Whitney Houston
Die Karriere Whitney Houstons liefert ein Paradebeispiel für clevere Vermarktung. Die 1963 in Newark, New Jersey geborene Tochter der Gospel-Sängerin Emily "Cissy" Houston steigt 1985 mit generalstabsmäßiger Planung ihrer Plattenfirma kometenhaft zum globalen Pop-Star auf.
Eher zufällig entdecken sie die Talentsucher von Arista in einem New Yorker Nachtclub, zu dem Zeitpunkt verfügt Whitney bereits über etwas Studioerfahrung dank unterschiedlicher Band und Projekte. Knapp zwei Jahre und 400.000 Dollar (das bis dato teuerste Debütalbum aller Zeiten) verwendet Arista Chef Clive Davis, bis die passenden Songs gefunden sind. Die Rechnung geht auf. Ihr Debüt "Whitney Houston" verkauft sich weltweit 15 Millionen Mal.
Die Schönheit des vormaligen Models ist der "Schau-mich-an-und-kauf-mich-Packung" (New Musical Express) äußerst zuträglich. Das Image, das man ihr verpasst, ist nicht nur sauber, sondern rein. Noch im zarten Alter von 24 gilt sie als Jungfrau, deren Interessen sich ausschließlich auf Jesus und Soul-Musik beschränken. Mit ihrer variantenreichen Stimme haucht sie den banalen Soulstückchen, die perfekt nach Marktanalysen produziert werden, so etwas wie Leben ein.
Nahezu alle Songs ihrer ersten beiden LPs haben das Zeug zum Ohrwurm. Der zweite Longplayer "Whitney" fasziniert den Rolling Stone als "ein Album voller Songs, das man heute abscheulich findet und morgen den ganzen Tag mitsingt". Mit "Whitney" gelingt ihr als erster Künstlerin der Sprung von null auf Platz eins der US-Charts. Sieben Singles erreichen in Folge ebenfalls die Poleposition, womit sie den Rekord der Beatles bricht.
Nachdem sie Robert de Niro einen Korb verpasst ("Es wäre Karriere-Selbstmord, wenn ich mich mit einem weißen Mann einließe!") und eine Affäre mit Eddy Murphy hinter sich bringt, heiratet sie 1992 den Rapper Bobby Brown. Mit "Bodyguard" startet sie im selben Jahr ihre Filmkarriere, obwohl sie selbst ihr schauspielerisches Talent nicht allzu hoch einschätzt. Dem Erfolg tut das keinen Abbruch. Der Streifen, in dem Kevin Costner als Whitneys Bodyguard auftritt, spielt weltweit 400 Millionen Dollar ein, der Soundtrack findet 33 Millionen Käufer. "I Will Always Love You" avanciert zu einer der meistverkauften Singles aller Zeiten.
Nach der Geburt ihrer Tochter, zwei weiteren kommerziell erfolgreichen Kino- und Soundtrack-Produktionen ("Waiting To Exhale" und "The Preachers Wife"), diversen Skandälchen (treuloser Gatte, Gerüchte um Magersucht und lesbische Beziehung zur Managerin), präsentiert sie 1998 erstmals nach acht Jahren wieder ein Soloalbum. Mit "My Love Is Your Love" versucht die "blöde Kuh" (Boy George) das an Mariah Carey verlorene Prädikat der Soul-Diva zurück zu erobern.
Das Unterfangen nimmt eine unerwartete Wendung, denn für den Disney-Film "Der Prinz von Ägypten" stellen sich beide hinter das gleiche Mikrofon und singen den Song "When You Believe" ein. Beim direkten Vergleich können sich die Fans nun selbst ein Bild machen, wer den Thron unter den Mehr-Oktaven-Stimmen verdient hat. Das Album birgt immenses Hitpotential. Mit Produzenten wie Wyclef Jean oder Missy Elliot ist der Erfolg eigentlich schon in trockenen Tüchern: "My Love Is Your Love" fährt drei Mal Platin ein.
2000, im 15. Jahr ihrer außergewöhnlichen Karriere, gewinnt Whitney Houston erst einen Grammy und legt dann eine Best Of-Compilation hin. Ein Jahr später bekommt sie eine BET-Auszeichnung für ihr Lebenswerk. Bei der Verleihung in Las Vegas zollen ihr Christina Aguilera und Luther Vandross in Form eines Duetts Respekt.
Mary J. Blige hält eine Rede und drückt ihre Verbundenheit mit Whitney auf eine ganz besondere Art aus: "Vielen Dank, dass du mich dazu motiviert hast, mehr als nur eine Sängerin zu sein". Die Plattenfirma teilt die Begeisterung und beglückt Whitney mit einem Deal über 100 Millionen Dollar. Für sie stellt die Sängerin ein äußerst profitables Zugpferd dar, denn mit mehr als 140 Millionen verkauften Platten hält sie den Rekord aller Solokünstlerinnen.
Jedoch können sich weder Arista Records noch Whitney selbst über die Vergangenheit freuen. Die Probleme der Sängerin in der Gegenwart nehmen erschreckende Ausmaße an. Drogen-Eskapaden häufen sich, die Pforten der Entzugskliniken öffnen sich gleich mehrfach. Trotz des profitablen Plattendeals schafft die Drogensucht offenbar Geldprobleme.
2002 kommt ein neues Album und macht den Eindruck eines gelungenen Comebacks. Doch an den vorangegangenen Erfolg knüpft Whitney nicht an. Lediglich die Drogengerüchte verstummen nach und nach. Mit tatkräftiger Hilfe von Ehemann Bobby Brown, der ständig mit dem Gesetz in Konflikt gerät, bleibt sie in den Klatsch-Spalten.
Abgesehen vom Christmas-Album "One Wish" (2003) erscheinen in den Folgejahren allenfalls noch Best Ofs von Whitney, etwa "The Ultimate Collection" (2008). Erst im Sommer 2008 hilft ihr Akon mit dem Duett "Like I Never Left" wieder auf die Sprünge. Im Folgejahr erscheint mit "I Look To You" ihr Album-Comeback. Doch seinen Zenith hat der einstige Stern am Pophimmel längst überschritten.
Kurze Zeit später spricht Houston der öffentlich und ausführlich bei US-Talkerin Oprah Winfrey über den Kampf gegen die Drogen sowie ihre kaputte Ehe: Seit 2007 ist sie offiziell von Booby Brown geschieden. "I Look To You" holt zwar in einigen Ländern noch mal Platin oder Gold, in USA geht die Scheibe in der ersten Woche gar auf eins, die Tour gerät aber nicht nur einmal zum Desaster: Whitneys Stimme reicht live kaum mehr an frühere Glanztaten heran.
Ihre ganze Hoffnung ruht 2011 auf dem Beginn des Filmprojekts "Sparkle", dessen Story auf der Karriere der Supremes basiert. Doch das Schicksal will es anders: Am 11. Februar 2012 wird die Popdiva im Vorfeld der Grammy-Verleihung tot in der Badewanne eines Hotelzimmers in Beverly Hills aufgefunden. Alle Reanimationsversuche scheitern. Whitney Houston wurde nur 48 Jahre alt.
© Laut
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