Neben seinem älteren Kollegen Berlioz, den er bewunderte, und seinen Schülern Bizet, Saint-Saëns, Massenet, die seinem Glauben an die Kunst huldigten, hat er am meisten zum neuen Aufschwung der französischen Musik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beigetragen: Charles Gounod (1818-1893), der charmante Mystiker und Romantiker auf der Suche nach einem neuen Klassizismus, verdankt seine Berühmtheit so einigen Meisterwerken. Seine Ambition ging aber darüber hinaus. Eine florierende Diskografie präsentiert seine vielseitige Musik: Instrumentalmusik, Vokalmusik, geistliche Musik und Opern.

Der Vorspann der Serie Alfred Hitchcock Present machte Gounods Marche funèbre d'une marionnodsette (Trauermarsch einer Marionette) populär und sehr viele erinnern sich noch heute daran. Die Idee für dieses köstlich hinkende Szenario kam ihm, als er die Silhouette eines englischen Musikkritikers sah, der einem alten Papagei ähnelte. Wer würde danach demselben Autor die Inno e Marcia pontificale (seit 1948 die Nationalhymne des Vatikans) zuschreiben, die das genaue Gegenteil dieser Idee repräsentiert, aber genauso erquickend ist? In der Nachwelt gilt Gounod als der lyrische Komponist schlechthin, aber bis es soweit war, musste er lange warten. Die ersten gedruckten Partituren waren nämlich die 6 Melodien für Horn und Klavier (1839) – sie sind Raoux, dem Solisten am italienischen Theater und Vertreter des Waldhorns, gewidmet; so ist auch die Quelle von Bellinis oder Rossinis Inspirationen zu verstehen, wobei Othello für seine Berufswahl ausschlaggebend sein sollte. Sein letztes musikalisches Wirken hat er dem Streichquartett gewidmet: Die fünf uns bekannten Quartette sind einerseits der Tatsache zu verdanken, dass Gounod Mozart über alles bewunderte, andererseits seiner Erfahrung mit dem Theater. Er erarbeitet nämlich die Motive mit Leichtigkeit - so wie die Protagonisten eine Intrige einfädeln, die dann weitergesponnen und schließlich aufgelöst wird. Dasselbe kann man über seine Sinfonien sagen: Das Allegro am Ende der zweiten Sinfonie ist das Finale einer Opera buffa ohne Worte. Diese im Jahre 1855 geschriebenen Sinfonien wurden sehr oft aufgeführt und sind in der französischen Romantik für einen Neoklassizismus repräsentativ, der neuen Elan brachte. Dreißig Jahre später nimmt die Petite symphonie für Bläser (1885) mit der an Mozart erinnernden, belebenden bzw. stimmungsvollen Anmut den Geist der 1920er Jahre vorweg. Das von Melancholie hochstilisierte La Veneziana (1873) zählt zu den seltsamsten unter den ungefähr 20 Klavierwerken.

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