Zusammen mit dem Brussels Philharmonic, dem Umbria Jazz Orchestra sowie Michael Gibbs als Arrangeur erkundet der Gitarrist Bill Frisell auf einer seiner besten Platten für Blue Note die symphonische Orchestrierung.

Vereint in einer Doppel-CD, präsentiert uns Bill Frisell auf Orchestras zwei ambitionierte Live-Mitschnitte, die am 22. & 23. September 2022 in Belgien und am 30. Dezember 2021 und 1. Januar 2022 in Italien aufgenommen wurden. Für eine Reihe von musikalischen Themen, die durch die inspirierten Orchestrierungen des Veteranen und Arrangeurs Michael Gibbs wunderbar neu erfunden wurden, wird Frisell neben seinem Trio (Thomas Morgan am Kontrabass und Rudy Royston am Schlagzeug) von den Brussels Philharmonic und Dirigenten Alexander Hanson sowie dem Umbria Jazz Orchestra unter der Leitung von Manuele Morbidini begleitet.

In den Kompositionen spielt Gibbs nuanciert mit den verschiedenen Orchestermaterialien und -farben, die ihm zur Verfügung stehen (das Brussels Philarmonic entfaltet den Reichtum und die Brillanz einer Masse von über 60 Musikern und Musikerinnen). Zudem bietet er dem Trio des Gitarristen, das symbiotisch fließend und von kollektiver Geschlossenheit ist, den bewegten Rahmen für kinematische Arrangements mit einer großen Bandbreite an Stimmungen (wir denken an Komponisten Bernard Hermann oder Charles Ives).

Mit einem Repertoire aus Originalkompositionen aus seinem umfangreichen Katalog (Lookout for Hope, Electricity, Monica Jane, Strange Meeting), einigen handverlesenen Standards (Lush Life von Billy Strayhorn, Beautiful Dreamer von Stephen Foster oder die Protesthymne We Shall Overcome), einer genialen Paraphrase des Themas Mood von Ron Carter (Doom) und einigen Stücken, die von Michael Gibbs selbst stammen (Nocturne Vulgaire, Sweet Rain), verschafft uns Bill Frisell auf dieser genialen Aufnahme einen wunderbaren Einblick in den formalen Eklektizismus seines Universums, das meisterhaft durch eine Ästhetik des Understatements vereint wird.

Seit der Musiker in den 1980er Jahren neben Pat Metheny, John Abercrombie und John Scofield zu einem der wichtigsten Vorreitern der Jazzgitarre wurde, hat er die Raffinessen seines traumhaften und poetischen Stils in allen Orchesterkontexten und stilistischen Registern angewandt. Frissell begann seine Karriere beim Label ECM, wo er unter anderem mit Eberhard Weber (Fluid Rustle), Arild Andersen (der ihn 1982 auf seiner ersten Platte In Line begleitete) und dem norwegischen Saxophonisten Jan Garbarek zusammenarbeitete. Neben seinen ersten musikalische Kollaborationen war der junge Neukömmling zudem damit beschäftigt, Ornette Colemans Free-Jazz-Erbe aufzunehmen (Paths, Prints oder Wayfarer) und tauchte schon bald parallel dazu in die pulsierende Downtown-Szene New Yorks ein.

Kurz darauf begann Frisell eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Saxophonisten und Komponisten John Zorn (Cobra, News for Lulu), die 1990 in der Gründung der Hardcore-Band Naked City mündete. Außerdem gründete er zusammen mit dem Cellisten Hank Roberts, dem Bassisten Kermit Driscoll und dem Schlagzeuger Joey Baron ein experimentell instrumentiertes Quartett, mit dem er seine ersten Meisterwerke als Bandleader aufnahm (Lookout for Hope und Before We Were Born).

Mit auf seiner weiteren Reise begleiteten ihn starke und unterschiedliche Persönlichkeiten wie Paul Bley (Fragments), Marc Johnson (Bass Desires) und vor allem der Schlagzeuger Paul Motian (mit dem er zusammen mit dem Saxophonisten Joe Lovano eines der besten Trios im Jazz des späten 20. Jahrhunderts gründete, was wir auf It Should Have Happened a Long Time Ago und weiteren Alben sehen können). Seit den 90er und 2000er Jahren setzt Frisell mit paradoxer Sanftheit die Einzigartigkeit seines nuancenreichen Stils durch, der selbst im radikalsten Lärmrausch von einer außergewöhnlichen Klarheit der Artikulation geprägt ist.

Bill Frisell war wahrscheinlich der Bandleader, der in dieser Zeit seinen Ruf als großer Musiker endgültig festigte. Er sammelte Meisterwerke in den verschiedensten Stilrichtungen (Have a Little Faith, This Land, The Sweetest Punch, Ghost Town, Blue Dreams) und nahm immer mehr Einflüsse aus den verschiedenen Idiomen der amerikanischen Musik (von Jazz und Blues über Country, Bluegrass bis hin zu Pop von Madonna oder Burt Bacharach) in seine Palette auf. Im Laufe der Alben entwickelt Frisell ein modernes und zugleich melancholisches Universum, das hinter seinem bekennenden Synkretismus von großer formaler Kohärenz ist — als hätte er es sich zur Aufgabe gemacht, das weite imaginäre Territorium der Vereinigten Staaten in alle Richtungen zu durchstreifen, auf der Suche nach einer unwahrscheinlichen Harmonie, die niemals die Sepiafarben der Nostalgie annimmt.

Der heute 73-jährige Gitarrist wirkte nie zuvor so souverän — sowohl instrumental als auch konzeptionell — und war von der jugendlichen Lust beseelt, mit neuen Sachen zu experimentieren, indem er immer weiter in die Tiefe ging und seine intimsten Gebiete erforschte.

Künstler