Musik-Streaming
Hören Sie dieses Album mit unseren Apps in hoher Audio-Qualität
Testen Sie Qobuz kostenlos und hören Sie sich das Album anHören Sie dieses Album im Rahmen Ihres Streaming-Abonnements mit den Qobuz-Apps
Abonnement abschließenHören Sie dieses Album im Rahmen Ihres Streaming-Abonnements mit den Qobuz-Apps
Download
Kaufen Sie dieses Album und laden Sie es in verschiedenen Formaten herunter, je nach Ihren Bedürfnissen.
Tocotronic sind doof! Das war mein Eindruck, als ich zum ersten Mal von dieser seltsamen Hamburger Band mit Offenburger Sänger hörte. Jedoch besitzen selbst kurze Augenblicke die Kraft, Einstellungen und Meinungen grundlegend zu verändern. Wie so oft in meinem Leben, ließ ich mich von einem Bild bewegen.
Es war 1995, ich glaube fast, es war irgendwann im Mai, und ein Freund feierte eine dieser wilden Partys, die wir heute nicht mehr feiern. Volle Lotte - wieder mal, so 'n richtig hysterisches Fest. Zu später Stunde wollte ich dem Trubel in eins der leeren WG-Zimmer entfliehen, musste aber feststellen, dass ich gar nicht so alleine war wie gedacht. Charlotte stand trotzköpfig mitten im Zimmer. Gerade hatte sie sich von ihrem Freund getrennt.
Entschlossen legte sie eine TDK SA-X90 ins Tapedeck und begann zu den wütenden Klängen zu tanzen. Ihre roten Locken wippten über ihre blasse, mit Sommersprossen überzogene Haut. Angeduselt und gedankenverloren sang sie in schiefen Tönen diese Worte, die ich nie mehr vergessen werde: "Es ist schon seltsam und ich komm' sogar ins Schwitzen / Wie wir beide nebeneinander auf dem Teppichboden sitzen." In diesem Moment habe ich mich verliebt. Nicht etwa in Charlotte, sondern in die Musik von Tocotronic. Ich fand mich sofort in diesen Liedern wieder.
Im Gegensatz zu Charlotte hatte ich nie eine asymmetrische Frisur und trug auch niemals Trainingsjacken. Ich wollte niemals Teil einer Jugendbewegung sein. Aber das wollten Dirk von Lowtzow, Jan Müller und Arne Zank auch nie wirklich. Trotzdem haben sie mit "Digital Ist Besser" das Manifest einer eben solchen geschrieben. Sie wurden zum Sprachrohr, zum Archetyp und tausendfach kopiert. Eine Schule ohne eigenen Dirk-Klon, dem die Mädchen hinterherschwärmten, schien fortan undenkbar.
Das Tocotronic-Debüt rumpelt und pumpelt, dass es eine Freude ist. Statt wie später auf dem schlageresken "Wie Wir Leben Wollen", wie Kollege Franz Tanner so bildhaft schilderte, "schwülstig-euphorische Oden für die Akademiker-Disko" zu schreiben, frönen die drei Recken hier noch dem Dilettantismus und der Schnoddrigkeit. Vor den Spießern auf der Flucht riecht es nicht nach mit Öko-Waschpulver gewaschenen Hemden, sondern nach Teen Spirit und getragenen Tennissocken. Anstatt Sushi gibt es die kalte Pizza vom Vortrag. Im Zweifel für den Zweifel und für die Pubertät. "Digital Ist Besser" ist Jugend.
