Venetian Snares
Sein Äußeres lässt eher auf einen Hartmetaller schließen. Manch einer hält ihn allein wegen seiner Haarpracht und aufgrund des Bartwuchses gar für einen (rein) optischen Wiedergänger von Jesus Christus. Dabei bewegt sich Aaron Funk mit seinem Schaffen in ganz anderen Gefilden. Zuhause im kanadischen Winnipeg arbeitet Funk an Stücken experimenteller Elektronik, die für die IDM-Schublade geradezu prädestiniert ist. Einer angejahrten Etikette, die allerdings nur oberflächlich einer Umschreibung der Musik von Venetian Snares dient. Sein Sound bewegt sich auf der Basis eines geladenen Spannungsfelds von Hardcore-Jungle und Hochgeschwindigkeits-Drum'n'Bass.
Ein ungestüm erscheinendes, detailliertes Klangdesign mit einer bisweilen dunklen Atmosphäre, einem Sample-Irrsinn aus wild aneinander gereihten und verschachtelten Breaks, hektischen Snares aberwitzigen Basslines und grotesken Rhythmusmustern, deren produktionstechnische Mutationen fast schon manische Ausmaße annehmen, so dass die Bezeichnungen Drill'n'Bass bzw. Breakcore der Sache weitaus näher kommen als man zunächst denkt. In etwa vergleichbar mit Aphex Twin, Squarepusher, Doormouse oder Duran Duran Duran. Was andere über ihn und seine Musik denken, darum schert sich Aaron Funk nicht wirklich. Es ist ihm schlichtweg egal. Seine Lebensgefährtin und seine Katzen liegen ihm da schon viel näher. Er zieht sein Ding durch und konzentriert sich aufs Produzieren.
Der Name Venetian Snares ist im Übrigen seinem speziellen Augenmerk für ein ausgeklügeltes Arrangement der Snaredrum geschuldet, die eine wichtige Rolle im Aufbau seiner Tracks einnimmt. Venetian Snares, venezianische Trommeln, so die Bezeichnung für ein Preset, das Funk für sich entdeckt und zum Programmieren nutzt. Seine musikalische Sozialisation wiederum wird zu Beginn durch das Klavier der Großmutter beeinflusst – der junge Funk geht jahrelang in den Klavierunterricht, ohne davon überzeugt zu sein. Wie das halt so ist. Ebenso gefallen ihm Titelmelodien diverser TV-Serien und der kanadische Sänger Gordon Lightwood.
Außerdem gibts da noch seine damals Punk hörende Mutter (D.O.A., Subhumans, Ramones, Dead Kennedys). Kein Wunder, dass Aaron Funk später Sachen wie Suicide und Joy Division hört und als Teenager in Punkbands spielt. Im Alter von 17 fängt er an, selbst Musik zu komponieren.
Mit dabei: eine Ladung Ghettoblaster und verschiedenste Geräuschen von Ampelanlagen, Mülleimern und anderen Gegenständen, die Klänge erzeugen, und die Funk zuvor in einer Art Fieldrecording auf Tape gebannt hat und mit seinem Recorder-Park unter großem Aufwand zusammenschustert. Das ändert sich, als er sich zunächst ein zum Sampeln geeignetes Delay-Pedal und dann einen Amiga 500 zulegt. Zusammen mit seinem Kumpel Dan experimentiert er mit musikalischen Entwürfen. Mittlerweile entstehen die Tracks von Venetian Snares vollständig am Rechner. Seine erste Platte "Shiver In Darkness" erscheint 2000 bei Isolate.
Als Mike Paradinas, Macher von Planet Mu, die 12inch "Greg Hates Car Culture" von Venetian Snares hört, verpflichtet er ihn für sein Label. Ab 2001 folgt jährlich mindestens eine Albumveröffentlichung auf Planet Mu bzw. Hymen. Damit ist er in der glücklichen Lage, durch die Musik seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Mit Klängen, die wirklich nicht jedermann Sache sind. Und das spricht wiederum für ihn.
© Laut
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