Die Geschichte des Tango, der seine Wurzeln im Tanz hat und schließlich zu einer eigenen künstlerischen Bewegung wurde, ist episch, und seine Zukunft scheint grenzenlos. Als Musikgenre mit hybriden Ursprüngen bleibt er eine der unglaublichsten Schöpfungen, die aus dem Río de la Plata entstanden sind. Im Laufe der Jahrzehnte und seiner Veränderungen war er ständig in Bewegung und brachte bedeutende Künstler hervor, die rund um den Globus anerkannt wurden. Heute verbindet er jahrhundertealte Traditionen mit der Weltmusik in einer erstaunlichen Vielfarbigkeit: von Gardel bis Piazzolla und von Borges bis Benjamin Biolay.

Es gibt keine überzeugende Theorie zu seiner Entstehung. Eine verbreitete Hypothese beschreibt ihn als spontane Nachahmung der Tänze der afroamerikanischen Gemeinschaft durch freche "Compadritos": ein paar improvisierte Schritte zu Polka, Mazurka und anderen Modetänzen, die sich später mit der musikalischen Keimzelle des Tangos verbanden, in der die kubanische Habanera, der andalusische Tango und die Milonga der Pampa widerhallten. Seine Urform war die Schöpfung zahlreicher anonymer Musiker, in einem berauschend und festlichen 2/4- Rhythmus. Er entwickelte sich während der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts in Buenos Aires, wo sich in den engen und promiskuitiven Gemeinschaftsunterkünften ("Conventillos") Musik und Sehnsüchte der europäischen Einwanderer vermischten, und wo ihm die Einführung des deutschen Bandoneons als charakteristisches Instrument seine typische Gestalt verlieh.

Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich der Tango zu einem Interpretationsgenre par excellence. Das Repertoire ist unerschöpflich, nicht nur wegen der zahlreichen Kompositionen, sondern auch, weil mit jeder neuen Fassung eine neue Kreation entsteht. Der älteste Tango des Repertoires ist vermutlich El entrerriano, der 1897 von Rosendo Mendizábal komponiert wurde, obwohl der legendäre Geiger Ernesto Ponzio die Urheberschaft für sich beanspruchte ("Ich schenkte ihn Rosendo an einem dieser Abende, an denen man lieber auf einen Tango als auf eine Zigarette verzichtete"). Um sich von der unendlichen Zahl neuer Versionen zu überzeugen, muss man nur El Entrerriano in der Fassung des Ensembles Estudiantina Centenario aus dem Jahr 1910 (und sei es nur aus musikgeschichtlicher Neugier) mit der zeitgenössischen Neuinterpretation des Bandoneonisten Marcelo Nisinman vergleichen, die mehr als 100 Jahre später aufgenommen wurde. Ganz zu schweigen von den Tausenden von Versionen von Matos Rodríguez' La cumparsita, die seit ihrer Uraufführung 1917 in Montevideo entstanden sind.

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