Baden Powell
"Baden ist ein Zauberer, ein Alchemist, eine Art dämonischer Erzengel, der in einem silbernen Schmelztiegel Weihrauch und Myrrhe, die Arpeggios und Akkorde mischt und diese Mischung aus Klängen, Licht, Farben und Melodien um sich fliegen lässt, die er den sechs Saiten seiner Gitarre voller Charme und Magie entlockt." So preist der Poet Hermínio Bello de Carvalho den brasilianischen Gitarristen.
Und er hat Recht. Roberto Baden Powell de Aquino der sich auf der Bühne einfach nur Baden Powell nannte, ist Gigant südamerikanischer Gitarrenmusik im Allgemeinen und brasilianischer Saitenhexerei im Besonderen. Der 1937 in Rio de Janeiro geborene Gitarrist und Komponist gehört zu den wichtigsten Bossa Nova-Pionieren und war einer der ersten, der Jazz und Klassik mit Samba oder Afromusik mischte.
In Brasilien nennt man die akustische Gitarre Violão. In frühester Jugend macht sich Powell mit dem Instrument vertraut und findet schließlich seine eigene Stimme darauf. Seit den späten 50er Jahre erspielt er sich bereits einen Namen in den angesagten Clubs und Studios. Mit seiner eigentümlichen Mischung aus Jazz, Klassik und Latino-Rhythmen erspielt er sich einen Ruf wie Donnerhall. Obgleich ihm Szenetum vollkommen fremd ist, wird er durch seine ausdrucksstarke Musik zu einem Pionier der Bossa Nova.
Die drei Säulen seiner Gitarre fließen hierbei ganz und gar harmonisch ineinander. Mit dem Jazz ist er ohnehin tief verbunden. Als großartiger Interpret klassischer Stoffe glänzt er ebenso. Das Zeitalter des Barock - allen voran Bach - haben es ihm dabei besonders angetan. "Bis heute studieren wir Bach und wissen noch immer nicht alles." Die vereinnahmende Emotionalität von Powells Bach-Interpretationen ist entsprechend bemerkenswert und kaum nachahmbar.
1962 lernt er den schillernden Poeten, Musiker und Diplomaten Vinícius de Moraes kennen. Moraes ist ebenfalls eine Schlüsselfigur der Bossa Nova. Unter anderem schrieb er die portugiesischen Zeilen von Tom Jobims "Girl From Ipanema". Aus der Begegnung der beiden ungleichen Freunde entwickelt sich eine fruchtbare künstlerische Partnerschaft in gegenseitiger Verehrung. Zusammen kreieren sie viele Kernwerke Powells, wie "Berimbau".
Mit dem Kultalbum "Os Afro Sambas De Baden E Vinicius" setzt er dem Samba ein Denkmal. Die Platte wird in Europa ebenso gefeiert wie im noch ferneren Japan. Powell: "Die Sambas wurde in Bahia geboren. Und wenn sie in ihrer Poesie auch weiß sind, so sind sie doch schwarz, sehr schwarz tief in ihrem Herzen." Schon die Sessions zur Platte waren abenteuerlich. "Regen hatte das komplette Studio unter Wasser gesetzt. Wir sangen und spielten auf Bierkästen hockend. Verstreut um uns herum lagen leergetrunkene Whiskyflaschen. Nicht sehr professionell."
Mit seinem lyrischen Spiel - immer gefangen zwischen simpel und komplex, zwischen ausgelassener Freude und tiefem Schmerz - erschafft der freigeistige Powell wundervolle Alben wie "Poema On Guitar", "Samba Triste" oder "Tristeza On Guitar". Besonders Deutschland liebt den leidenschaftlichen Gitarrero sehr. Mit angeschlagener Gesundheit lässt Baden sich Anfang der 80er Jahre ausgerechnet in seiner späten Wahlheimat Baden-Baden (!) nieder und zieht sich dort komplett von der Welt zurück.
1988 kehrt er nach Brasilien zurück. Hier nimmt er noch ein paar bedeutende Spätwerke auf (u.A. "Lembrancas") und geht wieder erfolgreich auf Tour. Im Jahr 2000 stirbt er überraschend an Lungenentzündung. Erst 15 Jahre darauf erscheint sein umjubelter Final Gig "Live In Berlin" als Tonträger und DVD. Das Vermächtnis zeigt den Altmeister noch einmal von seiner stärksten Seite.
© Laut
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