Im Plattenladen eines Londoner Vororts, der von zurückgebliebenen Jugendlicher geführt wurde, wurde der Dubstep geboren. Ein Genre das Grime, Jungle, Garage, Dub und Reggae vermischt, hat sich in nur wenigen Jahren seinen Weg bis in die Charts gebahnt. Wir präsentieren Ihnen die 10 wichtigsten Platten der Geschichte eines vielgestaltigen Genres, das es sich in den Kopf gesetzt hat, die stärksten Bässe in der Geschichte der Musik zu erzeugen.

Burial - Burial + Untrue

Ein Künstler mit Kultstatus zu werden, ist das höchste Ziel, das Burial, alias William Bevan erreichen wollte. Den Antrieb verschaffte ihm Aphex Twin, dank der ersten beiden (zu diesem Zeitpunkt einzigartigen) Alben Burial im Mai 2006 und Untrue im November 2007, beide beim Label Hyperdub, Pionierlabel von Kode9. Das erste, das als wie eine “ungewollte Schwangerschaft” beschrieben wird, ist wie die Quintessenz aus der zeitnahen Geschichte der englischen elektronischen Musik, die sich zwischen Jungle, Garage, Dub und Dubstep mit dunklen wie melancholischen Schwaden befindet, die von charakteristischen Drums in einer Art 2-Step synkopiert sind, sodass es klingt wie ein “Klopf-Klopf” an die Tür des Friedhofs. Ein Sound, der sich nicht mehr aufhalten lässt und den der Burial in seinen nur seltenen Interviews als “Echo der Musik…” beschreibt, “das man hört, wenn man einen Club verlässt”. “Ich liebe Club-Musik, aber ich bin nicht begabt, sie zu machen. Ich versuche, ein Nachbild dieser Musik zu komponieren.” Das Album wird von der überwältigenden Single Distant Lights angetrieben, bei der man Samples von Destiny’s ChildSizzlaBrian Eno und den Soundtrack von Black Hawk Down mit Auszügen aus den Dialogen von Whitaker in Ghost Dog oder von Sean Penn in 21 Gramm hört. Bei Untrue geht es um das Videospiel Metal Gear Solid und die Autoschlüssel von Vin Diesel, die zusätzlich zu den Stimmen seiner Freunde am Telefon erklingen. Der Produzent aus dem Süden Londons macht Nägel mit Köpfen und veröffentlicht Meisterwerke wie Archangel oder Ghost Hardware und wird das Maß des guten Elektro-Geschmacks. Trotzdem hält Burial an seiner Ruhe fest. Wenn er nicht gerade seine Identität verschleiert, dann zieht er sich komplett aus der Industrie zurück und trotz des Ruhms hat er nie auf einer Bühne performt. Dennoch, nach jeder physischen Plattenveröffentlichung sind wenige Stunden später die Regale ausverkauft...

Skream - Skream!

Diese Platte hat den Dupstep ins Rampenlicht gerückt. Auch wenn dieses Album vielleicht der beste Versuch des Dub ist (mit Titeln wie Blue Eyez, Auto Dub, Dutch Flowerz oder Stagger) schuldet sie ihren Erfolg vor allem dem Track Midnight Request Line, der ersten Hymne des Genres, die 2003 von Oliver Jones alias Skream an einem Weihnachtsabend mit dem Programm Fruity Loops komponiert wurde. Die Geschichte dieses Titels, der Request Line von Rock Master Scott & The Dynamic Three sampelt, erzählt die Genese des Dubstep. Zu dieser Zeit war Skream 17 Jahre alt und arbeitet als Verkäufer im Laden von Big Apple Records in Croydon unter der Leitung von Terry Leonard, alias DJ Hatcha, der für seine Radiosendung Rinse FM und seine Mixe bei FWD>>, der legendären Party des Londoner Clubs Plastic People bekannt war. An diesem Ort wurden exklusiv die Tracks von Produzenten aus dem Viertel gespielt - Mala & Coki (das Duo Digital Mystikz), LoefahEl-B oder Benny Ill die bessere Hälfte des Duos Horsepower Productions zählen als die Pioniere der Bewegung.

Aber Hatcha zeigt kein Interesse an Midnight Request Line. Gespielt von Ricardo Villalobos bei Fabric seit 2005 lässt der Titel die Tanzfläche leer werden. Es musste nur darauf gewartet werden, bis die MC’s SkeptaWiley und Jammer ihn bei der FWD>> Party hörten, ehe er Erfolg haben konnte. Skepta, als Star der Grime-Szene, machte Midnight Request Line zu einem bis heute meist verkauftesten Titel des Labels Tempa. 15 Jahre später kann es Skream immer noch nicht fasse: “Die Partie des Synthesizers bedeutete lediglich auf zwei Tasten zu drücken. So simpel. Als ich ihn meiner Freundin vorspielte, sagte sie mir: ‘Was, das ist der Titel, der dich berühmt gemacht hat???’”

