Emmylou Harris
Es sind nicht nur die langen, silbernen Haare und die eleganten Gesichtszüge, die Emmylou Harris zu einer der beliebtesten US-amerikanischen Sängerinnen machen. Seit Mitte der 70er Jahre lässt sie ihre hohe gefühlsvolle Stimme auf zahlreichen Alben und unzähligen Zusammenarbeiten erklingen. Zudem zählt sie zu den Stammgästen bei der Grammy-Zeremonie.
1947 in Birmingham, Alabama, als Tochter eines Marines geboren, wächst sie in der Nähe der Hauptstadt Washington auf. Ihre Liebe zur Musik beginnt mit Joan Baez und Bob Dylan, deren Lieder sie als Teenager auf der Gitarre nachspielt. Nach dem Schulabschluss und einem abgebrochenen Studium zieht sie nach New York, um sich als Chanteuse zu versuchen.
Obwohl sie es schafft, in kleinen Lokalen aufzutreten, bleibt ihr der Erfolg zunächst verwehrt. Das erste, selbst finanzierte Album "Gliding Bird" (1970) verkauft sich magere 1.300 Mal. Und der Produzent, den sie geheiratet hat, lässt sie mit einem Kind sitzen. Die junge Mutter zieht zurück zu ihren Eltern.
Das häusliche Leben währt jedoch nicht lange. Bei einem Auftritt in Washington lernt sie den charismatischen Countryrocker Gram Parsons kennen, der sie einlädt, auf seinem Debüt zu singen. Die Kombination aus der adretten, gewissenhaften Harris und dem chaotischen, drogenabhängigen Parsons führt zu einer in späteren Jahren heiß diskutierten Beziehung: War die Zuneigung rein musikalischer Natur oder doch Liebe im Spiel? Fest steht, dass die gemeinsamen Alben "GP" (1973) und "Grievous Angel" (1974) von einer seltenen vokalen Harmonie zeugen.
Parsons Tod 1973 im Alter von nur 26 Jahren gehört zu den tragischen Momenten. Gleichzeitig läutet er den Anfang von Harris' Solokarriere ein. "Grams Musik hat mich sehr inspiriert. Auf meine Art habe ich seine Ideen weitergeführt, auch wenn ich nicht weiß, was er später gemacht hätte", erzählt sie in einem Interview.
Ihre Verpflichtung, das Erbe Parsons' nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, zeigt sich an den vielen Liedern, die sie von ihm gecovert hat. 1999 leitet Emmylou zudem das Tribute-Album "Return Of The Grievous Angel" in die Wege, an dem unter anderen Pretenders, Beck, Cowboy Junkies, Sheryl Crow und Elvis Costello mitwirken.
Mit einem Teil von Parsons' Begleitband Fallen Angels, der auch Musiker aus dem Umfeld von Elvis angehören, nimmt sie ihr erstes professionelles Soloalbum "Pieces Of The Sky" (1975) auf. Dabei entsteht ein Verfahren, das in den folgenden acht Jahren zehn erfolgreiche Platten hervorbringt: Am Mischpult steht der Produzent und spätere Ehemann Brian Ahern. An den Instrumenten wechseln sich Musiker ab, die den Namen Hot Band erhalten, das Material besteht weitgehend aus Coverversionen, die aus den Bereichen Country, Pop und gelegentlich auch Rock stammen.
Mit ihrem zweiten Album "Elite Hotel" (1976) gewinnt Harris ihren ersten Grammy. Zu den Veröffentlichungen unter eigenem Namen gesellen sich Zusammenarbeiten mit Neil Young, Bob Dylan und Roy Orbison. Harris steigt zu einer der beliebtesten und erfolgreichsten Künstlerinnen der USA auf. Die Singleauskopplungen sind stets Country-Stücke, die sich regelmäßig an erster Stelle der Genrecharts platzieren, während ihre Alben und Auftritte ein größeres Publikum begeistern.
Zu Beginn der 80er Jahre zerbricht die Ehe, was sich natürlich auch auf die Stimmung im Studio auswirkt. Nach dem Misserfolg ihres zehnten Albums "White Shoes" (1983) reicht Harris die Scheidung ein und zieht von Los Angeles nach Nashville, um sich an einem Neustart zu versuchen.