Der Gong zum Schulbeginn hatte in der Hamburger Schule schon längst geläutet. Cpt. Kirk &., Kolossale Jugend, Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs, Blumfeld, Die Regierung und Die Sterne saßen schon aufmerksam in der ersten Reihe. Tocotronic hatten die ersten zwei Stunden geschwänzt und trafen erst nach der großen Pause zur dritten ein. Als Kontrast zu Distelmeyers verkopfter Attitüde finden sich in den Texten des Neuschülers von Lowtzow extrem eingängige Slogans, wie für T-Shirts der Jugendlichen geschaffen. Drastische Subjektivität, sentimentaler Weltschmerz und Hass und Wut gegen die deutsche Alltagskultur, gegen Fahrradfahrer, gegen Verwandtenbesuche und gegen die blöden Gitarrenverkäufer. "Ich bin alleine und ich weiß es und ich find' es sogar cool / Und Ihr demonstriert Verbrüderung", steht in leuchtenden Buchstaben über dem Album.
Der Weg führte Tocotronic direkt zu den Lumpen und Ikonen des altehrwürdigen und mittlerweile von uns gegangenen L'Age d'Or-Labels. Für ihren Indie-Pop-Punk-Grunge-Kuddelmuddel verbinden sie Einflüsse von Dinosaur Jr., Nirvana, Pavement und den Boxhamsters mit der ihnen eigenen trashigen Wucht und charmanten Laienhaftigkeit, beziehen sich auf Eric Rohmer, Victor Hugo und E.M. Cioran. Talent borrows, genius steals.
Bereits das "Digital Ist Besser"-Cover gleicht einem Statement. Keine schnieke Hochglanzfotografie, ein unscharfes, fehlbelichtetes Polaroid-Bild ziert den Longplayer. Die von Christian Mevs und Carol von Rautenkranz beim leckersten Milchkaffee Hamburgs im Soundgarden Studio produzierten Aufnahmen dauern nur wenige Tage.
"Musikalisch fand ich das saugut", erinnert sich der umtriebige Stephan Mahler, unter anderem Schlagzeuger bei Slime. "Das war mir zwar immer am Anfang zu Dinosaur Jr. mäßig, aber das war auch egal oder sekundär, denn worauf es ankam, war ja der Spirit, dieses Rotzige. Und die Texte, die waren ja super, sehr geistvoll. Der Geist der Band war auch so: total junge Typen machen eine sophisticated punk band."
Zwar auf Deutsch singend, weisen Tocotronic von Anfang jegliche Deutschtümelei ab. "Du erinnerst dich ja hoffentlich daran, wovon die Rede war", fragte ein Jurist in der Bar. Als sie 1996 den VIVA-Comet in der Kategorie "Jung, deutsch und auf dem Weg nach oben" verliehen bekamen, lehnten sie diesen, nicht ohne sich für die Einladung zu bedanken, ab. Die Begründung von Jan Müller: "Wir sind nicht stolz darauf, jung zu sein. Und wir sind auch nicht stolz darauf, deutsch zu sein."
Doch so sehr sie sich auf weigerten, veränderten sie über den ein oder anderen Umweg, zusammen mit ihren L'Age d'Or-Kollegen, die deutsche Musiklandschaft nachhaltig. Weder Tomte, Trümmer, Die Nerven, noch gesichtslose Nachahmer wie die Sportfreunde Stiller oder Virginia Jetzt! wären ohne sie möglich gewesen. Aber was kann man schon für die eigenen Epigonen?
Diese Zeiten waren golden, doch jetzt sind sie vorbei. Was Charlotte wohl heute macht? Wahrscheinlich hat sie Kinder, spielt Backgammon, geht ins Tanztheater und zum Sportverein. Tocotronic haben seit 2004 Rick McPhail. Empfand ich "Kapitulation" noch als Höhepunkt ihrer Reinkarnation, lebten wir uns unter schweren Phantomschmerzen nach "Schall & Wahn" und spätestens mit "Wie Wir Leben Wollen" auseinander. Das ist aber auch nicht schlimm. Im Blick zurück entstehen die Dinge, im Blick nach vorn entsteht das Glück. Ihr habt mir so viel geschenkt, es war eine wundervolle Reise. Dafür möchte ich euch danken. Lasst uns einfach Freunde bleiben.
