Sie gilt als eine der originellsten Stimmen der Jazz- und Soulmusik. Nina Simones Weg nach oben war jedoch kein Sonntagsspaziergang. Die Frau, die davon träumte, die erste schwarze klassische Pianistin Amerikas zu werden, kämpfte unaufhörlich gegen andere, gegen ihresgleichen und gegen sich selbst. Dieses Jahr wäre sie 90 Jahre alt geworden.

Die Szene lässt einen perplex. Beim Montreux Jazz Festival beginnt Nina Simone am Klavier Stars zu singen, hält aber nach ein paar Sekunden inne und ruft mehrmals “Sit down“! Ein weiteres Problem – zwar nur eine einzelne, undisziplinierte Zuschauerin –, aber dennoch, eins mehr unter Dutzend anderen. Wir schreiben das Jahr 1976. Eunice Kathleen Waymon, besser bekannt unter dem Pseudonym Nina Simone, ist 43 Jahre alt und hat gerade Liberia verlassen, wo sie mehrere Jahre im Exil lebte. Sie lässt sich in der Schweiz nieder, um sich finanziell zu erholen. Wie konnte es dazu kommen? Und warum ist sie derart unnachgiebig und unleidlich? Ihre Aura ist wohl noch intakt, aber die vier Jahrzehnte ihres bisherigen Lebens waren voll Leid und Strapazen. Eine gegen alle. Allein unter Weißen, aber auch unter Schwarzen...

Nina wurde am 21. Februar 1933 in Tryon, North Carolina, als sechstes von acht Kindern in eine fromme Familie geboren, die sehr unter der Weltwirtschaftskrise 1929 gelitten hatte. Mit drei Jahren begann sie Klavier zu spielen, überwiegend in der Kirche. Sie übte wie besessen und gab im Alter von 12 Jahren ihr erstes klassisches Rezital. Während des Konzerts mussten ihre Eltern ihre Stühle in der ersten Reihe einem weißen Paar überlassen und sich in den hinteren Teil des Saals setzen. Nina verlangte, dass sie auf ihre Plätze vor ihr zurückkehrten und drohte, sonst nicht zu spielen! Die künftige Bürgerrechtsaktivistin begriff damals, dass die amerikanische Gesellschaft durch Rassentrennung vergiftet und auch ihr Leben davon beeinträchtigt wurde. Ihre Liebe galt ganz der klassischen Musik. Nina Simone wollte die erste schwarze klassische Konzertpianistin der amerikanischen Geschichte werden. Sie kämpfte sich von strengen Schulen bis zum Internat für begabte Kinder durch und träumte davon, ihre musikalische Ausbildung am legendären Curtis Institute in Philadelphia zu vervollkommnen. Doch die Vorbereitung zur Aufnahmeprüfung, die an der Juilliard School of Music in New York stattfand, geriet ins Stocken und das junge Mädchen – die einzige schwarze Studentin in ihrer Klasse – erhielt keinen Studienplatz. Nina war überzeugt davon, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe nicht aufgenommen worden war. Sie resignierte und nahm verschiedene Gelegenheitsjobs an, um sich und ihre Familie zu unterstützen und ihren privaten Klavierunterricht zu bezahlen. Sie trat abends in schäbigen Bars auf und musste spielen, was das Publikum hören wollte: Lieder, Blues, Jazz – nur keine Klassik! Um diese „Teufelsmusik“ zu spielen (sie verbarg dieses Repertoire vor ihrer Mutter), nahm sie das Pseudonym Nina Simone an: Nina für niña, kleines Mädchen auf Spanisch, und Simone für Simone Signoret, die sie in Jacques Beckers Film Goldhelm bewundert hatte.

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