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Refused|The Shape Of Punk To Come

The Shape Of Punk To Come

Refused

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Wer in der letzten Dekade auch nur kurz mit Rockmusik geliebäugelt hat, der weiß um ein paar unverrückbare Grundweisheiten des Rock'n'Roll: "Lemmy ist Gott" zum Beispiel. "Die Stones spielen sicher noch eine Tour". Oder auch: "Bevor Refused sich wieder zusammen tun, knutscht Axl mit Slash". Für nicht vieles hätte man seine mit einem X bemalte Hand ins Feuer gelegt, als für die ausbleibende Wiedervereinigung der Hardcore-Heroen aus Umeå, Schweden.

Aber Totgesagte leben bekanntlich länger. Denn kurz nach Weihnachten 2011 verkündete das Coachella-Festival, passend messianisch, die Auferstehung dieser legendären Combo für das Untergangsjahr 2012. Der Tourplan bestand aus Festivals und Dreitausenderhallen, die Zeit der Keller war vorbei. Für die Fans mache man es, und dafür, den Songs von "Shape Of Punk To Come" die rechtmäßige Ehre zu erweisen, hieß es seitens der Band. Etwas, das dieser Scheibe flächendeckend erst nach dem Refused-Split zu Teil wurde. Man merkt schon, welche Besonderheiten diesem Album anhaften.

Und so standen sie da, am späten Nachmittag in praller Sonne, vor Massen von Blink 182- und Linkin Park-Fans, auf dicken Festivalbühnen, umgeben von den Abbildern der Großkonzerne, Paradebeispielen des ganz bösen Kapitalismus, gegen den Refused immer gewettert hatten. Als politische Manifeste umgaben sie ihre Alben, legten ihre antikapitalistische Einstellung so intensiv aus wie ihr teuflisches Hardcore-Punkgemisch. Dementsprechend mutete es etwas komisch an, auf überkommerzialisierten Festival-Stages mit Fronter Dennis Lyxzén zum Opener einzustimmen: "I've got a bone to pick with capitalism / and a few to break". Aber man hörte wenige Sellout-Rufe, selbst nicht von der eingeschworenen und Loyalität-glorifizierenden Hardcore-Community. Denn, werte Herrschaften, es ist fucking Refused, mit einem der wichtigsten Alben der vergangenen Dekaden im Gepäck.

"The Shape Of Punk To Come" hat mittlerweile 14 Jahre auf dem Buckel, der Klang der Scheibe aber bis zum heutigen Tage keine Falten. Es ist ein Dokument der Zeitlosigkeit, sowohl in musikalischer als auch produktionstechnischer Hinsicht. "The Shape Of Punk To Come", das überlieferte Schlachtschiff von einem Album, sorgt noch heute für wahlweise Beklemmung und Gänsehaut, für eingeweidequetschende Härte und Intensität, für komplexe Rhythmen und rohe Grooves, allesamt perfekt exerziert und erschreckend mühelos. Es steht für den brachialen Hardcore der Gorilla Biscuits vermischt mit grimmiger Perfektion skandinavischer Metalbands, hat die Eier von AC/DC und einen Screamer, der seine Stimmbänder mindestens gleichermaßen hasst wie Kapitalismus.

"Worms Of The Senses/Faculties Of The Skull", ein Opener mit sieben Minuten Laufzeit, lässt schon deutlich anderes erwarten, als eine 20 Minuten lange Drei-Akkorde-Zack-Bumm-Hardcore-Platte. Nach dem gesprochenen Intro und höllischem Gitarrenfeedback treten Refused brutal das Album los. Bratende Gitarrenwände, simpel aber unleugbar auf den Punkt gespielt, werden Part an Part gereiht, verlieren sich in Wut- und Hasstiraden von Fronter Lyxzen, transformiert von der Saitenarbeit von Kristofer Stehen und Jon Brännström, die skandinavisch kühl die Riffs ohne Schnörkel abfeuern.

Das schier übermenschliche Schlagzeugspiel von David Sandström, der lange nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die sein Groove-orientiertes, überaus songdienliches Spiel verdient, treibt Refused stets nach vorn (seine Performance auf "Refused Are Fucking Dead" sei hier nur exemplarisch angeführt). Schon der Einstieg des Albums offenbart den schier perfekten Sinn dieser Band für Arrangements und Songstruktur, der selbst die Überlänge-Songs mit den vertracktesten Riffs wie aus einem Guss erscheinen lassen. Die sieben Minuten vergehen wie im Flug, das Herz hüpft noch weiter, die erste Botschaft, dass man sich nicht alles gefallen lassen muss, ist angekommen.