© Laut
Sie hören derzeit Ausschnitte der Musik.
Hören Sie mehr als 100 Millionen Titel mit unseren Streaming-Abonnements
Hören Sie diese Playlist und mehr als 100 Millionen Tracks mit unseren Streaming-Abonnements
Ab 12,49€/Monat
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - GOLD MUSIKVERLAG V RAUTENKRANZ-WESSEL GBR, HANSEATIC MUSIKVERLAG GMBH CO KG, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - Hanseatic Musikverlag Gmbh Co Kg, Gold Musikverlag V Rautenkranz-Wessel Gbr, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - Hanseatic Musikverlag Gmbh Co Kg, Gold Musikverlag V Rautenkranz-Wessel Gbr, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - GOLD MUSIKVERLAG V RAUTENKRANZ-WESSEL GBR, HANSEATIC MUSIKVERLAG GMBH CO KG, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - Hanseatic Musikverlag Gmbh Co Kg, Gold Musikverlag V Rautenkranz-Wessel Gbr, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - GOLD MUSIKVERLAG V RAUTENKRANZ-WESSEL GBR, HANSEATIC MUSIKVERLAG GMBH CO KG, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - GOLD MUSIKVERLAG V RAUTENKRANZ-WESSEL GBR, HANSEATIC MUSIKVERLAG GMBH CO KG, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - Hanseatic Musikverlag Gmbh Co Kg, Gold Musikverlag V Rautenkranz-Wessel Gbr, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - GOLD MUSIKVERLAG V RAUTENKRANZ-WESSEL GBR, HANSEATIC MUSIKVERLAG GMBH CO KG, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - GOLD MUSIKVERLAG V RAUTENKRANZ-WESSEL GBR, HANSEATIC MUSIKVERLAG GMBH CO KG, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - GOLD MUSIKVERLAG V RAUTENKRANZ-WESSEL GBR, HANSEATIC MUSIKVERLAG GMBH CO KG, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - GOLD MUSIKVERLAG V RAUTENKRANZ-WESSEL GBR, HANSEATIC MUSIKVERLAG GMBH CO KG, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - GOLD MUSIKVERLAG V RAUTENKRANZ-WESSEL GBR, HANSEATIC MUSIKVERLAG GMBH CO KG, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - Hanseatic Musikverlag Gmbh Co Kg, Gold Musikverlag V Rautenkranz-Wessel Gbr, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - GOLD MUSIKVERLAG V RAUTENKRANZ-WESSEL GBR, HANSEATIC MUSIKVERLAG GMBH CO KG, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - GOLD MUSIKVERLAG V RAUTENKRANZ-WESSEL GBR, HANSEATIC MUSIKVERLAG GMBH CO KG, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - Hanseatic Musikverlag Gmbh Co Kg, Gold Musikverlag V Rautenkranz-Wessel Gbr, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Arne Zank, Composer, Lyricist - Tocotronic, MainArtist - Dirk von Lowtzow, Composer, Lyricist - Jan Klaas Müller, Composer, Lyricist - Hanseatic Musikverlag Gmbh Co Kg, Gold Musikverlag V Rautenkranz-Wessel Gbr, MusicPublisher
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Albumbeschreibung
Tocotronic sind doof! Das war mein Eindruck, als ich zum ersten Mal von dieser seltsamen Hamburger Band mit Offenburger Sänger hörte. Jedoch besitzen selbst kurze Augenblicke die Kraft, Einstellungen und Meinungen grundlegend zu verändern. Wie so oft in meinem Leben, ließ ich mich von einem Bild bewegen.
Es war 1995, ich glaube fast, es war irgendwann im Mai, und ein Freund feierte eine dieser wilden Partys, die wir heute nicht mehr feiern. Volle Lotte - wieder mal, so 'n richtig hysterisches Fest. Zu später Stunde wollte ich dem Trubel in eins der leeren WG-Zimmer entfliehen, musste aber feststellen, dass ich gar nicht so alleine war wie gedacht. Charlotte stand trotzköpfig mitten im Zimmer. Gerade hatte sie sich von ihrem Freund getrennt.
