Nach der neuesten Veröffentlichung der Oper "Germanico in Germania" von Nicola Porpora setzt der Countertenor Max Emanuel Cencic seine Hommage an Nicola Porpora mit einem Rezital-Album fort, aufgenommen mit dem Ensemble Armonia Atenea unter der Leitung von George Petrou. In diesem bisher unveröffentlichten Artikel bringt er die wilde Rivalität zwischen Nicola Porpora und Georg Friedrich Händel während ihrer Zeit in London zur Sprache...

Die Rivalität zwischen Händel und Porpora war kurz und intensiv. Sie war eigentlich das Sahnehäubchen auf einer Kette melodramatischer Skandale und Eifersuchtsexzesse rund um die italienische Operngruppe in London.

Aber, beginnen wir die Geschichte von Anfang. Händel beschloss, nach seinem 3-jährigen Aufenthalt in Rom, und einigen kurzen Reisen durch Italien, sich in London niederzulassen. London war zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Metropole, die zunehmend an Bedeutung im Überseehandel und Politik gewann. Mit der Ernennung von Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (durch den Act of Settlement 1701) zum Nachfolger von Königin Anne von Großbritannien, wurde er 1714 zum George I von Großbritannien gekrönt. Händel stand im Dienst des Hauses Hannover als Hofkapellmeister und so wurden seine anfänglichen Abwesenheiten in London begrüßt, bis der Kurfürst selbst einige Jahre später in London zum König gekrönt wurde und Händel damit bis zu seinem Tod in London blieb.

London war damals progressiv, modern und vor allem frei von Zwängen und Konventionen des europäischen Kontinents. Es herrschte Aufbruchsstimmung, hervorgerufen durch den Reichtum der neuen Kolonien. Alles Fremde und Exotische war „en Vogue“. Neben Tee, Zucker, Kaffee, Porzellan oder Gewürzen waren die Italiener mit ihrer „Opera“ die neuen Exoten am Markt der Eitelkeiten. Der „letzte Schrei“ der Upper-Class! Diese frühe Konsumgesellschaft trieb jede neue Modeerscheinung bis zum Exzess wie ein Kleinkind, das sich mit Schokolade vollfrisst und sich danach übergibt. Um diese Zeit besser zu begreifen, erzähle ich ihnen die Anekdote der Königin Henriette, Gattin von Charles I, als sie Zwerge und Riesen sammelte. Sie löste eine Massenhysterie bei den Damen des Hofs aus, die plötzlich alle auch einen Zwerg als „Haustier“ haben wollten. Der Preis für einen Zwerg schoss in die Höhe, da in ganz England Zwerge nicht mehr zu finden waren und man diese importieren musste.

Ja, die Mode geht manchmal über Leichen, koste es, was es wolle...

Die englischen Lords pflegten es, nach dem Abschluss ihrer Studien auf eine „Grand Tour“ durch Europa zu fahren. Italien war das beliebteste Ziel. Damals interessierte man sich weniger für Pizza, Pasta und die Sonne. Vielmehr fuhr man nach Italien, um die Kunstwerke und Architektur des Barock und der Renaissance zu bewundern und bei der Gelegenheit nebenbei alle Schlösser bankrotierter italienischer Aristokraten leerzukaufen. Auch Zeitgenossen wie Canaletto erfreuten sich großer Aufträge von den englischen Touristen, die ganz wild auf die Veduten von Venedig, Rom oder Florenz waren. Dabei war alles, was nicht niet- und nagelfest befestigt war, gekauft worden. Römische Statuen, etruskische Vasen, Michelangelos Zeichnung, oder wenn man Glück hatte, auch hier und da mal ein Rubens. Der Überseehandel machte England reich und die Elite war vergleichsweise ein bisschen wie die Touristen in den Galeries Lafayette heutzutage. Neben Gucci Brillen und Louis Vuittton Taschen wurden auch ein paar italienische Sänger und Komponisten einfach mitgekauft... ähm, ich meinte neben ein paar Canalettos und Rubens...

Ich nutze diese Vergleiche, um die Lage der Künstler der damaligen Zeit besser zu beschreiben. Sie waren einfach ein Modeobjekt. Solange sie ihre Exotik versprühten waren sie interessant. Doch hatte man von ihnen genug, ging man gelangweilt zu anderen Interessen über. Ja, die Kunst war nichts Institutionelles oder Schützenswertes. Sie war einfach da, um die Kultiviertheit seiner Konsumenten vor aller Welt zu demonstrieren, auch wenn so mancher von ihnen herzlich wenig Interesse an der Bedeutung der Kunst hatte. Wie dem auch sei, Händel faszinierte die Herausforderung, Menschen für seine Musik zu begeistern, auch wenn diese musikalisch ungebildet waren.

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