Zwar ist die aus Kirgisien stammende Sopranistin im Opernbereich sehr gefragt, ihre besondere Leidenschaft aber gilt dem Lied. Nun legt Katharina Konradi ein Schubert-Album vor, begleitet von Ammiel Bushakevitz an Klavier und Gitarre.

« Wenn ich zur Gitarre singe, fühle ich mich selbst wie eine Saite! » sagt Katharina Konradi. Ein schönes Bild. Bei anderen könnte so ein Satz einstudiert rüberkommen. Aber nicht bei ihr. Man glaubt es ihr einfach. Weil ihr feines Soprantimbre auf dem neuen Schubert-Album tatsächlich noch etwas weicher schwingt, wenn sie von der Gitarre begleitet wird. Und weil Konradi nicht der Typ Mensch ist, der durchgestylte PR abliefert. Das einstündige Gespräch ist mehr als ein professionelles Interview: eine echte Begegnung. Die Mittdreißigerin mit dem lebendigen Minenspiel wirkt nahbar und authentisch. Etwa wenn sie sich an ihre ersten Auftritte in ihrem kirgisischen Heimatdorf erinnert. « Ich habe mir eigene Theaterstücke ausgedacht, in denen die Tiere aus dem Dorf mitspielen, und mochte es immer gern, in Rollen zu schlüpfen! », erzählt die Sängerin lachend. Sie hat schon als Kind viel und gern gesungen und ist damit sogar im Fernsehen aufgetreten – aber mit Folk- und Popsongs.

Ich finde, dass die Volksmusik, die ich früher viel gesungen habe, mir sehr hilft

Von dieser Erfahrung profitiert sie immer noch, auch wenn sich das Repertoire natürlich gewandelt hat. « Daraus schöpfe ich jeden Tag, egal was ich singe. Auch jetzt bei der Nannetta im Falstaff. Es ist vielleicht mehr Stimme und Stütze, aber die Natürlichkeit soll bleiben. Ich finde, dass die Volksmusik, die ich früher viel gesungen habe, mir da sehr hilft. Gerade Schubert-Lieder sind da sehr, sehr nahe dran. » Diese Gabe, dafür den richtigen Ton zu finden, schätzt sie auch am legendären Bariton Hermann Prey, den sie aus zahlreichen Aufnahmen kennt. « Er hat ja auch sehr viel Volksmusik und Kunstlieder gesungen. Und egal was – es floss einfach. Und das finde ich faszinierend. »

Katharina Konradi sagt all das in akzentfreiem, idiomatischem Deutsch. Vor 20 Jahren ist sie mir ihrer Familie aus Kirgisistan nach Pinneberg bei Hamburg übergesiedelt; dort hat ein Lehrer ihr Talent entdeckt und gefördert. Nach dem Studium in Berlin und München und drei Jahren am Staatstheater Wiesbaden ist sie 2018 als festes Ensemblemitglied an die Staatsoper nach Hamburg zurückgekehrt. Dorthin, wo sie als 18-Jährige mit einer Aufführung der Traviata ihren ersten Opernabend erlebt hatte. « Ich weiß leider nicht mehr, wie die Darstellerin der Violetta hieß, kann mich aber sehr gut erinnern, dass ich nachher total begeistert war und dachte: Wie kann man nur so schön singen? »

Ihr eigenes Kernrepertoire sieht sie vor allem bei Mozart. « Das ist das, wovon ich immer ausgehe: Susanna, Pamina, Zerlina. Mein musikalischer Hafen. Aber es ist etwas dazugekommen. Im August vergangenen Jahres bin ich Mutter geworden, da ist viel passiert mit der Stimme. Sie ist immer noch fein, glaube ich, aber sie will wachsen und sucht eine Herausforderung. Ich würde gern das italienische Repertoire erforschen und habe das Gefühl, ich wäre bereit für eine Gilda oder Mozarts Fiordiligi. Die Schwangerschaft hat für meine Stimme die größte Veränderung gebracht. »

Ammiel Bushakevitz
Flexibler Klavier-/Gitarrenpartner und Arrangeur: Ammiel Bushakevitz

Mit ihrem silbrigen Timbre, dem musikalischen Feinsinn und einer natürlichen Bühnenpräsenz ist Katharina Konradi auch außerhalb der Staatsoper Hamburg ein begehrter Gast. Ob bei den Bayreuther Festspielen, als junger Hirte im Tannhäuser, ob an der Bayerischen Staatsoper oder beim Tonhalle-Orchester in Zürich, wo sie Mitte Juni Marzelline singen wird. Der Kalender ist knackevoll, sodass sie und ihre kleine Familie ab Sommer 2023 zehn Monate am Stück unterwegs sind. « Ich weiß auch nicht mehr so genau, wie das passiert ist », räumt die Sängerin ein, der sehr bewusst ist, dass sie mit ihren Kräften gut haushalten muss. « Es braucht viel innere Ruhe für so ein Leben und mentale Stärke, sonst kann man leicht ausflippen. » Sie selbst hat auch schon einen Burnout hinter sich. « Das war noch vor der Corona-Krise, da konnte ich einfach nicht mehr und hatte in der Vorstellung einen Zusammenbruch », räumt Konradi ein. « Ich habe mir dann eine Auszeit genommen und auch alle Aktivitäten auf Social Media eingestellt. Eine meiner besten Entscheidungen! »

