Evergreens

Albumbeschreibung

Der heute 50-jährige Benoît Delbecq hat bereits etliche Duoalben aufgenommen, mit Trommlern oder Klarinettisten, Bassisten und anderen Pianisten (Andy Milne, Fred Hersch). Manchmal bringt er vier bis fünf Alben pro Jahr heraus, wie Reisetagebücher eines inspirierten Klangforschers, der elektroakustische Musik am präparierten Klavier macht, irgendwo zwischen Cage und Ligeti, aus Free Jazz und Pygmäen-Polyfonie schöpfend. Sein Duopartner, der 42-jährige Jozef Dumoulin, zaubert aus dem Fender Rhodes-Piano, das heute nicht mehr hergestellt wird (siehe Beitrag in FF 9/2016), ein neues Instrument. Dass Dumoulin wie Delbecq seine Ohren überall hat, zeigt ihre erste Kooperation: Dieses Duo Plug and Pray präsentiert mit „Evergreens“ eine rundum erstaunliche Platte. Die Videos dieses Duos im Internet zeigen, wie die beiden Künstler vorgehen (vimeo.com/channels/delbecq). Delbecq präpariert den Konzertflügel und verfremdet seine Klänge in Echtzeit, während Dumoulin mit ungewöhnlichen Anschlagtechniken und durch diverse Effektgeräte das Fender Piano behandelt. Der Opener „Cortex Rewired“ lebt von perkussiven, wie von Geisterhand ausgeworfenen Patterns, darüber erzeugt das Duo Klangkombinationen, deren orchestrale Wirkung frappierend ist. In „I Had A Dream About This Place“ fließt die Musik um leise dissonante Zieltöne wie Datenströme im Zeitraffer. Folgen eine „Sonate für einen besseren Frühling“, nebst Dumoulin überraschend à la Mike Ratledge in „Slow Stepper“ und „Saint Denis Appetizer“, einer Ode an seine krisengeschüttelte Wohngegend. Eindrucksvoll steigern sich die beiden in der neunminütigen „Singapore Rhapsody“. Mit „Evergreens“ eröffnen Delbecq und Dumoulin ein neues Kapitel der Klaviermusik zu vier Händen.
© Lippegaus, Karl / www.fonoforum.de