Entschlossen legte sie eine TDK SA-X90 ins Tapedeck und begann zu den wütenden Klängen zu tanzen. Ihre roten Locken wippten über ihre blasse, mit Sommersprossen überzogene Haut. Angeduselt und gedankenverloren sang sie in schiefen Tönen diese Worte, die ich nie mehr vergessen werde: "Es ist schon seltsam und ich komm' sogar ins Schwitzen / Wie wir beide nebeneinander auf dem Teppichboden sitzen." In diesem Moment habe ich mich verliebt. Nicht etwa in Charlotte, sondern in die Musik von Tocotronic. Ich fand mich sofort in diesen Liedern wieder.
Im Gegensatz zu Charlotte hatte ich nie eine asymmetrische Frisur und trug auch niemals Trainingsjacken. Ich wollte niemals Teil einer Jugendbewegung sein. Aber das wollten Dirk von Lowtzow, Jan Müller und Arne Zank auch nie wirklich. Trotzdem haben sie mit "Digital Ist Besser" das Manifest einer eben solchen geschrieben. Sie wurden zum Sprachrohr, zum Archetyp und tausendfach kopiert. Eine Schule ohne eigenen Dirk-Klon, dem die Mädchen hinterherschwärmten, schien fortan undenkbar.
Das Tocotronic-Debüt rumpelt und pumpelt, dass es eine Freude ist. Statt wie später auf dem schlageresken "Wie Wir Leben Wollen", wie Kollege Franz Tanner so bildhaft schilderte, "schwülstig-euphorische Oden für die Akademiker-Disko" zu schreiben, frönen die drei Recken hier noch dem Dilettantismus und der Schnoddrigkeit. Vor den Spießern auf der Flucht riecht es nicht nach mit Öko-Waschpulver gewaschenen Hemden, sondern nach Teen Spirit und getragenen Tennissocken. Anstatt Sushi gibt es die kalte Pizza vom Vortrag. Im Zweifel für den Zweifel und für die Pubertät. "Digital Ist Besser" ist Jugend.
Der Gong zum Schulbeginn hatte in der Hamburger Schule schon längst geläutet. Cpt. Kirk &., Kolossale Jugend, Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs, Blumfeld, Die Regierung und Die Sterne saßen schon aufmerksam in der ersten Reihe. Tocotronic hatten die ersten zwei Stunden geschwänzt und trafen erst nach der großen Pause zur dritten ein. Als Kontrast zu Distelmeyers verkopfter Attitüde finden sich in den Texten des Neuschülers von Lowtzow extrem eingängige Slogans, wie für T-Shirts der Jugendlichen geschaffen. Drastische Subjektivität, sentimentaler Weltschmerz und Hass und Wut gegen die deutsche Alltagskultur, gegen Fahrradfahrer, gegen Verwandtenbesuche und gegen die blöden Gitarrenverkäufer. "Ich bin alleine und ich weiß es und ich find' es sogar cool / Und Ihr demonstriert Verbrüderung", steht in leuchtenden Buchstaben über dem Album.
Der Weg führte Tocotronic direkt zu den Lumpen und Ikonen des altehrwürdigen und mittlerweile von uns gegangenen L'Age d'Or-Labels. Für ihren Indie-Pop-Punk-Grunge-Kuddelmuddel verbinden sie Einflüsse von Dinosaur Jr., Nirvana, Pavement und den Boxhamsters mit der ihnen eigenen trashigen Wucht und charmanten Laienhaftigkeit, beziehen sich auf Eric Rohmer, Victor Hugo und E.M. Cioran. Talent borrows, genius steals.
