Der Finne Esa-Pekka Salonen, gefeierter Dirigent und produktiver Komponist, der mehr als 60 Schallplatten aufgenommen hat, spricht über seine besondere Herangehensweise an die Studioarbeit mit klassischer Musik.

Am 30. Juni 2018 hat Esa-Pekka Salonen seinen 60. Geburtstag gefeiert. Für einen Dirigenten ist dies oft das so genannte Reifealter. Der in Helsinki gebürtige Salonen ist nicht nur Dirigent, sondern ebenso Hornist und auch Komponist. Die Zeit scheint ihm nichts anhaben zu können. Denn zum einen wurde er sehr schnell zu einem versierten Musiker, und zum anderen hat er sein jugendliches Aussehen aus der Zeit behalten, als wir ihn 1985 zum ersten Mal in Paris im Théâtre des Champs-Élysées gehört haben. Damals standen Strawinsky (Pulcinella-Suite) und Sibelius (Violinkonzert mit Salvatore Accardo) auf dem Programm. Erst zwei Jahre zuvor hatte er durch sein spontanes Einspringen für Michael Tilson-Thomas in der Sinfonie Nr. 3 von Mahler bei einem Konzert in London auf sich aufmerksam gemacht. Als die CD mit all ihren Vorzügen aufkam, waren seine ersten Platten bereits erschienen (bei Bis, Philips, Finlandia und CBS, das damals noch nicht zu Sony gehörte). Was uns aber damals faszinierte, war das Werk, das er zum Abschluss des Konzertes ausgewählt hatte: Anstelle einer Sinfonie, mit der er hätte brillieren können – es war immerhin sein Debüt in Frankreich –, standen die Variationen und Fuge über ein Thema von Mozart von Max Reger. auf dem Programm. Frei nach W. C. Fields dachten wir, dass ein Musiker, der in einem solchen Kontext Reger wählt, nicht von Grund auf schlecht sein kann. Wir waren von dem Konzert verzaubert. Es war uns damals nicht bewusst, dass wir soeben der enormen Intelligenz und dem hohen künstlerischen Anspruch des jungen finnischen Dirigenten begegnet waren.

33 Jahre später ist aus dem ersten Eindruck längst Gewissheit, wenn nicht sogar Symbolcharakter geworden: Esa-Pekka Salonen ist eine der herausragendsten Persönlichkeiten in der so vereinfachend "klassische Musik" genannten Welt. Der Ausdruck würde ihn zum Lächeln bringen - bindet ihn doch viel Geistiges und Materielles an die heutige Zeit. Er ist nicht nur technologiebegeistert (insbesondere aufgrund der vielen Möglichkeiten, Musik zu teilen und zu verbreiten), sondern auch ein in Umweltfragen engagierter Mitbürger, der aus dieser Motivation heraus das Baltic Sea Festival ins Leben gerufen hat. Auch wenn Salonen heute für Signum oder Pentatone aufnimmt (kürzlich ist Persephone von Strawinsky erschienen), so geht die von Sony 2018 herausgegebene Jubiläums-Box (The Complete Sony Recordings,1985 bis 2012) über die reine Gesamtausgabe seiner Aufnahme hinaus: Sie strahlt Engagement, Gewissen und Ethik aus. Denn der größte Teil dieses Vermächtnisses ist dem Repertoire des 20. Jahrhunderts gewidmet, modern oder zeitgenössisch (bis hin zu eigenen Kompositionen oder solcher seiner Kollegen), und das ohne jegliche stilistische Exklusivität: Debussy steht neben Hindemith, Nielsen neben Strawinsky, Bartók neben Revueltas, Jolivet und Messiaen neben Lutoslawski oder Ligeti, Saariaho neben Corigliano oder Marsalis.

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