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Max Romeo & The Upsetters|War Ina Babylon (Expanded Edition)

War Ina Babylon (Expanded Edition)

Max Romeo & The Upsetters

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Es herrscht Krieg in Babylon, "War Ina Babylon". Die Karibik kommt gerade in der neuen Realität der post-kolonialen Zeit an, Jamaika zählt 14 Jahre nach der Unabhängigkeit zu den blockfreien Staaten, die um 'Babylon', den Kapitalismus, einen Bogen machen.

Babylon, ein Begriff, der dank Reggae Teil der Alltagssprache wird. Max Romeo ist damals einer der bekanntesten Künstler des Genres. Die aufkommenden Gang-Kriege saugen der kleinen Insel die verbliebene Wirtschaftspotenz ab und stürzen das Land trotz seiner exportfähigen Grooves und Hanfpflanzen in einen Strudel voller Probleme. Mehrere Kirchen erkennen das Machtvakuum der in ihren zarten Anfängen herum stolpernden Demokratie und versuchen Mitglieder, an sich zu binden.

Max Romeo greift die Geistlichen auf seiner Platte bitter an. Er nennt keine Namen. Es ist die Zeit, als die Baptistenkirche und die ebenso protestantisch geprägten Siebenter-Tags-Adventisten den neuen Rastafari-Kult für sich nutzen. Heuchlerisch, findet Romeo.

"Der reiche Mann darf nicht im Namen des Herrn stehlen gehen / Der Reverend jedoch fährt ein schickes Auto und kauft alles steuerfrei", beschreibt "Stealing In The Name Of Jah", wie der Prediger sich bereichert, während die meisten Menschen in seiner Kirchengemeinde jeden Groschen umdrehen.

Die Songs auf diesem vierten Album Max Romeos hingegen eint der Pfeffer sowohl in Text als auch Musik. Catchy und auch ganz nebenbei gut hörbar ist sie zwar. Wer aber Zwischentöne sucht, findet sie in der filigranen Instrumentierung und im nuancenreichen Gesang. Häufiges Hören fördert immer wieder Neues zutage – so vielschichtig verwoben sind die Gedanken und die vielen Instrumente.

Die Mitwirkenden sind die ewigen Superstars des Reggae, die Besten der Besten aus der Generation der Pioniere. Obwohl es sich um eine Dub-Produktion handelt, hat die Platte nichts mit der Kargheit von Dub gemein. Statt repetitiv zu wirken, überzeugt jeder Song mit einer extra für ihn ausgewählten Instrumentierung.

Wer Abwechslung wünscht, entdeckt sie auch in den verschiedenen Stimmungen des Albums: von der tiefen Melancholie der Cover-Abbildung bis hin zur Heiterkeit im ironischen und autobiographischen Song "Norman", von sarkastischer Kritik in "Stealing In The Name Of Jah" über Entschlossenheit in "Chase The Devil", bis zum finalen Klagegesang in "Smile Out A Style", dem Song, der am besten zum Front Picture passt. Mittendrin geht es um Krieg, "War".

Als diese Platte entsteht, herrscht Wahlkampf in der jungen Demokratie Jamaika, und dieser eskaliert zum Bürgerkrieg, einem "War Ina Babylon". Statt zusammen gegen Babylon, schlagen sich die Leute innerhalb der Babylon-Koordinaten die Köpfe ein, so scheint es dem Sänger.

Max Romeo, zu jener Zeit 31, singt auf den Beats einer damals neuen Musikrichtung für den elf Jahre älteren Lee 'Scratch' Perry. Schreibt man dem Genre Dub (wie auch dem Hip Hop) das Jahr 1973 in seine Geburtsurkunde, so lautet der Geburtsort: Cardiff Crescent, Hausnummer 5, im Stadtteil Washington Gardens in Kingston. Black
Ark, die schwarze Arche. In den so bezeichneten Studios entsteht schwarzes Vinyl mit einer düsteren Musik, gespielt von Menschen dunkler Hautfarbe. 24 Schieberegler, 98 Drehknöpfe zum Nachjustieren, Tonbandspulen, hunderte Fotos an den Wänden - so sah das Herzstück eines Studios in der schwarzen Arche aus, analoger Standard und doch für zehn Jahre Brutstätte eines nie zuvor existenten Sounds.

