs von Steve Knoblauch bereichert Coltrane sein majestätisches Sopransax-Solo mit einer von der Musik anderer Kulturen beeinflussten Vokalsequenz.


© Filtgen, Gerd / www.fonoforum.de