Mit "Power Up" schaltet die Bande Angus Young den Motor ihrer Heavy-Blues-Maschine wieder ein...

Ein AC/DC-Album sieht immer wie ein AC/DC-Album aus. Immer! Auch wenn die Gehirnwindungen in den Köpfen der australo-britischen Bandmitglieder mittlerweile 65 bis 73 Jahre alt sind, so besteht dennoch kein Grund zur Veränderung, weil alle nur das eine, althergebrachte Rezept wollen: kurze, zackige Riffs, bluesgetränkten Heavy Rock, metronomisch unerbittliche Rhythmen, stadienreife Refrains und minimalistische Paroli, als handle es sich um Haikus. Allein schon bei Power Up gäbe es Grund, sich ins Fäustchen zu lachen, denn es hört sich ja wie eine kleine Palastrevolution an: zum ersten Mal seit Fly on the Wall (1985) kommt in keinem einzigen der zwölf Titel der Platte das Wort „Rock“ vor! Sollte das ein Zeichen sein? Eigentlich nicht… Das genauso wie die drei Vorgängeralben in Vancouver in Bryan Adams’ Warehouse Studio eingespielte Power Up ist das erste Opus von AC/DC seit dem Tod des legendären Rhythmusgitarristen Malcolm Young Ende des Jahres 2017, der monatelang gegen Demenz gekämpft hatte. Schon 2014 konnte er deswegen bei der Einspielung von Rock or Bust nicht ins Studio kommen und wurde deshalb von seinem Neffen Stevie ersetzt. Es ist also nur logisch, dass sein armer kleiner Bruder, der unschlagbare Angus dieses 17. Album als eine Art Testament präsentiert. „Ich weiß, Mal’ weilt nicht mehr unter uns, aber sein Geist schon. Für diese Gruppe fühlte er sich verantwortlich, das war sein Leben. Ununterbrochen sagte er: macht weiter! Sein Monolog lautete: Musiker zu sein, das ist wie mit der Titanic. Die Gruppe geht mit dem Schiff gemeinsam unter!“

© Josh Cheuse / Sony

In ihrer 45-jährigen Karriere hatten die beiden Young-Brüder immer Kompositionsreste und Kisten voller Gitarrenriffs in Reichweite. Dieses Material diente diesem Power Up und einige Riffs davon sind eben Angus’ älterem, verstorbenen Bruder zu verdanken. Der schon bei Black Ice (2008) und Rock or Bust (2014) als Produzent arbeitende Amerikaner Brendan O'Brien hat den idealen Klang gefunden, der bestens zu den zeitlosen Songs passt. Seit Back in Black (1980) haben AC/DC selten dermaßen aufs Wesentliche gesetzt, auf Schlichtheit reduziert, ja sogar auf eine Effizienz wie wir sie aus der Zeit von Bon Scott kennen, auf der Single Shot in the Dark zum Beispiel. Kaum etwas oder überhaupt nichts Überflüssiges gibt es hier. Sogar Brian Johnson hält sein Mikrofon weniger auffällig. Manchmal macht sich die bluesige Atmosphäre des grandiosen Powerage (1978) bemerkbar. Das gleiche gilt für die jugendhafte und brüderliche Power des Highway to Hell (1979).

Zugegeben, einige Kompositionen halten sich nur dank der Riffs, da das, was eine Melodie eigentlich ausmacht, von einem Song ganz zu schweigen, total verloren geht. Mit dem hervorragenden Through the Mists of Time brechen AC/DC aber aus dem alten Trott aus. Und wenn dann Demon Fire kommt, hält man es auf seinem Sitz wirklich nicht mehr aus… Hat man sich dann erst einmal durch dieses Power Up gehört, so bleibt man doch, wenn auch keineswegs großartig überrascht, mit dem herrlichen Gefühl zurück, einen erfrischenden Rock-Elektroschock mitten ins Gesicht abbekommen zu haben.

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