Das Ergebnis ist ihr wahrscheinlich anspruchsvollstes Werk "The Ballad Of Sally Rose" (1985). Es erzählt die Geschichte einer erfolgreichen Sängerin, die ihre große Liebe unter tragischen Umständen verliert. Die autobiografischen Züge lassen sich nicht leugnen, dennoch interessiert sich kaum jemand für die Wende in Harris' Leben. Das Album ist zunächst ihr größter Flop, dennoch heiratet sie auch diesmal den Produzenten, Paul Kennerley.
Um wieder auf die Beine zu kommen, tut sich Harris mit Dolly Parton und Linda Ronstadt zusammen. Das Ergebnis heißt "Trio" und avanciert 1987 zu einem in den Staaten viel beachteten Album (Platz 6 in den der Charts).
Anfang der 90er entscheidet sie sich erneut für einen Wechsel. Erst löst sie die Hot Band auf, dann trennt sie sich vom dritten Ehemann. Mit einer neuen Begleitband veröffentlicht Emmylou den Livemitschnitt "Emmylou Harris And The Nash Ramblers At The Ryman" (1992) und das Studioalbum "Cowgirl's Prayer" (1993). Sie scheint sich mit ihrer Rolle der würdevollen, alternden Grande Dame des Country zufrieden zu geben.
1995 gelingt mit "Wrecking Ball" jedoch eine große Überraschung. Unter der Führung des U2-Produzenten Daniel Lanois, der auch die meisten Instrumente einspielt, entsteht ein dunkel pulsierendes Werk, das mit seinen Vorgängern wenig zu tun hat. Neben Larry Mullen Jr. am Schlagzeug schauen auch Lucinda Williams, Steve Earle und Neil Young im Studio vorbei. Der kommerzielle Erfolg hält sich zwar in Grenzen, aber die Kritiker überschlagen sich vor Lob.
Nach einer erfolgreichen Neuauflage mit Ronstadt und Parton ("Trio II", 1998) traut sich Harris 2000 zum ersten Mal seit ihrem vergessenen Debüt von 1970 an ein Album mit eigenem Material. Im Fokus der Öffentlichkeit bleibt sie auch dank ihres sozialen Engagements. So setzt sie sich für den Tierschutzverein PETA und Campaign For A Landmine Free World ein.
An der Seite Mark Knopflers veröffentlicht die Sängern mit der silbernen Mähne 2007 "All The Roadrunning", dass sich in Großbritannien in der Top 10 und in den USA in den Top 20 platziert. 2008 erscheint mit "All I Intended To Be" ein Soloalbum, das neben Coverversionen auch eigene Kompositionen enthält.
Im April 2011 kommt "Hard Bargain" auf den Markt, dessen Titeltrack aus Ron Sexsmiths Album "Retriever" stammt. Elf der 13 Stücke stammen jedoch aus ihrer Feder. In Juni kommt Harris im Rahmen ihrer Tour auch für drei Auftritte nach Deutschland.
2013 veröffentlich Eymmylou "Old Yellow Moon" zusammen mit dem befreundeten Rodney Crowell. Das Duo erhält dafür bei den Grammys den Award für das beste Americana-Album. Die erfolgreiche Zusammenarbeit setzen die beiden 2015 fort. Das neue Werk trägt den Titel "The Traveling Kind" und umfasst elf Songs. Produziert von Joe Henry (Billy Bragg, Elvis Costello, Aimee Mann) finden sich neben sechs neuen Werken auch Neuinterpretationen früherer Crowell-Kompositionen auf dem Album. "Um es mit den Worten von Willie Nelson zu sagen: 'Das Leben, das ich liebe, besteht darin, Musik mit Freunden zu machen'. Und für mich gibt es keinen besseren Freund als Rodney", schwärmt Harris über ihren Kollegen.
Die Grammys in der Vitrine sowie viele andere Awards werden immer mehr. Als Sängerin bleibt sie gleichermaßen beliebt: ob als Soloartist bei den Fans oder als Backingstimme und Kollabopartner.
© Laut
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