Benga - Diary of an Afro Warrior

Während Skream (der auch Fan von Disco war) den jamaikanischen Vätern des Dub auf seinem ersten Album alle Ehre macht, entscheidet sich Benga, ein weiterer Angestellter bei Apple Records, der ebenso frühbegabt ist (und auch 1986 geboren ist), die Musik seines ersten Albums Diary of an Afro Warrior in die Stilrichtung des englischen Elektro und Dancefloor zu lenken. Night, das 2007 mit Hilfe von Coki von den Digital Mystikz als internationaler Hit voranging und quasi von allen wichtigen DJs dieses Kreises gespielt wurde, bietet diese Platte mit den vermischten Genres eine neue Mutation zu einem Stil, der einen nicht still sitzen lässt. Da Benga einen für alles offenen Dubstep liefert, kramt er in sämtliche Stilen von Hip Hop bis Minimal, schickt einen Blechbläser vorbei, einen Geiger oder einen Loop voll Trance und liefert den Breaks eine akribische Sorgsamkeit, die sich dann energisch verflüchtigt. Seine Dub-Passagen mit den charakteristischen Infrabässen sind modellhaft für das Genre, auch wenn er sich schnell von den Dogmen von Stadt Croydon löst. Somit liefert er einige Hits für den Dancefloor - E Trips ist mit seinem Break nicht mehr weit vom Techno entfernt, die schrillen Synthies bei The Cut oder 26 Basslines setzen etwas später die metallischen Melodien in die Ohren des Publikums ein. Mit Benga verlässt der Dubstep London und öffnet sich der Welt.

Pinch - Underwater Dancehall

Rob Ellis alias Pinch ist einer derjenigen, der den Dubstep von London nach Bristol gebracht hat. Nachdem er sich den Virus der FWD>> Partys eingefangen hatte, begann er in seiner eigenen Stadt bei seinem eigenen Programm Context aufzulegen, wo einige hundert Reggae/Dub-Fans umher streunten. “2005 war diese Szene sehr fanatisch”, erinnert sich Pinch. “Die meisten Dub-Fans dachten, dass man nichts an der heiligen Formel verändern durfte und sie waren nicht so heiß auf Dubstep. Aber 2006, dank der Radiosendung von Mary Anne Hobbs ist Breezeblock Dubstep Warz zu einer Stoßwelle geworden, als hätte man plötzlich einen Raum geöffnet, der schon seit Jahren nicht betreten wurde.” Es ist nicht verwunderlich, dass Pinch auf seinem ersten Album, Underwater Dancehall, sein jamaikanisches Rezept herausholt, indem er MC’s dazu einlädt. Die Platte beginnt mit Jualaki, der ursprünglich aus Trinidad stammt und der erste Organisator der Dubstep Party in New York war, die von Qawwali geprägt war - dem Hit, der Pinch im Vorjahr vor die Bühne getrieben hat und auf dem er die mythischen Gesänge des pakistanischen Meisters des QawwaliNusrat Fateh Ali Khan, sampelte.

Jualaki fährt mit zwei weiteren Titeln fort, darunter Gangstaz, der von einem motorischen Bass und luftigen Synthies getragen wird. Ebenfalls auf der Platte zu hören sind Yolanda - Kollaborateurin des Londoner Kollektivs Bugz In The Attic - bei den 2-Step/R&B-Arabesken und vor allem Rudey Lee auf One Blood, One Source, das automatisch zum Hit wurde und sofort als eine aktualisierte Version mit süchtig machenden Bässen an die Arbeit von Horace Andy mit den Göttern aus Bristol, Massive Attack, denken lässt. Wir befinden uns also im November 2007 und nur drei Wochen nach der Veröffentlichung von Untrue von Burial bietet Pinch einen neuen Klassiker des Dubstep.

The Bug - London Zoo

Achtung Explosionsgefahr! Mit seinem dritten Album unter dem Namen The Bug, einer seiner zahlreichen Alias, hat der britische Journalist und Produzent Kevin Martin eine wahre Schallexplosion verursacht, die das Publikum und die Kritiker verblüffte. London Zoo ist wie ein Zusammenprall aus Dancehall, Grime, Dubstep, Hip Hop und Noise, was sich nur Kevin Martin ausdenken konnte und nur in seinem Lebenslauf vorkommen kann (dort sind zum Beispiel auch die Jazzcore Gruppe, GOD, die industriellen Hip Hop mit Techno Animal machte, Breakcore mit Curse Of The Golden Vampire, Dub mit Pressure aufgelistet). Kurzum, es handelt sich um den idealen Mann, der den Codex dieser Bewegung in einem Jahr, in dem alles möglich schien, sprengte. London Zoo, das die gesamte Schickeria der Ragga-MCs aus England einlud, revolutioniert den Dancehall, bringt den Grime wieder auf die Höhe und liefert eine neue Messlatte für den Dub, nur ein Jahr nach Underwater Dancehall von Pinch, der im Vergleich traditionell schien.

Die Platte beginnt mit einem der schnellsten Toasters (“Toasting” ist ein Gesangsstil des Dancehall, der aus der afrikanischen Tradition stammt) von Brixton und einer Legende des englischen Soundsystems: Tippa Irie. Angry ist eine Aufbereitung des bekannten Riddims (steht im Dancehall für “rhythm”) Diwali. Und dann sieht man SpaceApe daherkommen, treuer Komplize von Kode9, auf Fuckaz, das an den digitalen jamaikanischen Reggae der 80s erinnert, Ricky Ranking und vor allem Warrior Queen, der mit Insane und Poison Dart einheizt und dessen Remix von Skream ihn in die Nachwelt der dancefloors killers katapultiert. Zwischen geisternden Beats und dem Soundtrack eines Horrorfilms haben wir es hier mit einer hybriden Kreatur zu tun, dessen Verwegenheit unübertrefflich bleibt.

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