Screamin' Jay Hawkins
Wie so vieles in seinem Leben ist auch der Ursprungs seine Spitznamen eine unterhaltsame Anekdote. "Zu Beginn meiner Karriere habe ich nur Klavier gespielt, dann auch angefangen zu singen, aber so wirklich konnte ich das nicht. Bis ich 1950 in einem Ort in West Virginia namens Nitro gelandet bin. Da war eine riesige Lady. Ich meine eine fette Lady. So fett, dass ein durchschnittlicher Elefant neben ihr wie ein Bleistift ausgehen hätte. Sie war total gut drauf und hat gleichzeitig Black & White und Jack Daniel's in sich reingeschüttet. Sie hat mich angestarrt und immer wieder 'Schrei, baby, schrei Jay' gebrüllt", erzählt er in einem Interview.
Zu diesem Zeitpunkt hat Screamin' Jay Hawkins schon einiges erlebt. 1929 als Jalacy Hawkins in Cleveland, Ohio geboren, lernt er als Jugendlicher klassisches Klavier und träumt von einer Karriere als Tenor. Daraus wird nichts, denn im zweiten Weltkrieg dient er als Entertainer in der US-Army im Pazifik. Er gerät in Gefangenschaft und wird nach eigenen Angaben auch gefoltert. Er habe sich gerächt, indem er seinem Peiniger eine Handgranate in den Mund gesteckt und die Sicherung gezogen habe, erzählt er später.
Nach dem Krieg versucht sich der begeisterte Boxer erst als Pianist in verschiedenen Bands, dann als Solokünstler. Auf der Bühne fällt er durch seine extravaganten Auftritte auf. Neben Leopardenfell und rotem Lederkostüm gebührt Henry eine wichtige Rolle, einem rauchenden Totenschädel auf einem Stock.
Hawkins' bekanntestes Stück entsteht zufällig bei einer Aufnahmesession 1956, bei der alle Anwesenden sturzbetrunken sind. Der Sänger grunzt und brüllt sich durch "I Put A Spell On You" und ist so dicht, dass er sich anschließend an nichts mehr erinnert. In den Charts landet das Lied nicht, doch durch Fernsehauftritte und die Zensur einiger Radiosender erlangt es Kultstatus. Unter Hawkins' Nachahmern befindet sich auch Screaming Lord Sutch, der nicht nur den Namen bei ihm abkupfert.
Ganz ernst nimmt Hawkins die Choreographie seiner Auftritte mit Sarg, Rauchbomben und Voodoo-Elementen nicht, wie sich an einem seiner späteren Stücke, "Constipation Blues" zeigt, das er gerne mal mit einer Kloschüssel zum besten gibt. Ab Ende der 70er Jahre ist er auch als Schauspieler tätig, unter anderem in einer Nebenrolle in Jim Jarmushs "Mystery Train" (1989). Bekannt ist er vor allem in Großbritannien, wo er bei The Clash und Nick Cave im Vorprogramm spielt und 1993 mit Tom Waits' "Heart Attack And Vine" in der Top 40 landet.
2000 stirbt Hawkins in Paris an den Folgen einer Herz-Operation. Seiner Biografin hatte er erzählt, 57 Kinder gezeugt zu haben. Als sie sich auf die Suche nach den angeblichen Sprösslingen macht, stellt sie fest, dass es sogar 75 sein könnten. Jahre lang ist die Webseite "Jayskids.com" als Austauschplattform aktiv.
"Ich weiß nur zwei Dinge: Dass das Leben kurz ist und dass ich sterben werde. Also will ich Spaß haben, solange ich hier bin", hatte Hawkins einst erklärt. Eine Einstellung, der er bis zum Schluss treu geblieben ist.
© Laut
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