Wie bitte, Sie kennen Mason Bates (noch) nicht? Dabei ist er einer der bekanntesten Musiker in Nordamerika. Der 1977 geborene Bates ist Komponist – er schreibt vor allem Sinfonien und Opern – und DJ für elektronische Musik (unter dem Pseudonym DJ Masonic): zwei anscheinend völlig entgegengesetzte Pole, die er aber mit großem Vergnügen verbindet. Sein sinfonisches und lyrisches Werk beinhaltet ungefähr zur Hälfte in verschiedenster Form elektronische Klänge. Die meisten sind „Alltagsklänge“, die vorweg aufgezeichnet und in Echtzeit wiedergegeben werden. Anlässlich der Erscheinung seiner genialen Oper "The (R)evolution of Steve Jobs" hat sich Qobuz mit diesem außergewöhnlichen Künstler unterhalten.

Die Avantgarde der 1960er bis 80er Jahre, vertreten durch Boulez, Stockhausen oder Cage, hat zwar versucht, rein serielle Kompositionstechniken in der zeitgenössischen Musik durchzusetzen. Wie es aussieht haben Sie lieber ihre eigene Modernität entwickelt. Wurden Sie durch die serielle Musik beeinflusst?

Natürlich habe ich mich durch die ersten Serialisten beeinflussen lassen – mein Stück The B-Sides zum Beispiel heißt auch Five Pieces for Orchestra & Electronica nach dem ikonischen Werk des jungen Schönberg. Seine Experimente, wie auch die seiner Schüler Berg und Webern, haben mir geholfen, die darin enthaltene Kraft zu entdecken. Die Serialisten der folgenden Generation halten jedoch auf völlig dogmatische Weise an der Theorie fest, sodass ihre Werke in meinen Augen alle ähnlich sind.

Den meisten Ihrer Werke scheint ein Programm mit einem sehr präzisem Inhalt zugrunde zu liegen, der für sich gesehen nichts mit Musik zu tun hat. In Mothership ist das Orchester ein Admiralschiff, das von anderen Schiffen besucht wird. Desert Transport spielt auf die Rotorblätter von Hubschraubern und auf aride Landschaften an. Die gesamte Anthology of Fantastic Zoology bezieht sich auf imaginäre Tiere… Dieses Prinzip existiert schon lange, aber oft wirken dabei die Inhalte eher suggestiv anstatt wirklich eine spezielle Schreibweise zu begründen. Können Sie sich vorstellen, dass Ihre Werke ohne jede Erklärung vorgestellt werden?

Im Großen und Ganzen hat sich, je mehr Komponisten alle möglichen Arten abstrakter Kompositionsverfahren erkundet haben (serielle Musik, Minimal Music, Spektralmusik) im Laufe des 20. Jahrhunderts die Erzählung von der Musik abgetrennt. Ich finde es sehr inspirierend, das Modell Programmmusik aus dem 19. Jahrhundert mit den Klängen des 21. Jahrhunderts zu füllen. Erzählungen bringen bestimmte Komponisten dazu, neue Formen und Klänge zu erfinden – Berlioz, zum Beispiel. Im besten Fall kann aus diesem Prinzip hinreißende Orchestermusik entstehen. Aber diese Musik muss natürlich auch allein funktionieren, sei es auf einer Spotify-Liste oder auf einem iPod. Es kommt allerdings selten vor, dass diese Musik im leeren Raum existiert: Meistens kennt der Hörer wenigstens den Titel. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, eine zusätzliche Schicht an Sinngehalt hinzuzufügen.

In Ihrer Oper The (R)evolution of Steve Jobs bilden elektronische Klänge Grundlage und Essenz der orchestralen und dramatischen Struktur. In anderen Werken scheint die Verwendung der Elektronik mehr Ergebnis Ihrer Fantasie als Notwendigkeit zu sein. Haben Sie einmal versucht, das Sinfonieorchester so zu einzusetzen, dass es Klänge erzeugt, die an elektronische Klänge erinnern, aber in Wahrheit rein akustische Klänge sind?

Sicher! Hören Sie einmal Sea-Blue Circuitry oder Anthology of Fantastic Zoology an. Nur etwa die Hälfte meiner Werke greift auf Elektronik zurück. Ich sehe aber in diesen elektronischen Klängen eine neue Abteilung im Orchester, die leicht zu nutzen ist.

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