Kelley Stoltz
"Sie waren verrückt, sie hatten coole Songs, eine richtige Attitüde und einen besonderen Stil. Es war Rock'n'Roll, und trotzdem irgendwie seltsam". So spricht der amerikanische Songwriter Kelley Stoltz über seine Lieblingsband Echo & The Bunnymen. Schon als kleiner Junge steht er vor dem Spiegel, spielt die Luftgitarre nach der Art des Bunnymen-Gitarreros Will Sergeant, raucht Zigaretten wie Sänger Ian McCulloch und ahmt dessen britischen Akzent nach.
Stoltz, Jahrgang 1971, wächst in einem Vorort Detroits auf und entdeckt bald seine Liebe zur Rockmusik. Statt die Schule zu besuchen, treibt er sich vorwiegend in Plattenläden herum, aber natürlich nur in jenen, die Importsingles führen. Als er später ein paar Gitarrengriffe drauf hat, gründet er eine Band, um Coverversionen von den Bunnymen und der Washingtoner Hardcore-Band Minor Threat einzuüben. Mit der bitteren Erkenntnis, es wohl niemals zu einem echten Profimusiker zu schaffen, zieht Stoltz im Alter von 22 nach New York, um Fuß im Musikbusiness zu fassen. Frei nach dem Motto: Wer nicht selber berühmt wird, muss halt für Berühmte arbeiten.
Stoltz bekommt eine Stelle als Praktikant des aufstrebenden Stars Jeff Buckley und darf dessen Fanpost öffnen. Ein Job, der ihn bald anödet und ihm die Realität hinter der glitzernden Fassade des Musikgeschäfts nahe bringt: "Es war wie Möbel verkaufen, kein bisschen besser als in jedem anderen Job." Daher entschließt er sich, erneut einen Tapetenwechsel zu wagen und findet sich in San Francisco wieder.
Dort angekommen besorgt sich Stoltz einen Vierspurrekorder und tauscht die E-Gitarre gegen die Akustische ein. Schnell sind erste Aufnahmen beisammen, die 1999 auf das Debüt "The Past Was Faster" gelangen, das das Indie-Label Telegraph veröffentlicht. Seine Liebe zu Captain Beefheart, Nick Drake, Leonard Cohen, Syd Barrett und eben E&TB ist den Ultra-Lofi-Demos mit Abstrichen zu entnehmen. Beim zweiten Werk hat der Musiker dann genug Kohle, um sich ein Achtspurgerät anzuschaffen. "Antique Glow" erhält dank einigen glanzvollen Melodien und der charmant-ungekünstelten Schlafzimmer-Rock-Attitüde vereinzelt positive Kritiken in US-Medien. Insider hören zudem eine vermehrte Beschäftigung Stoltz' mit psychedelischer Musik, den Beatles und Velvet Underground aus dem neuen Oeuvre heraus.
Blieb die Kunst des Songwriters bis dato nur amerikanischen Landsleuten vorbehalten, schafft es sein nächster Streich "Crock-O-Dials" auch über den großen Teich nach Europa. Bereits kurz nach der Veröffentlichung von "Antique Glow" fällt Stoltz in ein kreatives Loch, und überbrückt dieses unangenehme Gefühl mit dem Nachspielen des Bunnymen-Songs "Going Up" von derem '80er-Debüt "Crocodiles". Das Ergebnis gefällt ihm und gedankenverloren klampft er mit "Do It Clean" gleich den zweiten Song jenes Kultalbums ein. Dann der Geistesblitz: ein reines Coveralbum. Song 1 bis 12. No compromises.
Das fertige Produkt läuft durch einige kalifornische Hände und landet schließlich beim Ex-Pavement-Mitglied Scott Kannenberg, ebenfalls glühender Bunnymen-Fan. Der Rest ist Formsache. Gitarrist Kannenberg reist von Seattle an, überzeugt Stoltz von der Dringlichkeit öffentlicher Auftritte, und mit Bassistin Shayde Sartin, Keyboarderin Shana Kingsley und Kannenberg selbst ist die Band schließlich perfekt. Wenige glückliche Zuschauer in einigen schummrigen Spelunken, die Stoltz selbstverständlich - den Heroen gleich - fett mit Nebel zuballert, dürfen der schrammeligen Hommage live beiwohnen. 2003 spielt die Band beim New Yorker CMJ Marathon und trifft dort die ebenfalls eingeladenen Echo & The Bunnymen.
2005 verrät deren Gitarrist Sergeant im laut.de-Interview, dass ihm der Ansatz des jungen Knaben durchaus Gefallen bereitet. Im selben Jahr erscheint Stoltz' Album-Hommage "Crock-O-Dials" über Cargo Records auch in Deutschland. Danach arbeitet er an seinem nächsten Longplayer mit dem Titel "Below The Branches", der im Februar 2006 auf dem legendären Label Sub Pop erscheint, zuvor gibts als Appetizer die 5 Song-EP "The Sun Comes Through".
Schon hierauf finden sich geradezu sommerlich duftende Singer/Songwriter-Blüten, die in harmonischen Folk-, Psychedelia- und Popgärten ausgesät wurden. Unter Schatten spendenden Ästen von Bäumen ("Below The Branches") ist dieser Sound genau richtig angelegt. Sogar die schwedische Werbung entdeckt den Amerikaner: 2007 benutzt Volvo den Stoltz-Song "Birdies Singing" für eine Kampagne. Bereits im Sommer 2006 spielt der Musiker in den USA als Support für Jack Whites Raconteurs und stellt sich so einem größeren Publikum vor.
2008 legt Stoltz mit "Circular Sounds" nach. Sein zweiter, opulenter instrumentierter Longplayer für Sub Pop belegt eindrucksvoll, dass mit Stoltz eine verlässliche Größe im 60s Pop-Segment herangewachsen ist.
© Laut
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