Interview mit TEll A ViSiON anlässlich zum Release ihres neuen, selbstbetitelten Albums. Die Multiinstrumentalistin aus Berlin berichtet uns über ihren musikalischen Neuanfang, künstlerische Inspirationen und ihrer eigenen ‘Vision’ des Projekts.

Das Projekt TEll A ViSiON — alias Fee Kürten — gibt es eigentlich schon seit mehreren Jahren, spätestens seit ihrem ersten Album Add Land von 2019. Und trotzdem kann man von einer Art Debüt sprechen — neues Label, neue Namensschreibweise und natürlich neue Inspiration. Die Multiinstrumentalistin, Produzentin und Songwriterin begann bereits mit 11 Jahren in ihrem Schlafzimmer in ihrer Heimatstadt Bielefeld Musik zu machen, wo sie ihre ersten Texte schrieb und Beats produzierte. Über Hamburg sollte sie schließlich 2019 in Berlin ankommen und sich musikalisch neu erfinden, bis schließlich auch das Label Duchess Box Records (Sofia Portanet, Gurr, THALA) auf sie aufmerksam wurde.

Nun präsentiert uns TEll A ViSiON ihre Art musikalischen “Neuanfang” — ein Album zwischen Selbstfindung, Empowerment und mit dem Ziel, uns Menschen zu verbinden. Wir durften uns mit ein paar Fragen an die Künstlerin wenden…

Dein Album TEll A ViSiON beschreibst du als Neuanfang? Wie kam es dazu, dass du dich - zumindest künstlerisch - neu erfinden wolltest?

Eigentlich erfinde ich mich ständig und mit jedem Album neu, dabei ist es weniger eine Neu-Erfindung, vielmehr eine Weiterentwicklung. Umso älter ich werde, desto mehr schäle ich mich heraus, das heißt, der cycle ist so: Du kommst auf die Welt, bis ganz du selbst, über die Jahre kannst du dich verlieren - so war es bei mir - bis du dann wieder zu dir findest (Kurzfassung). Ich würde nicht sagen, dass ich mich jemals verstellt habe, aber ich war einfach auf der Suche. Im Moment geht es mehr ums Finden, als ums Suchen. Ich habe mit diesem Album noch bewusstere Entscheidungen denn je getroffen.

Kannst du uns erzählen, was deine persönliche Vision von dem Album ist?

Meine Vision ist, dass sich niemand allein fühlen soll. Warum, wenn wir doch so viele sind? Aber es geht darüber hinaus - das ‘Sich-alleine-fühlen’ ist vielleicht gar nicht an die Menschen gekoppelt. Es kommt woanders her, das ist meine Vermutung. Trotzdem, ich wünsche mir, dass meine Musik dem einen oder anderen dabei hilft, sich nicht allein zu fühlen. Musik hat mir immer dabei geholfen. Ich bin nicht so eine Art “Heuler”, wenn es darum geht, Texte zu schreiben. Die Texte sind eher als empowerend zu verstehen und die Musik lädt zum Tanzen ein.

Mit dem Album nahm ich mir vor, mich selbst mehr zu zeigen. Die Songs wandern zwischen krassem Empowerment, wie dieser I am unstoppable-Vibe, bis hin zum offenen Gedankenfluss; warum ich so bin, wie ich bin? Im besten Falle, führt es dazu, dass Leute mich besser verstehen, sich selbst darin wiederfinden können und dadurch sich wiederum besser verstanden fühlen. Ich singe über Auseinandersetzungen mit mir selbst, meine Rolle als Künstlerin im Biz, über meine Familie, das gefühlte “gegen Windmühlen kämpfen”. Ich realisiere vieles, was ich lange mit mir rumgeschleppt habe und dadurch, dass ich darüber singen kann, lasse ich es zum Teil los und hoffe, es empowered auch andere, so wie es mich empowered dieses Album geschrieben zu haben. Man muss ein bisschen durch die Dunkelheit gehen, um dann zu erkennen, dass das Album für Diversität, Vielfältigkeit und Toleranz steht.

