Alice Coopers Werdegang ist vor allem ein besonderer Fall von gespaltener Persönlichkeit. Ähnlich wie in „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ hat sich der Sänger Vincent Furnier dem Showman Alice Cooper unterworfen. Wie er selbst eingesteht, bleibt derjenige, der in den Interviews immer in der dritten Person von Alice spricht, in seinem Privatleben ein durchaus einfacher und normaler Mensch, der mit diesen zahllosen ausschweifenden und provozierenden Bühnenauftritten wenig zu tun hat. Seine ganze vierundfünfzigjährige Karriere hindurch lässt sich angesichts seiner zahlreichen stilistischen Varianten außerdem eine gewisse Schizophrenie beobachten. Zwar wird ihm die Erfindung des Schock-Rock gutgeschrieben, er hat aber alles, oder fast alles mit mehr oder weniger viel Erfolg ausprobiert. Vom Pop, über den Heavy Metal, New Wave oder Industrial bis hin zu den Anfängen des Hardrock…

Furnier kam am 4. Februar 1948 in Detroit auf die Welt, aufgrund von chronischem Asthma musste die Familie aber Anfang der sechziger Jahre nach Phoenix umziehen. Dank seines Onkels, bei dem er Chuck Berry und Elvis hörte, hatte er schon in Detroit den Rock’n’Roll entdeckt, aber er konnte auch mit seinem Vater rechnen, der als Jazzmusiker in verschiedenen Big Bands spielte, sehr aufgeschlossen war und ihn aufmunterte, umso mehr, als er im Radio She Loves You von den Beatles entdeckt hatte. Er war einer der größten Fans der Beach Boys, dann der Rolling Stones, The Kinks, The Who, des Songwriters Roy Orbinson oder der Band Them, verleugnet aber bis heute kein einziges Mal seine Bewunderung für die vier Jungs aus Liverpool. Für seinen allerersten Auftritt mit Schulkameraden im Jahre 1964, von denen nur einer, nämlich Glen Buxton, mehr oder weniger auf der Gitarre klimpern konnte, kam er auf die verrückte Idee, eine Gruppe, The Earwigs (Forficula oder Ohrwurm), zusammenzustellen, die sich als The Beatles verkleidete, mit Perücken und obligaten Anzügen, welche die Mutter, Frau Furnier höchstpersönlich genäht hatte. Zur Besetzung gehört schon Dennis Dunaway am Bass. Auf diesem Sprungbrett in der Schule werden The Earwigs mit ihren Neufassungen und leicht abgeänderten Texten bereits einstimmig gefeiert. Nach dem erfolgreichen Start macht die Gruppe weiter und nennt sich ein Jahr später dann The Spiders (immer noch recht von den Beatles beeinflusst) mit Songs von The Hollies, The Byrds oder The Yardbirds aus der Zeit mit Jeff Beck… Sie spielen eine erste Single, eine Coverversion des Why Don`t You Love Me von The Blackwells ein, der sich wie eine Mischung aus Please Please Me und She Loves You anhört. Im Laufe des Sommers 1966 wechseln The Spiders ihren Gitarristen gegen Spooner aus, dem zukünftigen Gründer von The Tubes, die Alice Coopers direkter Gegner in den siebziger Jahren werden. John Tatum ging, Michael Bruce kam: auch ein großer Beatles-Fan, noch dazu hatte er in einer „Doppelgänger“-Gruppe, The Trolls, gespielt.1967 neue Umbenennung und The Spiders werden The Nazz, bevor sie sich dann für Alice Cooper, nach einer Nebenrolle in einer bekannten Fernsehserie entscheiden. Der Sänger sollte lange Zeit hindurch behaupten, dass er nach einem (wahrhaftigen) Autounfall im Jahre 1968 gestorben sei und in seinem neuen Alter Ego wiedergeboren wurde. In der Zwischenzeit hatte die Gruppe einen neuen Schlagzeuger aufgenommen, Neal Smith, der das letzte fehlende Teilchen in dem Puzzle war, das in den siebziger Jahren für Aufruhr sorgen und zugleich einen Plattenerfolg nach dem anderen aneinanderreihen sollte. Pretties for You, das erste, bei Frank Zappas Label Straight Records erschienene Album gehörte dann jedoch nicht dazu, als es im Juni 1969 erschien.

Alice Cooper und seine bereits extravagante Show setzen schon ganze Mengen in Bewegung, aber nur wenige vermuten, dass die Musik der Gruppe außerhalb der Bühne jemanden interessieren könnte. Ein zweiter Versuch, Easy Action, wird nicht besonders geschätzt. Das Nachfolgealbum jedoch, Love It To Death, beweist im Dezember 1970, dass hinter der Gruppe mehr als nur eine Jahrmarktsattraktion steckt. Ein paar Jahre später erklärt Cooper, dass seine Langlebigkeit nicht seinen spektakulären Shows zu verdanken ist, sondern sehr wohl seiner erstklassigen Musik: „Interessant ist, dass Kiss und ich immer noch gefragt sind. Sie können alles Drumherum problemlos vergessen, und nur die Musik lassen. Sie werden sehen, dass wir deswegen nach wie vor da sind, weil unsere Alben immer noch eine bestimmte Qualität haben. Wir mussten den Kritikern immer beweisen, dass in erster Linie unsere Musik zählt. Sie wollten aber nicht glauben, dass wir zugleich gute Musiker und gute Schauspieler sein können. Ihre Argumentation schien mir immer sehr urtümlich zu sein. Würde ich Grateful Dead hernehmen, sie mit Chromanzügen verkleiden und mit Stroboskopen ausstatten, so hätten wir immer noch Grateful Dead vor uns. Deswegen würden sie nicht schlecht spielen. Wenn der visuelle Aspekt spektakulärer ist, so schadet das der Musik nicht unbedingt. Ich brauchte fünfundzwanzig Alben, bis sich die Leute beim Anhören endlich sagten: „Eigentlich ist seine Musik gar nicht so schlecht.“ Wir haben schließlich fünfundzwanzig Millionen Alben verkauft, glauben Sie mir, die Leute mögen auch unsere Musik.“ 

Ein Hit folgt dem nächsten und alles erscheint in Platin (damals wurde ein Million verkauft). Manche Songs werden sogar die Hymnen einer ganzen Generation, wie etwa I’m Eighteen, Elected und vor allem School’s Out. „Als ich School’s Out schrieb, sagte ich nur ganz laut, was alle die Kleinen von der Schule halten. Sie hassen sie! Ich konnte aber nicht ahnen, dass sie sie eines Tages in Brand stecken und die Knarren herausholen würden, um auf alle und alles loszuballern. Damit will ich sagen, dass die Songs, die ich fast ganz unschuldig in den siebziger Jahren schrieb, traurige Wirklichkeit geworden sind.“  Es konnte nicht immer so weiter gehen und die schwere Geburt des im November 1973 erschienenen Muscle Of Love hat nicht denselben einschlagenden Erfolg wie die vier vorangegangenen Alben, aber ein richtiger Misserfolg war es auch wiederum nicht. Ein letztes Konzert mit der ursprünglichen Besetzung fand am 6. April 1974 im Maracanã-Stadium in Rio statt. Und dann kommt eine wahrhaftige Spaltung, hier der Sänger, der endgültig den Markennamen Alice Cooper übernimmt und dort die Gruppe, die eine Zeit lang als Billion Dollar Babies auftritt, aber ohne Glen Buxton, der auch bei der Einspielung des Muscle Of Love schon nicht mehr dabei war.

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