Es war die Ära, in der gänzlich neue Pop-Strömungen das direkte Sprachrohr politischer Meinungen wurden. Max Romeo hätte ja auch über die Mango-Ernte in seinem Heimatort singen können, wie es dort alle immer taten. Aber er wusste genau, dass er diese Phase für konkretere Botschaften nutzen konnte. Und dass er gehört wurde.

Etwa von Michael Manley, Sozialreformer, linker Spitzenkandidat, Regierungschef in Jamaika von 1972 bis 1980. Romeos Song "Let The Power Fall" hatte ihm 1972 ins Amt verholfen. "Michael Manley hatte ihn gehört und dachte, es würde ein guter Slogan für seine Partei sein. Ich meinte, 'Ja, mach! Nimm ihn'. Er war ein guter Mann. Es gab viel Leid in Jamaika, und er begriff das." Manley enttäuscht während seiner ersten Legislaturperiode viele, auch den Sänger. Der Politiker stellt sich 1976 zur Wiederwahl. "One Step Forward" bezieht sich tagesaktuell auf ihn, kritisiert die Halbherzigkeit seines Kurses.

Während die Texte vor Inhalt fast platzen, schreibt die Musik Geschichte. Zwei Alben hatten im Vorjahr den Grundstein für Dub auf Albumlänge gelegt, verquast, experimentell, technoid, sehr basslastig. Beides wird kaum gepresst, verkauft sich wenig. Zur Massentauglichkeit fehlt etwas, und "War Ina Babylon" liefert es.

Dub: Drei Buchstaben, vier Tonspuren. Zwei für Drums und Bass, zwei für die Melodie. Nach diesem Strickmuster nimmt Lee Perry, hier selbst Toningenieur, Produzent und Backgroundsänger, immer auf. Doch mit Max Romeo hat er einen hoch politischen Künstler am Mikrofon. Getrieben vom Wunsch nach Veränderung. So entsteht das ausgeprägteste Vokalalbum der Dub-Geschichte, ein untypisches und doch eines der bekanntesten des Subgenres.

Einer der Tricks hier lautet Smoothifizierung: Wie bei Marley säuseln ein paar Damen den 'Background', wiederholen die wichtigsten Wörter. Statt sie wirklich in den Hintergrund zu mischen, sind sie aber fast genauso laut wie Max Romeo selbst. (Es echo-singt hier u.a. genau dieselbe Frau wie bei Marley: Marcia Griffiths.) Reggae verzweigt sich ab jetzt auch in diverse Richtungen. Hier bei Max Romeo fußt die Instrumentierung auf Soul und Jazz.

"Chase The Devil" von Max Romeo entwickelt sich so soulful zu einer der Mitpfeif-Hymnen des Roots Reggae. Romeo begrüßt den Teufel, 'Lucifer', zieht sich eine schusssichere Weste an, "an iron shirt", vertreibt den "Satan" mit der Hilfe von "Jah Jah". Dass Jungle auf Reggae aufbaut, wussten auch The Prodigy: "Out Of Space" kopiert unmittelbar nach dem Intro eine Original-Passage aus der Romeo/Perry-Platte, 38 Sekunden und quasi die erste Strophe des Titels, und quasi pures Copy/Paste der ersten Strophe aus dem Reggae-Klassiker. Wobei der Track von The Prodigy formal und energetisch sogar um einiges revolutionärer wirkt als der Romeo-Titel. Den Eröffnungsruf "Lucifer Son of a mourning" benutzt auch Jay-Z in "The Black Album" 2003.

Während die A-Seite des "War Ina Babylon"-Vinyls äußerst bekannt ist, kann man das von der B-Seite nicht behaupten. Zu Unrecht natürlich! Lauter tolle Songs hat man drauf gepresst. "Norman" handelt von einem Freund Max Romeos aus der Teenager-Zeit, mit dem er sich beim Kartenspiel, beim Domino usw. die Zeit vertrieb. "Er ist der 'Hausmeister', und in seiner Rolle sammelt er eine Steuer ein. Jedes Mal, wenn jemand ein Spiel gewinnt, erhebt Norman eine Steuer und sammelt sie ein. Und es gibt eine Regel in dem Spiel: Wenn etwas schief geht und du einen Fehler gemacht hast, bekommst du eine zweite Chance, indem du den anderen Teilnehmern eine Kleinigkeit gibst - wir nannten das 'a less', ein Weniger. Dann kommst du zurück ins Spiel.

