Liam Lynch
Er schaute Paul McCartney aus nächster Nähe auf die Finger, lauschte Vorlesungen von Brian Eno und Ringo Starr besuchte ihn gar im Studio: der am 5. September 1970 in dem Kaff Akron im US-Bundesstaat Ohio geborene Liam Lynch kann über fehlende Aufmerksamkeit von Seiten der Prominenzia-Riege wahrlich nicht klagen. Dort hinein geboren wie eine Kelly Osbourne wurde der selbsternannte Fälscher allerdings nicht.
Thema Fake: Auf etwas fremdem Terrain fühlt sich Lynch tatsächlich, wenn er auf seine Musik zu sprechen kommt. Da der Mann das Rockstartum meidet wie der Teufel das Weihwasser, und auch die Entstehung seines Debüts "Fake Songs" eher zufällig zustande kam, mag man ihm das abnehmen. Hauptberuflich steht Lynch seiner 1997 gegründeten Produktionsfirma 111 Productions vor, die sich dem weiten Feld der Film-, TV- und Musikproduktion angenommen hat. Den Bekanntheitsgrad in seiner Heimat verdankt Lynch dennoch dem großen Musikmedium MTV. Dorthin schickt der Hobbyfilmer zehn surreale Kurzfilme, deren Hauptcharaktere zwei Puppen sind, die aus Socken mit Augen bestehen und absurde Gespräche führen. Ein so einfaches wie durchschlagkräftiges Konzept, das auch als Vorbild für die telefonsüchtigen Puppen der Crank Yankers hergehalten haben dürfte.
Die MTV-Bosse sind beeindruckt, ordern gleich noch einen Nachschlag des Lynch'schen Kasperltheaters und trimmen das Ergebnis unter dem Titel "Sifl and Olly Show" zum TV-Erfolg. Mit Musik kommt Lynch jedoch schon früher in Berührung: Bereits mit zwölf schreibt er Textmanuskripte, als 15-Jähriger hat er seine ersten Songs beisammen. 1991, Lynch ist 21, kann er bereits auf eine Tour durch kleine Clubs zurück blicken und ergattert einen Aushilfsjob in den durch Elvis, Johnny Cash und Jerry Lee Lewis legendären Studios in Nashville, Tennessee.
Nun kommt Sir Paul ins Spiel. Mit 26 bewirbt sich Lynch nämlich an McCartneys "Institute for performing Arts" in Liverpool, wird als einer von 40 Musikern aufgenommen und gehört gar zur elitären Gruppe von fünf Musikern, die vom Ex-Beatle höchstpersönlich für Privatunterricht auserkoren werden. An die Zeit mit der lebenden Legende erinnert sich das Multitalent später mit süffisantem Unterton: "Manchmal vergaß ich, wer da neben mir saß. Er erzählte mir oft wirres Zeug über seine Songwriting-Sessions mit John Lennon (ahmt McCartneys Liverpool-Akzent nach): Als John und ich 'Peppers' aufnahmen, gab es bestimmte Worte, die wir niemals benutzten, wie 'very'."
An nützlichen Ratschlägen nimmt Lynch den folgenden Macca-Satz mit: "Niemand kann dir sagen, wie man einen Song schreibt". Diese Weisheit scheint auch seinen Anti-Hit "United States Of Whatever" zu durchdringen, einen knochentrockenen Punkrock-Feger mit sinnlosem Text, der der US-Radiostation KROQ zunächst als Jingle dient, bis ihn von Anrufen penetrierte Sender im ganzen Land rauf und runter spielen. Die rockende Old School-Attitüde des Songs trifft den Zeitgeist auf und packt die US-Charts am Kopf, so dass der Verfasser solcher Zeilen wie "Then this chick comes up to me and she's all like 'Hey, aren't you that dude?' and I'm like yeah, whatever!", beschließt, ein ganzes Album zu veröffentlichen.
Als Ringo Starr den Song im englischen Radio hört, kontaktiert er Lynch, nichts ahnend von dessen McCartney-Verbindung. Dadurch lernt Lynch wiederum den Starr-Produzenten Mark Hudson kennen, der sein Debütalbum produziert. Auf "Fake Songs" versammelt der professionelle Fälscher haufenweise LoFi-Songs aus seinem Homestudio, denen er auf einem 16-Spur-Mischer Leben einrockt. Auch Ringo darf auf einer Nummer an die Drums. Zusätzlich zum Hörvergnügen ist dem Album eine Bonus-DVD beigelegt, die mit einigen Lynch-Kurzfilmen und Videos bestückt ist. Die Filmerei ist schließlich sein Steckenpferd. Nach der Regie eines Foo Fighters-Videos ("Times Like These") arbeitet Lynch 2003 an DVDs für No Doubt und Tenacious D und träumt weiter davon, ein Video für die White Stripes zu drehen.
© Laut
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