Direkter geht da schon "Liberation Frequency" zur Sache. Über cleane, abgehackte Gitarren bekundet Dennis den Anspruch auf massenmediales Gehör, ein Part, zu dem sich formidabel schnipsen und schunkeln lässt. Die stampfenden Tritte auf die Verzerrer-Pedale der Gitarristen folgen auch hier unvermittelt, schlagen dem Hörer mit Anlauf in den Magen. Refused beherrschen die Laut/Leise-Dynamik, brechen hervor wie blitzschnelle Wutausbrüche. Sie können auf Knopfdruck biblischen Hass vertonen und beim nächsten Schlag mit kühlen Offbeat-Rhythmen fast auf den Tanzboden schielen.

Viel ist es auf jeden Fall, was dem Hörer hier entgegenfliegt. Und dann plötzlich: Jazz. "The Deadly Rhythm" beginnt mit Ausschnitten aus Bo Diddleys "I'm A Man", dessen unterkühlte Geschäftigkeit von Stakkato-Gitarren unmittelbar fröhlich zersägt wird. Der ermüdenden, an Fließbandarbeit gemahnenden Rhythmik stellen die Schweden einen Aufruf zur Revolution entgegen. Mitten im Song tritt erneut ein Jazz-Basslauf auf und verirrt sich unter Lyxzéns Fragen:

"Is it our duty to die for governments & for gods? / Is it our privilege to slave for market & for industry? / Is it our right to follow laws, set to scare and to oppress? / Is it a gift to stay in line and will it take away the blame?"

Doch das nächste Genickbrecher-Riff lauert auf "The Shape Of Punk To Come" immer wenige Herzschläge entfernt, dafür zentnerschwer und schiebend. Es sind die Abwechslungen, die den Hörer stets auf dem falschen Fuß erwischen, aber nie das Maß an Verständlichkeit überschreiten. Die ersten Songs des Albums könnten unterschiedlicher nicht sein, greifen einen durch die unverdünnte Intensität von Anfang an am Kragen und kreieren einen 55 Minuten langen, kompromisslosen Ausnahmezustand.

Neben der ganzen Brüllerei ist Refused eine gewisse Catchyness in wohl dosierten Mengen nie abzusprechen. Die Akkordschichtungen mitsamt der Minihook "rather be forgotten than remembered for giving in" in "Summerholidays vs. Punkroutine", zum Beispiel, oder das erwähnte "Liberation Frequency". Erlaubt ist im Punk ja bekanntlich alles, was Spaß macht. Selbst im Straight Edge, in der intellektuellen Schlagrichtung des Hardcore, mit gekämmten Seitenscheiteln und engen, schwarzen Hosen. Auf Konventionen gab der Fünfer in Schwarz sowieso nie etwas, was man in den elektronischen Elementen oder Jazz-Versatzstücken hört, besonders natürlich im verspielten Vibraphon über einen leichten Drum'n'Bass-Teppich in "Brutist Prome #5", das als geniale Einleitung für "New Noise" dient und jeder damals und heute aktiven Punkband schlagartig den Horizont erweiterte.

Zentral im Album platziert, entwickelte sich dieses "New Noise" (auch dank Single-Auskopplung) zum Hit, fand genau die goldene Mischung zwischen Eingängigkeit, avantgardistischen Elektrosounds und roher Gewalt. Denn auch antikapitalistische Manifeste brauchen Transportmittel, die möglichst zielsicher beim gewünschten Publikum ankommen. Als jedoch die politische Aura einen Schritt hinter der zwingenden Musik zurücktrat, zogen Refused sofort die Reißleine und hängten die Band an den Nagel.

Zuvor galt es jedoch, ein Album fertig zu stellen und die Hinterlassenschaft als einflussreichste Hardcore-Punkband der Neunziger zu zementieren. Ambitioniert und frenetisch fahren sie das "Refused Party-Programme" gegen eine Wand aus Elektro-Noise, der schon nach halber Laufzeit dem Song den Saft abdreht. Der "Protest Song #68" darf nach einer weiteren schlagzeugtechnischen Meisterleistung Sandstroms für eine kurze Gedächtnisminute in andächtige Ruhe verfallen, bevor man so überraschend wie noch nie aus der schnell einlullenden Sicherheit der Verschnaufpause gerissen wird.