Norman war aber der Typ, der sich darauf nicht einließ, sondern: Wenn du ihm 'a less' angeboten hast, wollte er 'more'. Der Song basiert also auf einer leibhaftigen Erfahrung und ist keine Fantasie, sondern Wirklichkeit. Damals waren wir in jungen Jahren schon Arbeiter, und nach der Arbeit hatten wir auf diese Art Spaß. Das war so eine kleine Nische, da haben wir unseren eigenen Raum geschaffen und uns so gegenseitig entertaint. So entstand dieser Track.
" Mit "diamonds and pearls in the back" steht Norman ironisch im Kontrast zu einer Gesellschaft, in der sich alles um das kleine bisschen Mehr über dem Mindeststandard dreht und Mittellosigkeit für viele das Normale ist. Bildung hat hier keinen hohen Stellenwert.

"When your hand in the lion mouth / Me said me take time pull he out." - Das philosophische Lied "Tan And See" mit diesem zentralen Satz verwendet ausnahmsweise, anders als der Rest der Platte, den kompletten Text hindurch jamaikanisches 'Patois'. Provoziert man den (stolzen) Löwen, sprich: den Freiheitskämpfer und aufrechten Rastafari-Gläubigen, dann dauert es lange, bis man die Hand aus dem Maul des Löwen wieder heil herausbekommt.

Der Stachel gegen das 'böse' Babylon sitzt auf diesem Album beharrlich tief. Romeo zieht damals konsequent das Armutsthema durch seine gesamte Kriegschronik des "War Ina Babylon": "Cost of living is rising high while / Poverty flowing / The rain is falling / But no seeds are growing / So smile out of style."

Nur vordergründig geht es in "Uptown Babies Don't Cry" um Sozialneid. "They don't know what suffering is like." - "Sie wissen nicht, was Leid ist, haben Mama und Papa, viele Spielzeuge, eine Kinderfrau und eine Oma, viele Freunde, mit denen sie die Zeit verbringen".
Erzogen werden die Kleinen mit der religiösen Einstellung, Armut sei eine Sünde.

Die Kids der Reichen kommen so nicht auf die Idee, Ursachen für Elend und Bildungsmangel zu hinterfragen. Ihre gleichaltrigen schwächeren Mitschüler werden zu Sündern abgestempelt. Die Statements sind der eigentliche Kern der Platte, denn sie verstricken alles zu einem harten, dicken, roten Fadenknäuel: Es geht genau deshalb "One Step Forward, Two Steps Backwards", weil sich schon vom Baby-Alter an die Spaltung in Arm und Reich in die nächste Generation vererbt, fortschreibt und verhärtet ("Uptown Babies Don't Cry"). "Lucifer, son of the mourning" hat deshalb leichtes Spiel.

Den Teufel könnte der Prediger austreiben, der aber lieber sein "fancy car" spazieren fährt. Weil die Ungerechtigkeit nicht zu ertragen ist und jedes Lächeln abwürgt ("Smile Out A Style"), erfindet die Jugend Spiele um sich abzulenken ("Norman The Gambler"). Doch den "War Ina Babylon" spürt jeder, ob er will und ein Löwe ist ("Tan And See") oder sich in einen "Smokey Room" zum Inhalieren von Tabak und mehr zurückzieht. Selbst dort aber setzt sich sehr der "ital rhythm, vital rhythm" des Reggae durch, Glen Da Costa von Beres Hammonds Gruppe Zap Pow bringt besonders auf diesen Songs der Vinyl-B-Seite die soulvollen Saxophon-Töne ein und verleiht der Platte immer wieder Soul-Flair.

Lee Perry und Max Romeo, Sly & Robbie, Marcia Griffiths, Earl 'Chinna' Smith, Theophilus London (der Fats Domino Jamaikas), und viele andere schufen mit "War Ina Babylon" eine Bestandsaufnahme der Arm-Reich-Schere des Landes. Jene wird immer krasser.