Bereits das "Digital Ist Besser"-Cover gleicht einem Statement. Keine schnieke Hochglanzfotografie, ein unscharfes, fehlbelichtetes Polaroid-Bild ziert den Longplayer. Die von Christian Mevs und Carol von Rautenkranz beim leckersten Milchkaffee Hamburgs im Soundgarden Studio produzierten Aufnahmen dauern nur wenige Tage.
"Musikalisch fand ich das saugut", erinnert sich der umtriebige Stephan Mahler, unter anderem Schlagzeuger bei Slime. "Das war mir zwar immer am Anfang zu Dinosaur Jr. mäßig, aber das war auch egal oder sekundär, denn worauf es ankam, war ja der Spirit, dieses Rotzige. Und die Texte, die waren ja super, sehr geistvoll. Der Geist der Band war auch so: total junge Typen machen eine sophisticated punk band."
Zwar auf Deutsch singend, weisen Tocotronic von Anfang jegliche Deutschtümelei ab. "Du erinnerst dich ja hoffentlich daran, wovon die Rede war", fragte ein Jurist in der Bar. Als sie 1996 den VIVA-Comet in der Kategorie "Jung, deutsch und auf dem Weg nach oben" verliehen bekamen, lehnten sie diesen, nicht ohne sich für die Einladung zu bedanken, ab. Die Begründung von Jan Müller: "Wir sind nicht stolz darauf, jung zu sein. Und wir sind auch nicht stolz darauf, deutsch zu sein."
Doch so sehr sie sich auf weigerten, veränderten sie über den ein oder anderen Umweg, zusammen mit ihren L'Age d'Or-Kollegen, die deutsche Musiklandschaft nachhaltig. Weder Tomte, Trümmer, Die Nerven, noch gesichtslose Nachahmer wie die Sportfreunde Stiller oder Virginia Jetzt! wären ohne sie möglich gewesen. Aber was kann man schon für die eigenen Epigonen?
Diese Zeiten waren golden, doch jetzt sind sie vorbei. Was Charlotte wohl heute macht? Wahrscheinlich hat sie Kinder, spielt Backgammon, geht ins Tanztheater und zum Sportverein. Tocotronic haben seit 2004 Rick McPhail. Empfand ich "Kapitulation" noch als Höhepunkt ihrer Reinkarnation, lebten wir uns unter schweren Phantomschmerzen nach "Schall & Wahn" und spätestens mit "Wie Wir Leben Wollen" auseinander. Das ist aber auch nicht schlimm. Im Blick zurück entstehen die Dinge, im Blick nach vorn entsteht das Glück. Ihr habt mir so viel geschenkt, es war eine wundervolle Reise. Dafür möchte ich euch danken. Lasst uns einfach Freunde bleiben.
© Laut
Informationen zu dem Album
- 1 Disc(s) - 18 Track(s)
- Gesamte Laufzeit: 00:50:01
- Künstler: Tocotronic
- Komponist: Various Composers
- Label: ROCK-O-TRONIC RECORDS
- Genre: Deutsche Musik
2007 Rock-O-Tronic Records 2007 Rock-O-Tronic Records
Verbesserung der AlbuminformationenWarum Musik bei Qobuz kaufen?
-
Streamen oder downloaden Sie Ihre Musik
Kaufen Sie ein Album oder einen einzelnen Track. Oder hören Sie sich mit unseren hochqualitativen Streaming-Abonnements einfach den ganzen Qobuz-Katalog an.
-
Kein DRM
Die heruntergeladenen Daten gehören Ihnen ohne jegliche Nutzungsbeschränkung. Sie können sie sooft herunterladen wie Sie möchten.
-
Wählen Sie das Format, das am Besten zu Ihnen passt
Sie können beim Download Ihrer Einkäufe zwischen verschiedenen Formaten (FLAC, ALAC, WAV, AIFF...) wählen.
-
Hören Sie Ihre Einkäufe mit unseren Apps
Installieren Sie die Qobuz-Apps für Smartphones, Tablets und Computer und hören Sie Ihre Musikeinkäufe immer und überall.