Pedro Almodóvar hat der Musik in seinen Filmen immer einen besonderen Platz eingeräumt, und zwar entweder mit schon vorhandenen Stücken oder mit neuen Kompositionen. Aus einem seiner ersten Filme stammt auch dieses Zitat: „Die Musik sagt eben die Wahrheit über das Leben.“ 

Vergleicht man die Movida mit einem Krankenhaus (mit einem von jenen, die in den Melodramen von Pedro Almodóvar so oft vorkommen), so muss man zugeben, ob man will oder nicht, dass diese kulturelle Strömung es schaffte, Spanien von den seit Jahrzehnten wütenden Folgen der Franko-Diktatur zu befreien. Mit einer gehörigen Dosis an Klang und Farbe haben es die Anhänger dieser subversiven Strömung in den 1970er und 1980er Jahren geschafft, dem Land seine bunte Freiheit zurückzugeben. Bevor Almodóvar uns aber eine Behandlung mit schockierenden Bildern vorschreibt, begibt er sich auf die Suche nach Therapiemöglichkeiten und Heilmitteln, und im Bereich der kreativen Forschung, das ist nicht von der Hand zu weisen, tut er sich schon seit Ende der 1970er Jahre hervor. Hoch über den zahllosen, im Laboratorium dieses verrückten Wissenschaftlers angesammelten Destillierkolben und neben Bildern aller Art herrscht die Musik. Übrigens spielt er selbst in einer Undergroundgruppe, Almodóvar y McNamara, aber sie löst sich bald auf. Einen Konzertauftritt des Duos kann man übrigens in seinem Film Labyrinth der Leidenschaften (1982) sehen, wo es Suck it to me und Gran Ganga spielt. Diese Lieder zwischen Glamrock und Punk bieten Almodóvar die Gelegenheit, sich erstmals mit dem Verhältnis zwischen Ton und Bild zu beschäftigen. Seiner Meinung nach dient die Musik dazu, Gefühle, genauer gesagt, Nostalgiegefühle zu vermitteln. Das kann man in der Szene mit Sexilia (Cecilia Roth) sehen: mitten im Konzert versinkt sie in eine Kindheitserinnerung am Meer, nachdem sie in einen Scheinwerfer angestarrt hatte, der wie eine Sonne aussah.

Almodóvar gehört zwar einer Gruppe an, aber je mehr Filme er macht, desto mehr begeistert er sich vor allem für die Musik anderer. Dabei manipuliert er sehr gekonnt schon vorhandene Partituren (der Abendwalzer von Miklós Rózsa in Alain Resnais‘ Film Providence ist eine seiner ersten Anleihen und er verwendet ihn für den Vorspann seines Films Das Kloster zum heiligen Wahnsinn aus dem Jahr 1983), oder er beauftragt Komponisten mit der Filmmusik. In den 1980er Jahren schreibt in erster Linie Bernardo Bonezzi – ebenfalls ein Anhänger der Movida – die Musik für die meisten seiner Filme bis hin zu den Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs (1988) mit seinem heiteren Mambo Taxi.

Für Fessle mich (1989) leistet er sich einen ganz berühmten Filmkomponisten: Ennio Morricone. Man muss sagen, dass Almodóvar dank der (in Venedig für das beste Drehbuch ausgezeichneten) Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs selbst ein Filmemacher von internationalem Rang geworden ist. 1991 wendet er sich für High Heels an Ryuichi Sakamoto (Komponist und 1983 in Nagisa Oshimas Furyo mit David Bowie zusammen in der Hauptrolle). Für den Vorspann dieses düsteren Melodrams wählt Almodóvar jedoch einen Ausschnitt aus der von Gil Evans 1959 komponierten Solea in der Version von Miles Davis. Evans komponierte zum Teil die von Bowie gespielte Musik eines anderen berühmten Films (Absolute Beginners, Julien Temple, 1986) und man kann zusammenfassend sagen, dass alle diese bunt zusammengewürfelten Namen in gewisser Weise derselben kreativen Familie angehören. Die Musik in High Heels entspricht einer typischen Stimmung bei Almodóvar: anscheinend in tausend unzusammenhängende Stücke zerrissen, in Wirklichkeit jedoch genauestens durchdacht (Bowies gespenstischer Schatten wirkt sozusagen wie das englische und musikalische Ebenbild des spanischen Filmemachers).

Es beginnt mit dem Jazz von Miles Davis, dann kommen bekannte Songs (die zwei Schlager Un año de amor und Piensa en mí von Luz Casal ) und es endet mit der eher „symphonischen“ Musik von Sakamoto. Almodóvar beweist also mit diesem Film, dass er sich für „musikalische Collage“ genauso begeistert wie für Versuche mit der Technik der „visuellen“ Collage beim Vorspann in einigen seiner Filme, aber auch für die dramaturgische Collage, wenn man das so sagen kann. Das alles ist durch und durch logisch: er beabsichtigt damit, auf humorvolle und kultivierte Weise die Gesetze und Vorschriften der Kunst im Allgemeinen und des Kinos im Besonderen zu verschmähen. Zu all diesen Gattungen kommt noch gelegentlich die traditionelle spanische Musik, mal im Rohzustand wie der Flamenco in Volver aus dem Jahre 2006 oder mit Liedern, die inzwischen zum spanischen Kulturerbe gehören. Dazu zählt, abgesehen von den Stücken in High Heels, der aus Kuba kommende Hit Quizás, Quizás, Quizás, der durch Sara Montiel berühmt wurde und dem Gael García Bernal in Die schlechte Erziehung (2004)  Glamour verleiht.

Deutsche Fassung: Irene Besson

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