In Musik und Gesellschaft findet die Platte bis heute viel Widerhall. Max Romeos Kinder schicken sich an, die Messages in die 2020er Jahre zu tragen, und auch Max Album "Words From The Brave" knüpft an den alten Meilenstein an. "Ghetto's Songs" nannte Jimmy Cliff diese Art Musik einst.

© Laut

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War Ina Babylon (Expanded Edition)

Max Romeo & The Upsetters

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1
One Step Forward
Max Romeo
00:05:09

Max Romeo, MainArtist, ComposerLyricist - The Upsetters, MainArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel, ComposerLyricist

℗ 1976 The Island Def Jam Music Group

2
Uptown Babies Don't Cry
Max Romeo
00:04:58

Max Romeo, MainArtist, ComposerLyricist - The Upsetters, MainArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel

℗ 1976 The Island Def Jam Music Group

3
Chase The Devil
Max Romeo
00:03:25

Max Romeo, Vocals, MainArtist, AssociatedPerformer, ComposerLyricist - The Upsetters, Unknown, Other, MainArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel, ComposerLyricist

℗ 1976 The Island Def Jam Music Group

4
War Ina Babylon
Max Romeo
00:04:50

Max Romeo, MainArtist - The Upsetters, MainArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel, ComposerLyricist - Maxie Smith, ComposerLyricist

℗ 1976 The Island Def Jam Music Group

5
Norman (Album Version)
Max Romeo
00:04:48

Max Romeo, MainArtist, ComposerLyricist - The Upsetters, MainArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel, ComposerLyricist

℗ 1976 The Island Def Jam Music Group

6
Stealing In The Name Of Jah
Max Romeo
00:03:05

Max Romeo, MainArtist, ComposerLyricist - The Upsetters, MainArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel

℗ 1976 The Island Def Jam Music Group

7
Tan And See
Max Romeo
00:04:33

Brown, ComposerLyricist - Max Romeo, MainArtist, ComposerLyricist - The Upsetters, MainArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel, ComposerLyricist

℗ 1976 The Island Def Jam Music Group

8
Smokey Room
Max Romeo
00:03:02

Brown, ComposerLyricist - Max Romeo, MainArtist, ComposerLyricist - The Upsetters, MainArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel, ComposerLyricist

℗ 1976 UMG Recordings, Inc.

9
Smile Out A Style
Max Romeo
00:03:31

Max Romeo, MainArtist - The Upsetters, MainArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel, ComposerLyricist

℗ 1976 The Island Def Jam Music Group

10
Revelation Dub
The Upsetters
00:04:58

Max Romeo, ComposerLyricist - The Upsetters, MainArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel, ComposerLyricist

℗ 1976 The Island Def Jam Music Group

11
Norman (Discomix)
Max Romeo
00:08:36

Max Romeo, MainArtist, ComposerLyricist - Jah Lloyd, FeaturedArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel, ComposerLyricist

℗ 1976 The Island Def Jam Music Group

12
One Step Forward (Single Edit)
Max Romeo
00:03:34

Max Romeo, MainArtist, ComposerLyricist - The Upsetters, MainArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel, ComposerLyricist

℗ 1976 The Island Def Jam Music Group

13
One Step Dub
The Upsetters
00:03:12

Max Romeo, ComposerLyricist - The Upsetters, MainArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel, ComposerLyricist

℗ 1976 The Island Def Jam Music Group

14
War Ina Babylon (Single Edit)
Max Romeo
00:04:49

Max Romeo, MainArtist - The Upsetters, MainArtist - Lee "Scratch" Perry, Producer, Engineer, StudioPersonnel, ComposerLyricist - Maxie Smith, ComposerLyricist

℗ 1976 The Island Def Jam Music Group

Albumbeschreibung

Es herrscht Krieg in Babylon, "War Ina Babylon". Die Karibik kommt gerade in der neuen Realität der post-kolonialen Zeit an, Jamaika zählt 14 Jahre nach der Unabhängigkeit zu den blockfreien Staaten, die um 'Babylon', den Kapitalismus, einen Bogen machen.

