Bartók, Schulhoff & Janáček: Lettres intimes

Albumbeschreibung

Im 20. Jahrhundert haben einige Komponisten das Streichquartett als Medium für persönliche Botschaften genutzt. Diesen Aspekt rückt das Quatuor Voce mit seiner CD „Lettres intimes“ ins Zentrum.
Schon mit dem vibratowarmen Gesang zu Beginn des ersten Bartók-Quartetts machen die französischen Streicher deutlich, dass sie die einleitende Fuge nicht „nur“ als Verweis auf Beethoven und Beleg für die kontrapunktische Meisterschaft des Komponisten begreifen. Jede Phrase bekommt beim Quatuor Voce ein emotionales Gewicht, jede Geste entfaltet eine sprechende Ausdruckskraft. Drängende Rhythmen und Melodien erzählen von jugendlicher Leidenschaft, stockende Motive von quälender Ungewissheit – und das prägnante Sehnsuchtsmotiv im Finalsatz wirkt wie eine seufzende Erinnerung an die junge Geigerin Stefi Geyer, in die Bartók unglücklich verliebt war.
Nur selten hat man sein erstes Quartett so weich, so romantisch und verletzlich gehört wie hier. Die fein austarierte Ensembletechnik des 2004 gegründeten Quatuor Voce steht ganz im Dienste des Ausdrucks – auch im zweiten Streichquartett von Leoš Janáček, das von der wohl nur brieflich gelebten Liebesbeziehung des Komponisten zur 37 Jahre jüngeren Kamila Stösslová angeregt ist. Die Streicher zeichnen die krassen Ausschläge von Janáčeks Gefühlskurven bis in die Extreme nach, wahren dabei aber über weite Strecken ihren warmen Klang – hinreißend etwa der sangliche Ton der Bratsche, die in dem Stück eine Sonderrolle als Liebesinstrument einnimmt.
Zwischen den beiden autobiografisch geprägten Werken wirken die fünf Sätze für Streichquartett von Erwin Schulhoff mit ihrem Tanzmusik-Ton wie ein Fremdkörper, auch wenn das Ensemble den bodenständigen Witz der Musik charmant auskostet. Aber das bleibt der einzige Einwand gegen das ansonsten sehr stimmige Album.

© Stäbler, Marcus / www.fonoforum.de