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Ethel Cain

"Ich möchte kein Star werden", erzählt Hayden Silas Anhedönia der New York Times, wenige Tage bevor sie ihr über Jahre hinweg in Eigenregie konstruiertes Debüt-Alben auf die Welt loslässt. In einer Welt, in der nahezu kein Weg mehr an tückischen Label-Deals, TikTok-Tänzen und viralem Marketing vorbeiführt, wirkt die Südstaatlerin wie ein Enigma. Ein aus der Zeit gefallener Popstar, der die Stille und die Freiheit des amerikanischen Hinterlandes für nichts auf dieser Welt eintauschen würde. Ihr größter Alptraum sei es in einer der großen Musikmetropolen des Landes zu leben. "Ich will keine Karriere, die voraussetzt, dass ich dort lebe", sagt sie. Als jemand der in Perry, Florida, einer streng gläubigen baptistische Gemeinde, aufwuchs, erlebte sie die Mentalität die queeren Menschen wie ihr dort oftmals entgegenschlägt, am eigenen Leib. Ihre gesamte Adoleszenz behandelte man sie als satanische Hexe, sagt sie. Der erste Mensch der ihr sagt, dass sie nicht in die Hölle kommen werde, ist ihr Therapeut. Dennoch beschreibt sie ihre Jugend nicht ausschließlich als Folter, sie spürt auch eine tiefe Verbundenheit zu den kitschigen Americana-Idealen der Freiheit und der Grenzenlosigkeit, die so tief in die Seele der Südstaaten graviert sind. Die Musik die aus dieser Dualität resultiert, verzerrt den amerikanischen Traum ins Zynische und Bittere. Früh findet Anhedönia Zuflucht in den fiktiven Welten der geheimen Horrorfilme ihrer Großeltern, und dem realen Horror, der gerade in pittoresken Idyllen wie ihrer Heimat gedeiht. EIne Faszination, die sie nicht wieder loslässt. Schon die ersten Witch-House Demos, die sie 2017 unter dem Alias White Silas auf Soundcloud veröffentlicht, trumpfen mit atmosphärisch dichtem Songwriting, das sich vermehrt bei den Bildern des Gothic und des Horror bedient. Nach ihrem High School-Abschluss verschlägt es Anhedönia in die Stadt. In Tallahassee träumt sie davon, einen Studienplatz an der lokalen Universität für Film zu ergattern, doch ihre Genderdysphorie sowie exzessive Experimente mit harten Drogen machen ihr zunehmend einen Strich durch die Rechnung. Mit zwölf Jahren outet sich Anhedönia als schwul, wenige Jahre später als nonbinary. Wirklichen Frieden findet sie jedoch erst im Alter von zwanzig Jahren, als sie sich öffentlich als transgender outet. Im Rahmen dieses Outings ändert sie auch ihren Künstlernamen und erschafft die Persona der Ethel Cain, eine Kunstfigur, deren Geschichte gleichermaßen aus biographischen Versatzstücken, sowie ????kathartischer Fiktion besteht. "Es war als habe Ethel Cain Besitz von mir ergriffen", beschreibt sie dem New Yorker. "Es klingt so kitschig, aber ab diesem Moment ging es nicht mehr um gotische Kirchen und elektronische Musik, sondern um Gitarren, Schulhäuser und 'Unsere kleine Farm'." Es dauert nicht lange, bis dieser musikalische Neuanfang Früchte trägt. Schon ihre Debüt-Single "Bruises" macht die renomierte Slowcore-Sängerin Nicole Dollanganger auf sie aufmerksam, die sie in der Folge auch prompt gleich mit auf Tour nimmt. Über Wicca Phase Springs Eternal, eines der früheren Mitglieder von Lil Peeps Gothboiclique, bekommt auch der mit ihm befreundete Emo-Rapper Lil Aaron von Anhedönia zu hören. Dieser zeigt sich so begeistert von ihrer Vision und Musik, dass er sie ohne zu zögern dem von Dr. Luke gegründeten Indie-Label Prescription Songs vorstellt. Ohne zu wissen, dass sich das Gesicht eines der kontroverseren Personen der Industrie hinter dem Label verbirgt, unterschreibt Anhedönia noch vor Ort einen Vertrag. "Ich google keine CEOs, wenn ich gerade einen Schokoriegel esse. [...] Ich hatte kein Geld.", sagt sie im Nachhinein darüber. Bis dato traf sie Luke einmal persönlich während einer Songwriting-Session, die sich schnell als fruchtlos entpuppte. "Kreativ hab ich keinen Nutzen für ihn", verrät sie in einem Interview. Anhedönia veröffentlicht im Jahr ihrer Unterschrift ihre Debüt-EP "Inbred", die vor allem mit ihren zwei Singles ein Pop-Appeal andeutete, von dem ihre Label gerne mehr gesehen hätte. Doch die Sängerin lässt die Forderungen eingängige Musik zu schreiben, nicht die Vision ihres Debütalbums beeinflussen. Die erwacht nach jahrelanger Arbeit im Mai 2022 endlich zum Leben. "Preacher's Daughter" erzählt die Geschichte der Ethel Cain, die Anhedönia zuvor auf "Inbred" schon anriss, in schmerzhafter Akribie zu Ende. Sie nimmt uns mit auf einen Höllenritt durch die fiinstersten Ecken der amerikanischen Seele, aufbereitet in wunderschönen und dramatischen Slowcore-Balladen. Kritiker sind sich einig: Ein so beeindruckendes Debüt hat man lange nicht mehr gesehen. Doch Anhedönia plant nicht, die von ihr erschaffene Mythologie damit ruhen zu lassen. Sie arbeitet an zwei weiteren Alben, die die Geschichten von Cains Eltern erzählen sollen, sowie drei Bücher und Filme, die die Alben begleiten sollen. Bis diese das Licht der Welt erblicken, findet man sie auf Friedhöfen, in verlassenen Kirchen, oder nach Sonnenuntergang vielleicht sogar im lokalen Waffle-House. An all den Orten, an denen man einen zukünftigen Popstar wie sie am wenigsten erwarten würde.
© Laut

Diskografie

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