Babylon, ein Begriff, der dank Reggae Teil der Alltagssprache wird. Max Romeo ist damals einer der bekanntesten Künstler des Genres. Die aufkommenden Gang-Kriege saugen der kleinen Insel die verbliebene Wirtschaftspotenz ab und stürzen das Land trotz seiner exportfähigen Grooves und Hanfpflanzen in einen Strudel voller Probleme. Mehrere Kirchen erkennen das Machtvakuum der in ihren zarten Anfängen herum stolpernden Demokratie und versuchen Mitglieder, an sich zu binden.

Max Romeo greift die Geistlichen auf seiner Platte bitter an. Er nennt keine Namen. Es ist die Zeit, als die Baptistenkirche und die ebenso protestantisch geprägten Siebenter-Tags-Adventisten den neuen Rastafari-Kult für sich nutzen. Heuchlerisch, findet Romeo.

"Der reiche Mann darf nicht im Namen des Herrn stehlen gehen / Der Reverend jedoch fährt ein schickes Auto und kauft alles steuerfrei", beschreibt "Stealing In The Name Of Jah", wie der Prediger sich bereichert, während die meisten Menschen in seiner Kirchengemeinde jeden Groschen umdrehen.

Die Songs auf diesem vierten Album Max Romeos hingegen eint der Pfeffer sowohl in Text als auch Musik. Catchy und auch ganz nebenbei gut hörbar ist sie zwar. Wer aber Zwischentöne sucht, findet sie in der filigranen Instrumentierung und im nuancenreichen Gesang. Häufiges Hören fördert immer wieder Neues zutage – so vielschichtig verwoben sind die Gedanken und die vielen Instrumente.

Die Mitwirkenden sind die ewigen Superstars des Reggae, die Besten der Besten aus der Generation der Pioniere. Obwohl es sich um eine Dub-Produktion handelt, hat die Platte nichts mit der Kargheit von Dub gemein. Statt repetitiv zu wirken, überzeugt jeder Song mit einer extra für ihn ausgewählten Instrumentierung.

Wer Abwechslung wünscht, entdeckt sie auch in den verschiedenen Stimmungen des Albums: von der tiefen Melancholie der Cover-Abbildung bis hin zur Heiterkeit im ironischen und autobiographischen Song "Norman", von sarkastischer Kritik in "Stealing In The Name Of Jah" über Entschlossenheit in "Chase The Devil", bis zum finalen Klagegesang in "Smile Out A Style", dem Song, der am besten zum Front Picture passt. Mittendrin geht es um Krieg, "War".

Als diese Platte entsteht, herrscht Wahlkampf in der jungen Demokratie Jamaika, und dieser eskaliert zum Bürgerkrieg, einem "War Ina Babylon". Statt zusammen gegen Babylon, schlagen sich die Leute innerhalb der Babylon-Koordinaten die Köpfe ein, so scheint es dem Sänger.

Max Romeo, zu jener Zeit 31, singt auf den Beats einer damals neuen Musikrichtung für den elf Jahre älteren Lee 'Scratch' Perry. Schreibt man dem Genre Dub (wie auch dem Hip Hop) das Jahr 1973 in seine Geburtsurkunde, so lautet der Geburtsort: Cardiff Crescent, Hausnummer 5, im Stadtteil Washington Gardens in Kingston. Black
Ark, die schwarze Arche. In den so bezeichneten Studios entsteht schwarzes Vinyl mit einer düsteren Musik, gespielt von Menschen dunkler Hautfarbe. 24 Schieberegler, 98 Drehknöpfe zum Nachjustieren, Tonbandspulen, hunderte Fotos an den Wänden - so sah das Herzstück eines Studios in der schwarzen Arche aus, analoger Standard und doch für zehn Jahre Brutstätte eines nie zuvor existenten Sounds.

Es war die Ära, in der gänzlich neue Pop-Strömungen das direkte Sprachrohr politischer Meinungen wurden. Max Romeo hätte ja auch über die Mango-Ernte in seinem Heimatort singen können, wie es dort alle immer taten. Aber er wusste genau, dass er diese Phase für konkretere Botschaften nutzen konnte. Und dass er gehört wurde.