Wie kam der erste Kontakt mit dem Label Duchess Box Records zustande?

Ich habe ein Stück für eine damalige Künstlerin des Labels produziert. Daher habe ich Grant Box, den Labelbetreiber, vor etwa zwei Jahren kennengelernt.

Würdest du TEll A ViSiON als ein One-Woman-Project beschreiben?

Es war mal so, aber ich lade viele KünstlerInnen und MusikerInnen zu meinem künstlerischen Prozess ein. Klar bin ich der treibende Motor, ohne mich würde es TEll A ViSiON nicht geben, aber das Projekt lebt vom Austausch und ich liebe es, im Team zu arbeiten. Auch bei den Live Show sind meistens MusikerInnen dabei. Gerade performe ich mit der Schlagzeugerin Aine Fujioka.

Wie verlief der Entstehungsprozess des Albums?

Ich habe die Stücke über Monate, fast ein Jahr, in meinem Studio in Berlin vorproduziert und die Texte verfasst. Dann habe ich sie mit nach London zu Hannes Plathmeier ins Studio genommen, wo wir nochmal ein paar weitere Instrumente, Drums und Synths, eingespielt haben und ich auch noch mal alles eingesungen habe. Das waren 14 hammer-intensive 14-Stunden-Tage am Stück, aber auch sehr schön und leicht, weil wir auch viel Spaß hatten.

Du bedienst dich auf dem Album vieler unterschiedlicher Genres — zwischen Electronic Music, Trip Hop, New Wave und sogar Post Punk. Woher kam die Inspiration?

Bei TEll A ViSiON fließen sehr viele Einflüsse zusammen, die durch den TEll A ViSiON-Filter absorbiert werden. Ich ziehe noch viel aus den Inspirationen meiner Kindheit, aber auch von neuer moderner Musik. Ich bin in den 90ern und 2000ern aufgewachsen und habe eine acht Jahre ältere Schwester, sie und ihre Freunde brachten immer den heißesten neuen Musik-“Scheiß” mit nach Hause. Dadurch habe ich schon früh viel Kultur bewusst miterlebt. Ich war Teil einer female Hip-Hop-Crew, danach kam die Indie-Gitarren-Phase und vor allem: der Gesang. Später verbrachte ich viel Zeit in den USA und schrieb dort meine ersten Songs. Oft sind es Moods, die mich in Musik oder in meiner Umgebung inspirieren, oder ein guter Groove. Es gibt wahnsinnig viele Künstlerinnen, die ich bewundere und derer Musik mir ins Mark geht (DEVO, Santigold, Missy Elliott, ESG, Tyler The Creator, Tirzah…).

Ich habe mich nie einem Genre klar zugehörig gefühlt. Wenn ich Musik schreibe, denke ich nicht an ein Genre. Ich verstehe mich eher als Beobachterin.

Gab es bestimmte Künstler:innen oder Personen, die eine besondere Rolle gespielt haben?

Ganz am Anfang der Produktion, habe ich Santigolds Unstoppable für mich wiederentdeckt. Ihre Attitude und ihr Vibe — auch so ein Macher:innen-Vibe. Grooves und Sound von Can spielen in meiner Musik eine große Rolle. Missy Elliott, clipping., Strings von Nick Drake oder Léna Plátonos sind Künstler:innen, die ich zu der Zeit, als ich das Album schrieb, gehört habe.

Gehen wir davon aus, du hättest einen Wunsch frei: Mit welcher oder welchem Künstler:in würdest du gerne in Zukunft zusammenarbeiten?

Pharrell Williams, Peaches, King Krule, Santigold … ;)

Welche Projekte stehen als nächstes bei dir an?

Am 7.7.23 ist die Release-Show in Berlin! Sonst noch nichts ;)

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