Seither meidet sie diese Kanäle, die so viel Zeit fressen. Das Weltgeschehen verfolgt sie trotzdem – und nimmt eine klare Haltung zum russischen Angriffskrieg ein. « Auch wenn ich die Sprache spreche, habe ich mich Russland nie besonders verbunden gefühlt. Ich finde es schrecklich, was dieser Diktator veranstaltet, und leide mit der Ukraine. Aber in meinem Freundeskreis gibt es leider auch echte Putin-Fans. »

Nationale Grenzen spielen für Konradi keine große Rolle. « Ich habe das Gefühl, dass ich mich an vielen Orten schnell anpassen und wohlfühlen kann. Spanien tut mir immer gut, merke ich. Und da werde ich wegen meiner dunklen Haare auch manchmal für eine Einheimische gehalten. » Den selbstverständlichen Umgang mit verschiedenen kulturellen Einflüssen hat sie schon an ihrem Geburtsland sehr geschätzt. « Kirgisen, Russen, Uiguren, Türken, Kurden, Chinesen: Wir hatten da ein breites Spektrum, diese Eindrücke habe ich alle aufgesaugt. »

Aus musikalischer Perspektive hat sie schon eine Wunschheimat, und die ist nicht durch regionale, sondern durch künstlerische Eigenheiten geprägt. « So sehr ich Oper und Konzert liebe – aber das Lied war schon immer ein besonderes Ziel von mir », bekennt die Sopranistin. « Das Lied bedeutet für mich, noch freier zu sein, weil ich nicht von einem großen Apparat wie zum Beispiel einem Orchester oder einem ganzen Opernensemble umgeben bin, sondern nur einen Partner am Klavier habe. Ich finde es großartig, was das für Möglichkeiten eröffnet. Manchmal legt man in den Proben etwas fest, ein Ritardando oder einen Akzent auf einem bestimmten Wort – und dann macht man es im Konzert doch anders, aus dem Moment und der Emotion heraus. Das fasziniert mich. »

Natürlich ist der Wechsel zwischen Liedgesang und Opernbühne anspruchsvoll, auch stimmtechnisch. Aber Katharina Konradi sieht diese Herausforderung nicht als Problem, sondern als willkommenes Korrektiv. « Ich versuche immer, auch die Arien ein bisschen leichter zu nehmen, als wären es Lieder. Wenn ich stattdessen mit voller Stimme fahren würde, sehe ich die Gefahr, dass sie ihre Feinheit verliert und womöglich irgendwann ausleiert. Das will ich auf keinen Fall! »

Ich kann mich reduzieren, meine Stimme zurücknehmen, ohne dass sie ihren Glanz verliert

Nach aktuellem Stand braucht sie sich überhaupt keine Sorgen machen. Auf der neuen Aufnahme klingt ihre Stimme so filigran, schlank und flexibel wie gewohnt. Auch da steht das Liedrepertoire im Zentrum. Unter dem Titel Insomnia vereint es Lieder von Franz Schubert, die das Thema Nacht umkreisen. Mit Ammiel Bushakevitz hat Konradi einen außergewöhnlich flexiblen Partner an der Seite. Er ist nicht nur ein exzellenter Pianist, sondern hat auch einige der Lieder für Gesang und Gitarre arrangiert und dann selbst auf dem Instrument gespielt. « Wir wollten gern eine besondere Farbe auf dem Album haben », erklärt die Sopranistin. « Und die Gitarre passt einfach wunderbar zur Nacht. Außerdem war es schon zu Schuberts Zeit üblich, seine Lieder auch mit Gitarre zu begleiten. Auch wenn er sie selbst nicht bearbeitet hat. »

Deshalb gibt es jetzt diese schönen und überraschenden Momente, in denen plötzlich statt des Flügels eine Gitarre angeschlagen wird – und Katharina Konradi sich wie eine Saite fühlt. « Ich habe den Eindruck, dass das noch intimer ist. Ich kann mich reduzieren, meine Stimme zurücknehmen, ohne dass sie ihren Glanz verliert. Ich fühle mich, als ob ich ganz natürlich und ganz leise sein darf. »

*Beitrag aus dem Fono Forum/Januar 2023. Das monatlich erscheinende Magazin Fono Forum bietet mit seinen Rezensionen, Artikeln und Interviews einen umfassenden Blick über die neuesten Plattenerscheinungen sowie das Musikgeschehen der Genres Klassik und Jazz.