Etwa von Michael Manley, Sozialreformer, linker Spitzenkandidat, Regierungschef in Jamaika von 1972 bis 1980. Romeos Song "Let The Power Fall" hatte ihm 1972 ins Amt verholfen. "Michael Manley hatte ihn gehört und dachte, es würde ein guter Slogan für seine Partei sein. Ich meinte, 'Ja, mach! Nimm ihn'. Er war ein guter Mann. Es gab viel Leid in Jamaika, und er begriff das." Manley enttäuscht während seiner ersten Legislaturperiode viele, auch den Sänger. Der Politiker stellt sich 1976 zur Wiederwahl. "One Step Forward" bezieht sich tagesaktuell auf ihn, kritisiert die Halbherzigkeit seines Kurses.

Während die Texte vor Inhalt fast platzen, schreibt die Musik Geschichte. Zwei Alben hatten im Vorjahr den Grundstein für Dub auf Albumlänge gelegt, verquast, experimentell, technoid, sehr basslastig. Beides wird kaum gepresst, verkauft sich wenig. Zur Massentauglichkeit fehlt etwas, und "War Ina Babylon" liefert es.

Dub: Drei Buchstaben, vier Tonspuren. Zwei für Drums und Bass, zwei für die Melodie. Nach diesem Strickmuster nimmt Lee Perry, hier selbst Toningenieur, Produzent und Backgroundsänger, immer auf. Doch mit Max Romeo hat er einen hoch politischen Künstler am Mikrofon. Getrieben vom Wunsch nach Veränderung. So entsteht das ausgeprägteste Vokalalbum der Dub-Geschichte, ein untypisches und doch eines der bekanntesten des Subgenres.

Einer der Tricks hier lautet Smoothifizierung: Wie bei Marley säuseln ein paar Damen den 'Background', wiederholen die wichtigsten Wörter. Statt sie wirklich in den Hintergrund zu mischen, sind sie aber fast genauso laut wie Max Romeo selbst. (Es echo-singt hier u.a. genau dieselbe Frau wie bei Marley: Marcia Griffiths.) Reggae verzweigt sich ab jetzt auch in diverse Richtungen. Hier bei Max Romeo fußt die Instrumentierung auf Soul und Jazz.

"Chase The Devil" von Max Romeo entwickelt sich so soulful zu einer der Mitpfeif-Hymnen des Roots Reggae. Romeo begrüßt den Teufel, 'Lucifer', zieht sich eine schusssichere Weste an, "an iron shirt", vertreibt den "Satan" mit der Hilfe von "Jah Jah". Dass Jungle auf Reggae aufbaut, wussten auch The Prodigy: "Out Of Space" kopiert unmittelbar nach dem Intro eine Original-Passage aus der Romeo/Perry-Platte, 38 Sekunden und quasi die erste Strophe des Titels, und quasi pures Copy/Paste der ersten Strophe aus dem Reggae-Klassiker. Wobei der Track von The Prodigy formal und energetisch sogar um einiges revolutionärer wirkt als der Romeo-Titel. Den Eröffnungsruf "Lucifer Son of a mourning" benutzt auch Jay-Z in "The Black Album" 2003.

Während die A-Seite des "War Ina Babylon"-Vinyls äußerst bekannt ist, kann man das von der B-Seite nicht behaupten. Zu Unrecht natürlich! Lauter tolle Songs hat man drauf gepresst. "Norman" handelt von einem Freund Max Romeos aus der Teenager-Zeit, mit dem er sich beim Kartenspiel, beim Domino usw. die Zeit vertrieb. "Er ist der 'Hausmeister', und in seiner Rolle sammelt er eine Steuer ein. Jedes Mal, wenn jemand ein Spiel gewinnt, erhebt Norman eine Steuer und sammelt sie ein. Und es gibt eine Regel in dem Spiel: Wenn etwas schief geht und du einen Fehler gemacht hast, bekommst du eine zweite Chance, indem du den anderen Teilnehmern eine Kleinigkeit gibst - wir nannten das 'a less', ein Weniger. Dann kommst du zurück ins Spiel.