Wieder werden Extreme ausgelotet, bevor noch die letzte Hürde mit dem Einsatz des Cellos bei "Tannhäuser/Derivé" im Sturm genommen wird. Neben Jazz schrecken Refused auch vor Klassik nicht zurück. Nordische Nüchternheit kommt auf, wenn sich die acht Minuten atmosphärisch gen Höhepunkt schrauben. Dieses eine Mal fallen Refused nicht gleich mit der Tür ins Haus und verbrennen im akustischen Feuersturm alle weltlichen Besitztümer.

Die Anklageschrift gegen den Kapitalismus scheint nun auch verlesen, die Lyrics drehen immer mehr in Richtung Einigkeit, Aufstand, Revolution zum Guten. "So where do we go from here? / Just about anywhere / Disorientated but alive / Boredom won't get me tonight" klingt über das Schallwelleninferno, zu dem sich "Tannhäuser/Derivé" noch aufspielt, bevor man minutenlang mit Stravinskys Frühlingsweihe das Outro bestreitet.

Das Ausbleiben einer klassischen Akustikgitarre behebt schlussendlich der letzte Song "The Apollo Program Was A Hoax". Reduziert und mit höchster Zurückhaltung klingt "The Shape Of Punk To Come" aus, die Wut ebbt ab, der Schweiß tropft von den Wänden. Fast wappnet man sich schon gegen ein erneutes Einprügeln vom Schlagzeug und gegen Gitarrensalven, zu oft zelebrierten die Schweden genau diese Schizophrenie in den vergangenen 55 Minuten. Doch Refused wussten, dass sie den Respekt ihrer Hörerschaft und eines jeden Punks schon lange erworben hatten, um sich durch weitere neue Verrücktheiten noch in den Punk-Olymp zu prügeln.

Dass Band-Reunions oft das Potenzial haben, am eigenen Bandmythos zu kratzen, ist kein Geheimnis. Im Fall von Refused hält die einzigartige Attitüde ihres besten Albums sicher einiges stand. Umso mehr würde es schmerzen, wenn die Schweden zu einer Parodie ihrer selbst verkommen. Jedoch lassen das die Songs von "The Shape Of Punk To Come" kaum zu. Sind sie doch seit 1998 längst in den Besitz der Musikgemeinschaft übergegangen, die sich auch noch in den nächsten 14 Jahren an diesem zeitlosen Werk ergötzen wird. Unerreicht im Punk bis zum heutigen Tage, in Atmosphäre und politischer Standfestigkeit ein letztes seiner Art. Wirklich tot waren diese zwölf Songs nie.

© Laut

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The Shape Of Punk To Come

Refused

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1
Worms Of The Senses / Faculties Of The Skull
00:07:07

David Sandström, Writer - Refused, MainArtist - Dennis Lyxzén, Writer - Jon F. Brännström, Writer - Kristofer Steen, Writer - Songs And Stories Publishing (STIM), MusicPublisher

1998 Burning Heart Records 1998 Burning Heart Records

2
Liberation Frequency
00:04:10

David Sandström, Writer - Refused, MainArtist - Dennis Lyxzén, Writer - Jon F. Brännström, Writer - Kristofer Steen, Writer - Songs And Stories Publishing (STIM), MusicPublisher

1998 Burning Heart Records 1998 Burning Heart Records

3
The Deadly Rhythm
00:03:36

David Sandström, Writer - Refused, MainArtist - Dennis Lyxzén, Writer - Jon F. Brännström, Writer - Kristofer Steen, Writer - Songs And Stories Publishing (STIM), MusicPublisher

1998 Burning Heart Records 1998 Burning Heart Records

4
Summerholidays Vs. Punkroutine
00:04:03

David Sandström, Writer - Refused, MainArtist - Dennis Lyxzén, Writer - Jon F. Brännström, Writer - Kristofer Steen, Writer - Songs And Stories Publishing (STIM), MusicPublisher

1998 Burning Heart Records 1998 Burning Heart Records

5
Bruitist Pome #5
00:01:27

David Sandström, Writer - Refused, MainArtist - Dennis Lyxzén, Writer - Jon F. Brännström, Writer - Kristofer Steen, Writer - Songs And Stories Publishing (STIM), MusicPublisher

1998 Burning Heart Records 1998 Burning Heart Records

6
New Noise
00:05:10

David Sandström, Writer - Refused, MainArtist - Dennis Lyxzén, Writer - Jon F. Brännström, Writer - Kristofer Steen, Writer - Songs And Stories Publishing (STIM), MusicPublisher

