Zwischen sinnlichem Jazz, Bossa Nova und Lounge-Pop veröffentlicht die Amerikanerin ein wundervolles fünftes Jazzalbum, das so feinfühlig wie noch nie ist...

2015 bewies Melody Gardot mit Currency of Man, dass sie aus ihrer Komfortzone heraustreten konnte, denn dieses Album, das ihr aufs Haar glich, zeigte eine eindeutig auf Soul’n’Blues ausgerichtete Facette. Das soll nicht heißen, dass ihre brillanten bisherigen Versuche nicht zu ihrer musikalischen Persönlichkeit gepasst hatten, aber auf dieser Platte bestätigte sie mit einer Spur weniger Jazz, wie sehr sie sich Philadelphia verbunden fühlt, dieser Stadt, in der sie aufgewachsen ist und wo der Groove eine ganz andere Würze hat…

Das fünf Jahre später erscheinende Sunset in the Blue hört sich an wie eine Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln. Jene, dank derer Melody Gardot sich einen Namen gemacht hat. Sie nähert sich dem Jazz und dem Bossa Nova auf ganz befreite Art, ganz so, als wäre es aufgrund der unerwarteten Situation des Jahres 2020 selbstverständlich. Gerade als sie mit der Arbeit an diesem fünften Studioalbum beginnt, bringt die Pandemie alles zum Erliegen und zwingt die Amerikanerin, ihr Projekt neu zu überdenken.

© Laurence Laborie

So macht sie insbesondere allen in der ganzen Welt verstreuten Mitbeteiligten den Vorschlag, aus der Ferne weiterzuarbeiten. Melody Gardot lebt in Paris, der für die Arrangements zuständige Dirigent Vince Mendoza in Los Angeles und die meisten Musiker in England! Trotz aller Einschränkungen findet das Wunder statt und es hält fast fünf Monate an. Mendoza war also gezwungen, von Kalifornien und vom Bildschirm aus die in den Londoner Abbey Road Studios spielenden Musiker zu dirigieren! Hinzu kam auch noch die Zeitverschiebung. Außer Mendoza hatte Melody Gardot dabei erneut zwei weitere Schlüsselfiguren an ihrer Seite, denen sie 2009 den Erfolg von My One and Only Thrill zu verdanken hatte: den Produzenten Larry Klein und den Soundingenieur Al Schmitt, zwei Kunstschmiede, die sich auf samtweichen Sound verstehen…

Am Ende vergisst man jedoch diese Bedienungsanleitung, weil man richtig genießt, was da in letzter Minute noch zusammengebastelt worden ist. Denn das ganze Sunset in the Blue hindurch bleibt Melody Gardot unerschütterlich ihrer vertraulichen, beinahe unnahbaren Ausdrucksform treu. Sie schlüpft dabei einmal mehr in die Rolle jener Gardot, die uns etwas ins Ohr flüstert, um uns dann ganz willenlos zu machen. Es ist jene, die mal abwechselnd mit einer auf dem Klavier gespielten Phrase singt, mal mit ein paar auf der Gitarre gezupften Klängen. Auch jene, die sich auf einem üppigen, aber nie honigsüßen Klangteppich voller Geigen räkelt. Der Titelsong des Albums ist aber der Zuckerguss dieses Rezepts, dem man einfach nicht widerstehen kann. Dasselbe Gefühl entsteht, wenn sie mit derselben Zurückhaltung ihren Blick auf ihr heißgeliebtes Brasilien richtet (Ninguém, Ninguém, Um Beijo) oder wenn sie erstklassige Hits covert (Moon River, I Fall in Love to Easily). Ein wunderbares Album!

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