Erlend Øye
Geht man nicht nach den absoluten Verkaufszahlen seiner Alben, sondern eher nach dem Einfluss, den Erlend Øye in Sachen Musik und Styling auf Musikfans in den Nullerjahren hatte, kommt nicht umhin, ihn zu einer der wichtigsten Figuren der europäischen Musikszene zu erklären - wenn nicht gar zu einem der wenigen echten Popstars.
Der schlaksige Norweger erfindet mit den Kings Of Convenience mal eben ein neues Genre, hinter dem freilich ein alter Musikstil steckt.
Mit seiner Zweitband The Whitest Boy Alive macht er das Tanzen bei Rock-Publikum wieder richtig hoffähig und befördert mit nur einem Soloalbum, einer Mix-CD und DJ-Auftritten den lange ersehnten Zusammenschluss von Indie und elektronischer Musik.
Nebenbei erhebt er – wohl im Einklang mit der britischen Band Hot Chip – die Figur des Nerds für urbane Hipster und Fahion Victoms zum attraktiven Role Model. Ein ziemlich reife Leistung, das Ganze.
Erlend Øye wird 1975 im norwegischen Bergen geboren. Schon als Kind ist Erlend etwas anders als seine gleichaltrigen Freunde. Er, der dünne, kurzsichtige Rothaarige, raucht nicht, trinkt nicht, verabscheut den Fernseher und bemerkt, wie bei Erwachsenen die Lebensfreude schleichend verschwindet. So will er nicht enden. Einen Ausweg scheint ihm da die Musik zu bieten.
Mitte der 90er Jahre gründet Erlend mit Freuden, unter ihnen ist auch Eirik Glambek Bøe, seine erste Band. Skog spielen jugendlich rumpelnden Indie-Pop mit norwegischen Texten und covern Songs von Joy Division.
Im Jahr 1998 siedelt Øye nach London über, wo er Gitarrist der Band Peachfuzz wird. Über einen kurzen Aufenthalt in Manchester geht es jedoch bald zurück in seine Heimatstadt, wo er mit seinem Jugendfreund Bøe unter dem Namen Kings Of Convenience an Songs arbeitet.
Ihr erstes Album "Quiet Is The New Loud" begründet, hörbar beeinflusst von dem Folk-Duo Simon & Garfunkel, einen neuen Hype um harmonische Männerstimmen und akustisches Geklampfe: Leise ist das neue laut.
Mit diesem Stil hält sich Øye jedoch nicht lange auf. Stattdessen steuert er den Gesang zu zwei Tracks des erfolgreichen Debüts seiner norwegischen Freunde von Röyksopp bei und zieht nach Berlin, in die Welthauptstadt des Techno.
Wenn er gerade nicht verschlafen durch den alternativen Bezirk Friedrichshain schlurft, ist Øye unterwegs. In zehn verschiedenen Städten nimmt er mit zehn Produzenten elektronischer Musik – darunter Morgan Geist, Prefuse 73, die Op:l Bastards und Schneider Tm – sein Soloalbum auf.
"Unrest" erzeugt mit unaufgeregtem Gesang hymnischen Elektro-Pop mit Italo-Disco-Flair. In der Folge tourt er als singender DJ, der sich auch für dämliche Moves und eine Runde Crowd-Surfing nicht zu schade ist.
Seine wahren musikalischen Vorlieben teilt der Norweger im Jahr 2004 mit seinem Beitrag zur DJ Kicks-Reihe mit: Neben neuen Eigenkompositionen und Pop-Zitaten von The Smiths und Elvis findet sich darauf jede Menge luftiger Techno-Pop vom Kölner Kompakt-Label.
Im gleichen Jahr bringt Øye das zweite Album der Kings Of Convenience auf den Markt, das neben dem Pop-Fan auch das gesetzte Bildungsbürgertum anspricht und nebenbei auch in den USA wahnsinnig erfolgreich wird.
2006 nimmt sich Erlend Øye ein Auszeit. Er bereist Südamerika und kehrt mit dem Wunsch zurück, in einer echten Band zu spielen. In Berlin gründet er mit drei deutschen Musikern The Whitest Boy Alive, die ihre ursprünglich elektronische Konfiguration letztlich in minimalistischen Gitarrensound übersetzen.
So erwächst eine unheimlich rhythmusbasierte Indie-Band, die im Sturm die Herzen aller Festivalgänger und Pop-Fans erobert. Mit dem zweiten Album "Rules" wird er auf den Festivals 2009 das, was er mittlerweile ist: ein Liebling der Massen - ein echter Popstar.
Nach "Rules" nimmt sich Erlend eine erneute Auszeit vom Musikgeschäft, bis er 2013 seine nächste Solo-Platte "La Prima Estate" veröffentlicht. Ein Jahr später, im Juni 2014, gaben The Whitest Boy Alive ihre Auflösung bekannt und der Sänger kümmerte sich fortan um die Solo-Karriere. Im selben Jahr bringt er mit "Legao" sein bisher letzter Werk in die Plattenregale.
© Laut
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