1998 Burning Heart Records 1998 Burning Heart Records

7
The Refused Party Program
00:02:40

David Sandström, Writer - Refused, MainArtist - Dennis Lyxzén, Writer - Jon F. Brännström, Writer - Kristofer Steen, Writer - Songs And Stories Publishing (STIM), MusicPublisher

1998 Burning Heart Records 1998 Burning Heart Records

8
Protest Song '68
00:04:34

David Sandström, Writer - Refused, MainArtist - Dennis Lyxzén, Writer - Jon F. Brännström, Writer - Kristofer Steen, Writer - Songs And Stories Publishing (STIM), MusicPublisher

1998 Burning Heart Records 1998 Burning Heart Records

9
Refused Are Fucking Dead Explicit
00:05:10

David Sandström, Writer - Refused, MainArtist - Dennis Lyxzén, Writer - Jon F. Brännström, Writer - Kristofer Steen, Writer - Songs And Stories Publishing (STIM), MusicPublisher

1998 Burning Heart Records 1998 Burning Heart Records

10
The Shape of Punk to Come
00:05:08

David Sandström, Writer - Refused, MainArtist - Dennis Lyxzén, Writer - Jon F. Brännström, Writer - Kristofer Steen, Writer - Songs And Stories Publishing (STIM), MusicPublisher

1998 Burning Heart Records 1998 Burning Heart Records

11
Tannhäuser / Derivè
00:08:09

David Sandström, Writer - Refused, MainArtist - Dennis Lyxzén, Writer - Jon F. Brännström, Writer - Kristofer Steen, Writer - Songs And Stories Publishing (STIM), MusicPublisher

1998 Burning Heart Records 1998 Burning Heart Records

12
The Apollo Programme Was a Hoax
00:04:13

David Sandström, Writer - Refused, MainArtist - Dennis Lyxzén, Writer - Jon F. Brännström, Writer - Kristofer Steen, Writer - Songs And Stories Publishing (STIM), MusicPublisher

1998 Burning Heart Records 1998 Burning Heart Records

Albumbeschreibung

Wer in der letzten Dekade auch nur kurz mit Rockmusik geliebäugelt hat, der weiß um ein paar unverrückbare Grundweisheiten des Rock'n'Roll: "Lemmy ist Gott" zum Beispiel. "Die Stones spielen sicher noch eine Tour". Oder auch: "Bevor Refused sich wieder zusammen tun, knutscht Axl mit Slash". Für nicht vieles hätte man seine mit einem X bemalte Hand ins Feuer gelegt, als für die ausbleibende Wiedervereinigung der Hardcore-Heroen aus Umeå, Schweden.

Aber Totgesagte leben bekanntlich länger. Denn kurz nach Weihnachten 2011 verkündete das Coachella-Festival, passend messianisch, die Auferstehung dieser legendären Combo für das Untergangsjahr 2012. Der Tourplan bestand aus Festivals und Dreitausenderhallen, die Zeit der Keller war vorbei. Für die Fans mache man es, und dafür, den Songs von "Shape Of Punk To Come" die rechtmäßige Ehre zu erweisen, hieß es seitens der Band. Etwas, das dieser Scheibe flächendeckend erst nach dem Refused-Split zu Teil wurde. Man merkt schon, welche Besonderheiten diesem Album anhaften.

Und so standen sie da, am späten Nachmittag in praller Sonne, vor Massen von Blink 182- und Linkin Park-Fans, auf dicken Festivalbühnen, umgeben von den Abbildern der Großkonzerne, Paradebeispielen des ganz bösen Kapitalismus, gegen den Refused immer gewettert hatten. Als politische Manifeste umgaben sie ihre Alben, legten ihre antikapitalistische Einstellung so intensiv aus wie ihr teuflisches Hardcore-Punkgemisch. Dementsprechend mutete es etwas komisch an, auf überkommerzialisierten Festival-Stages mit Fronter Dennis Lyxzén zum Opener einzustimmen: "I've got a bone to pick with capitalism / and a few to break". Aber man hörte wenige Sellout-Rufe, selbst nicht von der eingeschworenen und Loyalität-glorifizierenden Hardcore-Community. Denn, werte Herrschaften, es ist fucking Refused, mit einem der wichtigsten Alben der vergangenen Dekaden im Gepäck.

