Die Kooks sind zurück! Anlässlich ihres siebten Albums ‘10 Tracks to Echo in the Dark’ durften wir in einem exklusiven Interview Frontsänger Luke Pritchard treffen, der uns über den verrückten Entstehungsprozess des Albums, seine neu entdeckte Leidenschaft als Produzent sowie Berlin als Inspirationsquelle berichtet…

Luke Pritchard ist erwachsen geworden… Vom Teenie-Held Mitte der 2000er Jahre, mit Wuschelkopf und Akustikgitarre, scheint der Frontsänger der Kooks nach sieben Alben und einer Pandemie etwas zur Ruhe gekommen zu sein. Ihr Debütalbum Inside In/Inside Out (2006) katapultierte die damals Anfang 20-jährigen Jungs an die Spitze der Charts und die Messlatte wurde demnach sehr früh sehr hoch gelegt — was nicht immer einfach ist. Nun verweilt der frischgebackene Vater während unseres Interview in einem kleinen Fischerdörfchen östlich von London und lässt die letzten Monate und Jahre Revue passieren. Die Entstehungszeit ihres kürzlich erschienenen Albums 10 Tracks to Echo in the Dark hat sich — “Überraschung” — aufgrund der Pandemie in die Länge gezogen. “Für uns ist es weniger ein Live-Album”, berichtet Pritchard, “es ist eher ein Album zum Zuhören”. Statt Jam-Sessions und gemeinsames Brainstorming im Studio, musste man sich im Schlafzimmer und improvisiertem Homestudio zurechtfinden. Doch die Kooks hatten Glück: Noch vor dem ersten Lockdown entstand ein großer Teil der Aufnahmen im aufbrausenden und kreativen Berlin - eine Metropole, die schon zahlreiche Musiker*innen in den Bann gezogen hat. So berichtet uns Luke von seinen Eindrücken der Stadt:

“Die Welt fühlte sich ein bisschen so an, als hätten die Verrückten das Irrenhaus übernommen, und Berlin schien, als ich dort war, eine Art von Realität zu bewahren, in vielen verschiedenen Aspekten der neuen Generation. Ich empfand es als eine Art Zufluchtsort für mich, als ich anfing, dort Musik zu machen. Ich fand es ziemlich erfrischend. Ich glaube, das übergreifende Gefühl in Berlin ist, dass man die Kunst in einer Art Metamorphose von etwas Negativem, Hässlichem in Schönes verwandelt, und ich denke, das ist etwas, das einen dort inspiriert. Es ist aufwühlend, aber auch wunderbar.”

Neben dem Einfluss von Berlin - kannst du uns etwas über den Entstehungsprozess des neuen Albums erzählen?

Es hat lange gedauert, bis wir es herausgebracht haben, weil es ein Pandemie-Album war. Der Song Beautiful World zum Beispiel, den wir mit Milky Chance gemacht haben. Wir mussten uns gegenseitig immer wieder Song-Ausschnitte schicken, und das dauert einfach länger. Die erste Hälfte des Albums ist entstanden, bevor der Lockdown kam, ich war in Berlin und hatte ziemlich viel aufgenommen. Und die zweite Hälfte haben wir dann zwischen London und Berlin über iPhones gemacht. Es war also eine Art Pandemie-Platte und inhaltlich spiegelt sie das in gewisser Weise wider. Für uns ist es weniger ein Live-Album. Wir sind eine Band und wenn wir eine Platte machen, wollen wir diese live spielen - und behalten das im Kopf - und gehen ins Studio und legen los. Das hier ist wahrscheinlich das erste Album, das wir je gemacht haben, das in diesem Sinne entspannt ist, es ist eher ein Album zum Zuhören. Ich bin mir sicher, dass es live cool sein wird, aber es ist in gewisser Weise mehr introspektiv, so dass es von dem inspiriert wurde, was eben damals passiert ist. Man sucht ja auch nach Themen, über die man schreibt, wenn man gerade nicht wirklich am Leben teilnimmt. Also ja, das war eine neue Erfahrung, ein bisschen kreativer zu sein und vielleicht ein bisschen fantasievoller mit den Texten, weil es mehr in einen Traumzustand des Schreibens überging, als über mein eigenes Leben zu schreiben...

