Acht Jahre nach ihrem selbstbetitelten ECM-Debüt in doppelter Länge meldet sich die norwegisch-samische Tenorsaxofonistin Mette Henriette Martedatter Rølvåg mit einem Album voller kleiner musikalischer Haikus, Einleitungen und unvollendeter Gedanken zurück. Schattenhafter Free Jazz und zeitgenössische Musik bringen ihre kurzen, stimmungsvollen Statements zur Vollendung. Qobuz hatte die Gelegenheit, Mette über ihren interessanten musikalischen Hintergrund zu befragen.

Wie kam es dazu, dass du dich für das Saxofonspiel interessiert hast, und was hat dich zum experimentellen Stil im Spielen/Komponieren gebracht?

In dem Moment, als ich als Mädchen zum ersten Mal ein Saxofon in die Hand nahm, zündete in mir ein Funke. Seitdem ist er immer lebendig geblieben. Ich bin in Norwegen aufgewachsen und war von einer vielfältigen Musikszene umgeben, die es mir ermöglichte, meiner Neugierde und meinem Instinkt zu folgen und meinen Interessen nachzugehen. Daher denke ich, dass sich die Art und Weise, wie ich Musik mache, im Laufe der Jahre auf ganz natürliche Weise entwickelt hat, ohne dass ich jemals ein Konzept dafür hatte.

Was macht dir bei der Performance und beim Komponieren experimenteller Musik am meisten Spaß? Wie würdest du deine Arbeit jemandem beschreiben, der noch nie von dir gehört hat?

Die Freiheit macht mir am meisten Spaß. Und vielleicht auch das Unbekannte. Ich genieße es, dem kreativen Prozess zu vertrauen und zu sehen, wohin er mich führt - Ich bahne mir einen Weg, anstatt mich auf vertraute Lösungen aus der Vergangenheit zu stützen.

Seit deinem selbstbetitelten Debütalbum sind einige Jahre vergangen. Wie hast du deine musikalische Bandbreite seither erweitert? Was können die Leute von diesem neuen Album erwarten?

Neben internationalen Tourneen mit meinem Trio (Pianist Johan Lindvall und Cellistin Judith Hamann) habe ich Musik für die Osloer Philharmoniker und die Arctic Philharmonic komponiert und einige Bühnenwerke im Auftrag der documenta14, der Berliner Festspiele, des Munch-Museums, des Manchester International Festival und des Arctic Arts Festival geschaffen. Ich war auch mit Nicolas Jaar auf Tournee und habe einige Theater-, Ballett- und Filmprojekte realisiert. In diesen kreativen Prozessen habe ich mit Ensembles gearbeitet, die von Solisten bis hin zu Sinfonieorchestern und sogar interdisziplinären Konstellationen reichten, sodass ich meine Vorstellungskraft und mein Handwerk in diesen Jahren weit ausdehnen konnte, was sehr inspirierend und anregend war. Ein Album entsteht natürlich in einem anderen Format als diese Projekte, aber ich bin mir sicher, dass Drifting indirekt diese Reise widerspiegelt, auf der ich mich befunden habe.

Du hast erwähnt, dass sich deine kreative Wirkung bei "Drifting" grundlegend von dem unterscheidet, was du bisher gemacht hast. Woher kommt diese neue Richtung? Wie unterscheidet sich der kreative Prozess von dem deines letzten Albums?

Was diese Musik für mich so besonders macht, ist, dass sie in Bewegung ist. Als ich diese Musik komponierte, stellte ich mir vor, dass sie weiter wachsen und sich in verschiedenen Besetzungen, Improvisationen und Kompositionen verzweigen würde. Die Platte ist also wie ein Querschnitt durch die Zeit, der eher in eine Richtung weist als in sich selbst zu verweilen - so, als würde sie durch die Kräfte der Natur vorangetrieben.

Wie wird sich die Rolle des Saxofons in der experimentellen Musik entwickeln und welche Richtung erhoffst du dir für die Zukunft?

Glücklicherweise weiß ich das nicht. Das hängt von der Fantasie der Musiker:innen aus dieser Szene ab. Die meisten Musiker:innen, die ich kenne und die man als experimentell bezeichnen kann, bewegen sich in einem breiten Spektrum verschiedenster Genres. Ich bin mir also sicher, dass unabhängig von der Richtung, zu der sich jeder hingezogen fühlt, die Bandbreite der Ausdrucksformen groß sein wird und vieles nicht eindeutig vorgegeben sein wird, sodass die Hörer:innen bei ihrer Entdeckungsreise auf viele wunderbare Dinge stoßen werden.

Hast du irgendwelche Empfehlungen (Bücher, Aufnahmen usw.) für diejenigen, die sich eingehender mit experimenteller Musik beschäftigen möchten?

Neugierde. Ich glaube, dass sie uns wie ein Kompass zu Konzerten, Gesprächen, Platten, Büchern, Kinos und anderen Situationen führt, die auf das Nächste und das Nächste und wieder Nächste hinweisen. All das zusammen wird ein individuelles Verständnis entwickeln und einen Fahrplan dessen bilden, was experimentelle Musik bedeuten kann.

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