"The Shape Of Punk To Come" hat mittlerweile 14 Jahre auf dem Buckel, der Klang der Scheibe aber bis zum heutigen Tage keine Falten. Es ist ein Dokument der Zeitlosigkeit, sowohl in musikalischer als auch produktionstechnischer Hinsicht. "The Shape Of Punk To Come", das überlieferte Schlachtschiff von einem Album, sorgt noch heute für wahlweise Beklemmung und Gänsehaut, für eingeweidequetschende Härte und Intensität, für komplexe Rhythmen und rohe Grooves, allesamt perfekt exerziert und erschreckend mühelos. Es steht für den brachialen Hardcore der Gorilla Biscuits vermischt mit grimmiger Perfektion skandinavischer Metalbands, hat die Eier von AC/DC und einen Screamer, der seine Stimmbänder mindestens gleichermaßen hasst wie Kapitalismus.

"Worms Of The Senses/Faculties Of The Skull", ein Opener mit sieben Minuten Laufzeit, lässt schon deutlich anderes erwarten, als eine 20 Minuten lange Drei-Akkorde-Zack-Bumm-Hardcore-Platte. Nach dem gesprochenen Intro und höllischem Gitarrenfeedback treten Refused brutal das Album los. Bratende Gitarrenwände, simpel aber unleugbar auf den Punkt gespielt, werden Part an Part gereiht, verlieren sich in Wut- und Hasstiraden von Fronter Lyxzen, transformiert von der Saitenarbeit von Kristofer Stehen und Jon Brännström, die skandinavisch kühl die Riffs ohne Schnörkel abfeuern.

Das schier übermenschliche Schlagzeugspiel von David Sandström, der lange nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die sein Groove-orientiertes, überaus songdienliches Spiel verdient, treibt Refused stets nach vorn (seine Performance auf "Refused Are Fucking Dead" sei hier nur exemplarisch angeführt). Schon der Einstieg des Albums offenbart den schier perfekten Sinn dieser Band für Arrangements und Songstruktur, der selbst die Überlänge-Songs mit den vertracktesten Riffs wie aus einem Guss erscheinen lassen. Die sieben Minuten vergehen wie im Flug, das Herz hüpft noch weiter, die erste Botschaft, dass man sich nicht alles gefallen lassen muss, ist angekommen.

Direkter geht da schon "Liberation Frequency" zur Sache. Über cleane, abgehackte Gitarren bekundet Dennis den Anspruch auf massenmediales Gehör, ein Part, zu dem sich formidabel schnipsen und schunkeln lässt. Die stampfenden Tritte auf die Verzerrer-Pedale der Gitarristen folgen auch hier unvermittelt, schlagen dem Hörer mit Anlauf in den Magen. Refused beherrschen die Laut/Leise-Dynamik, brechen hervor wie blitzschnelle Wutausbrüche. Sie können auf Knopfdruck biblischen Hass vertonen und beim nächsten Schlag mit kühlen Offbeat-Rhythmen fast auf den Tanzboden schielen.

Viel ist es auf jeden Fall, was dem Hörer hier entgegenfliegt. Und dann plötzlich: Jazz. "The Deadly Rhythm" beginnt mit Ausschnitten aus Bo Diddleys "I'm A Man", dessen unterkühlte Geschäftigkeit von Stakkato-Gitarren unmittelbar fröhlich zersägt wird. Der ermüdenden, an Fließbandarbeit gemahnenden Rhythmik stellen die Schweden einen Aufruf zur Revolution entgegen. Mitten im Song tritt erneut ein Jazz-Basslauf auf und verirrt sich unter Lyxzéns Fragen:

"Is it our duty to die for governments & for gods? / Is it our privilege to slave for market & for industry? / Is it our right to follow laws, set to scare and to oppress? / Is it a gift to stay in line and will it take away the blame?"

Doch das nächste Genickbrecher-Riff lauert auf "The Shape Of Punk To Come" immer wenige Herzschläge entfernt, dafür zentnerschwer und schiebend. Es sind die Abwechslungen, die den Hörer stets auf dem falschen Fuß erwischen, aber nie das Maß an Verständlichkeit überschreiten. Die ersten Songs des Albums könnten unterschiedlicher nicht sein, greifen einen durch die unverdünnte Intensität von Anfang an am Kragen und kreieren einen 55 Minuten langen, kompromisslosen Ausnahmezustand.

