Ihre Musik hat hohe kammermusikalische Qualität. Gerade ist eine neue Einspielung von ihr erschienen. Julia Hülsmann über ihre Rolle als Musikerin und auch als Frau. Ein Porträt.

Klar! Das Album heißt Next Door, und tatsächlich hat es etwas „Türöffnendes“, etwas, das in der inzwischen proper angewachsenen Diskografie von Julia Hülsmann weiterführt. Bereits Vorhandenes aufgreift, weiterdenkt: ins Offene, Freie; aber davon später mehr. Via Zoom sitzt mir die Pianistin in ihrer Berliner Wohnung gegenüber und freut sich über die neue Platte. 

Rollen sind nicht festgeschrieben, sondern können wie selbstverständlich wechseln 

Julia Hülsmann und der Jazz – das war eigentlich ein Betriebsunfall, denn es hatte für die Heranwachsende gar nicht Jazz sein sollen, sondern Pop, Elton-John-mäßig. Aber dafür habe sie keinen Klavierlehrer gefunden – dann also Jazz. Hauptsache, keine Klassik. Ihr Lehrer war dann ein Glücksfall; er transkribierte Soli von Louis Arm­strong, Erroll Garner, Django Reinhardt für seine Schülerin, schließlich von Bill Evans. So hat es angefangen.

Heute gehört Julia Hülsmann zu den festen Größen im Pianojazz; sie hat mit Rebekka Bakken Gedichte von E. E. Cummings erarbeitet, mit dem Sänger Roger Cicero zusammengespielt, aber auch mit Theo Bleckmann, mit dem es um Kurt Weills amerikanische Songs ging. Auch die neue Einspielung fügt ihrem angestammten Pianotrio mit Marc Muellbauer (Kontrabass) und Heinrich Köbberling (Schlagzeug) eine weitere „Stimme“ hinzu. Diesmal ist es der Saxofonist Uli Kempendorff. Spiegelt das vielleicht Hülsmanns stete Sehnsucht nach einer stimmlichen Erweiterung? „Ich glaube, dass stimmliche Führung für mich tatsächlich wichtig ist“, meint die Pianistin. „Das ist schon immer ein Teil meiner musikalischen Herangehensweise. Ich versuche ja auch, auf dem Klavier zu singen, in Anführungsstrichen. Aber natürlich kann das ein Blasinstrument noch direkter. Es hat ganz andere Möglichkeiten der Tongestaltung. Das ist schon ein Riesenvorteil beim Blasinstrument, das kommt der menschlichen Stimme natürlich sehr nahe.

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