Norman war aber der Typ, der sich darauf nicht einließ, sondern: Wenn du ihm 'a less' angeboten hast, wollte er 'more'. Der Song basiert also auf einer leibhaftigen Erfahrung und ist keine Fantasie, sondern Wirklichkeit. Damals waren wir in jungen Jahren schon Arbeiter, und nach der Arbeit hatten wir auf diese Art Spaß. Das war so eine kleine Nische, da haben wir unseren eigenen Raum geschaffen und uns so gegenseitig entertaint. So entstand dieser Track.
" Mit "diamonds and pearls in the back" steht Norman ironisch im Kontrast zu einer Gesellschaft, in der sich alles um das kleine bisschen Mehr über dem Mindeststandard dreht und Mittellosigkeit für viele das Normale ist. Bildung hat hier keinen hohen Stellenwert.

"When your hand in the lion mouth / Me said me take time pull he out." - Das philosophische Lied "Tan And See" mit diesem zentralen Satz verwendet ausnahmsweise, anders als der Rest der Platte, den kompletten Text hindurch jamaikanisches 'Patois'. Provoziert man den (stolzen) Löwen, sprich: den Freiheitskämpfer und aufrechten Rastafari-Gläubigen, dann dauert es lange, bis man die Hand aus dem Maul des Löwen wieder heil herausbekommt.

Der Stachel gegen das 'böse' Babylon sitzt auf diesem Album beharrlich tief. Romeo zieht damals konsequent das Armutsthema durch seine gesamte Kriegschronik des "War Ina Babylon": "Cost of living is rising high while / Poverty flowing / The rain is falling / But no seeds are growing / So smile out of style."

Nur vordergründig geht es in "Uptown Babies Don't Cry" um Sozialneid. "They don't know what suffering is like." - "Sie wissen nicht, was Leid ist, haben Mama und Papa, viele Spielzeuge, eine Kinderfrau und eine Oma, viele Freunde, mit denen sie die Zeit verbringen".
Erzogen werden die Kleinen mit der religiösen Einstellung, Armut sei eine Sünde.

Die Kids der Reichen kommen so nicht auf die Idee, Ursachen für Elend und Bildungsmangel zu hinterfragen. Ihre gleichaltrigen schwächeren Mitschüler werden zu Sündern abgestempelt. Die Statements sind der eigentliche Kern der Platte, denn sie verstricken alles zu einem harten, dicken, roten Fadenknäuel: Es geht genau deshalb "One Step Forward, Two Steps Backwards", weil sich schon vom Baby-Alter an die Spaltung in Arm und Reich in die nächste Generation vererbt, fortschreibt und verhärtet ("Uptown Babies Don't Cry"). "Lucifer, son of the mourning" hat deshalb leichtes Spiel.

Den Teufel könnte der Prediger austreiben, der aber lieber sein "fancy car" spazieren fährt. Weil die Ungerechtigkeit nicht zu ertragen ist und jedes Lächeln abwürgt ("Smile Out A Style"), erfindet die Jugend Spiele um sich abzulenken ("Norman The Gambler"). Doch den "War Ina Babylon" spürt jeder, ob er will und ein Löwe ist ("Tan And See") oder sich in einen "Smokey Room" zum Inhalieren von Tabak und mehr zurückzieht. Selbst dort aber setzt sich sehr der "ital rhythm, vital rhythm" des Reggae durch, Glen Da Costa von Beres Hammonds Gruppe Zap Pow bringt besonders auf diesen Songs der Vinyl-B-Seite die soulvollen Saxophon-Töne ein und verleiht der Platte immer wieder Soul-Flair.

Lee Perry und Max Romeo, Sly & Robbie, Marcia Griffiths, Earl 'Chinna' Smith, Theophilus London (der Fats Domino Jamaikas), und viele andere schufen mit "War Ina Babylon" eine Bestandsaufnahme der Arm-Reich-Schere des Landes. Jene wird immer krasser.

In Musik und Gesellschaft findet die Platte bis heute viel Widerhall. Max Romeos Kinder schicken sich an, die Messages in die 2020er Jahre zu tragen, und auch Max Album "Words From The Brave" knüpft an den alten Meilenstein an. "Ghetto's Songs" nannte Jimmy Cliff diese Art Musik einst.

© Laut

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