Neben der ganzen Brüllerei ist Refused eine gewisse Catchyness in wohl dosierten Mengen nie abzusprechen. Die Akkordschichtungen mitsamt der Minihook "rather be forgotten than remembered for giving in" in "Summerholidays vs. Punkroutine", zum Beispiel, oder das erwähnte "Liberation Frequency". Erlaubt ist im Punk ja bekanntlich alles, was Spaß macht. Selbst im Straight Edge, in der intellektuellen Schlagrichtung des Hardcore, mit gekämmten Seitenscheiteln und engen, schwarzen Hosen. Auf Konventionen gab der Fünfer in Schwarz sowieso nie etwas, was man in den elektronischen Elementen oder Jazz-Versatzstücken hört, besonders natürlich im verspielten Vibraphon über einen leichten Drum'n'Bass-Teppich in "Brutist Prome #5", das als geniale Einleitung für "New Noise" dient und jeder damals und heute aktiven Punkband schlagartig den Horizont erweiterte.

Zentral im Album platziert, entwickelte sich dieses "New Noise" (auch dank Single-Auskopplung) zum Hit, fand genau die goldene Mischung zwischen Eingängigkeit, avantgardistischen Elektrosounds und roher Gewalt. Denn auch antikapitalistische Manifeste brauchen Transportmittel, die möglichst zielsicher beim gewünschten Publikum ankommen. Als jedoch die politische Aura einen Schritt hinter der zwingenden Musik zurücktrat, zogen Refused sofort die Reißleine und hängten die Band an den Nagel.

Zuvor galt es jedoch, ein Album fertig zu stellen und die Hinterlassenschaft als einflussreichste Hardcore-Punkband der Neunziger zu zementieren. Ambitioniert und frenetisch fahren sie das "Refused Party-Programme" gegen eine Wand aus Elektro-Noise, der schon nach halber Laufzeit dem Song den Saft abdreht. Der "Protest Song #68" darf nach einer weiteren schlagzeugtechnischen Meisterleistung Sandstroms für eine kurze Gedächtnisminute in andächtige Ruhe verfallen, bevor man so überraschend wie noch nie aus der schnell einlullenden Sicherheit der Verschnaufpause gerissen wird.

Wieder werden Extreme ausgelotet, bevor noch die letzte Hürde mit dem Einsatz des Cellos bei "Tannhäuser/Derivé" im Sturm genommen wird. Neben Jazz schrecken Refused auch vor Klassik nicht zurück. Nordische Nüchternheit kommt auf, wenn sich die acht Minuten atmosphärisch gen Höhepunkt schrauben. Dieses eine Mal fallen Refused nicht gleich mit der Tür ins Haus und verbrennen im akustischen Feuersturm alle weltlichen Besitztümer.

Die Anklageschrift gegen den Kapitalismus scheint nun auch verlesen, die Lyrics drehen immer mehr in Richtung Einigkeit, Aufstand, Revolution zum Guten. "So where do we go from here? / Just about anywhere / Disorientated but alive / Boredom won't get me tonight" klingt über das Schallwelleninferno, zu dem sich "Tannhäuser/Derivé" noch aufspielt, bevor man minutenlang mit Stravinskys Frühlingsweihe das Outro bestreitet.

Das Ausbleiben einer klassischen Akustikgitarre behebt schlussendlich der letzte Song "The Apollo Program Was A Hoax". Reduziert und mit höchster Zurückhaltung klingt "The Shape Of Punk To Come" aus, die Wut ebbt ab, der Schweiß tropft von den Wänden. Fast wappnet man sich schon gegen ein erneutes Einprügeln vom Schlagzeug und gegen Gitarrensalven, zu oft zelebrierten die Schweden genau diese Schizophrenie in den vergangenen 55 Minuten. Doch Refused wussten, dass sie den Respekt ihrer Hörerschaft und eines jeden Punks schon lange erworben hatten, um sich durch weitere neue Verrücktheiten noch in den Punk-Olymp zu prügeln.

Dass Band-Reunions oft das Potenzial haben, am eigenen Bandmythos zu kratzen, ist kein Geheimnis. Im Fall von Refused hält die einzigartige Attitüde ihres besten Albums sicher einiges stand. Umso mehr würde es schmerzen, wenn die Schweden zu einer Parodie ihrer selbst verkommen. Jedoch lassen das die Songs von "The Shape Of Punk To Come" kaum zu. Sind sie doch seit 1998 längst in den Besitz der Musikgemeinschaft übergegangen, die sich auch noch in den nächsten 14 Jahren an diesem zeitlosen Werk ergötzen wird. Unerreicht im Punk bis zum heutigen Tage, in Atmosphäre und politischer Standfestigkeit ein letztes seiner Art. Wirklich tot waren diese zwölf Songs nie.

© Laut

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