Was die Inspiration durch Berlin angeht, so glaube ich, dass dies auf vielen Ebenen passiert ist. Klanglich ist es sehr von Berlin inspiriert, die Soundauswahl beispielsweise, die wir getroffen haben. Wir haben viele Schlagzeug-Sounds verwendet, die mehr industrielle Kälte haben, als wir es normalerweise tun würden, und das ist ein ziemlicher Berlin-Sound... Drums, die so klingen, als ob sie in einem Lagerhaus gespielt würden. Und der Synthesizer funktioniert auch. Aber vieles davon kommt von Tobias Kuhn, der es mit uns produziert hat, wir haben viele Songs zusammen gemacht und somit hat er einige verrückte Synthesizer-Arbeiten auf das Album gebracht und das gibt dem Album definitiv das Gefühl, dass es wie ein Berlin-Sound klingt. Die Idee ist so eine Art post-apokalyptischer Vibe der späten 70er, frühen 80er.

Welche Art von musikalischen Einflüssen oder künstlerischem Austausch gab es unter euch Bandmitgliedern?

Wir hatten von Anfang an eine Richtung für das Album. Der erste Song, den wir geschrieben haben, war Connection und ich finde, bei Alben braucht man immer einen “Leit-Song”, an dem man sich orientiert. Man schreibt ein bisschen und dann hat man einen Song, bei dem man denkt, das ist der richtige Vibe. Und als wir Connection geschrieben hatten, dachten wir, lass uns mit dieser Art von Sound und Idee weitermachen. Aber jeder bringt seine Einflüsse mit, ich wollte ohne Rücksicht auf Verluste arbeiten, das ist wieder so ein Berliner Ding (lacht). Es ist eine konzeptionelle Platte, sowohl textlich als auch musikalisch, wir hatten also eine ganz bestimmte Vorstellung davon, wie wir klingen wollten.

War diese konzeptionelle Arbeit dieses Mal anders als bei den vorherigen Alben?

Ja, das war sehr, sehr anders, wie ich schon sagte, dieses Mal war es viel weniger live, es ging viel weniger darum, dass wir zusammen spielen. Es gab Elemente davon, aber die Chemie kam durch das Schreiben zustande, jedoch hauptsächlich im Schlafzimmer oder im Wohnzimmer, im Gegensatz zum Jammen im Studio... Das macht den Sound etwas spezifischer, als wenn man sich im Studio ein bisschen gehen lässt, wo alle zusammen sind, Ideen austauschen und alles im Raum zusammenkommt. Aber es war wichtig, die Identität der Band beizubehalten - wir befinden uns als The Kooks jetzt in einer komischen Situation. Wir haben sieben Alben veröffentlicht, also müssen wir uns dessen bewusst sein, was wir sind und das aufrechterhalten und nicht zu sehr daran herumspielen. Natürlich gibt es Songs wie Cold Heart zum Beispiel, der sehr nach 2006 klingt, mit der Drum-Machine und er hat verschiedene Elemente, einige coole Falco-Synthies im Refrain. Und dann hat es auch diese 'kooksy' oder Bloc Party-Kooks-Elemente aus dieser Zeit in den Gitarrenriffs und dem Gesang.

Es ist ja schon ziemlich beeindruckend, dass ihr größtenteils noch in der gleichen Band-Konstellation seid und es wirkt, als ob ihr als Gruppe zusammen aufgewachsen seid - was nicht selbstverständlich ist und manchmal schwierig sein kann...

Auf jeden Fall, ich bin froh, dass das so rüberkommt! Natürlich sind wir unabhängige Denker, eine unabhängige Band, wir haben nicht den Druck von Leuten, die uns sagen, in welcher Spur wir bleiben müssen, und wir haben versucht, immer nach vorne zu schauen. Wir hatten eine unglaubliche, aber auch schwierige Situation, weil wir ein so großes erstes Album rausgebracht haben. Die Gefahr ist, wenn man so einen kommerziellen Erfolg hat, dass man immer versucht, das zu wiederholen, denn wer mag keinen kommerziellen Erfolg, oder (lacht)? Und es gefällt auch allen Leuten. Wir haben aber wirklich versucht, genau das nicht zu tun, und ich denke, wir haben das erreicht, indem wir unterschiedlich klingende Alben gemacht haben, aber, wie gesagt, man sollte seine Identität behalten. Es gibt Momente, in denen man zu weit abschweift und dann sollte man wieder zurückrudern. Das haben wir geschafft, auch dank der großartigen Produzenten. Sie blicken zurück auf die erste, von Tony Hoffer produzierten Platten, und versuchen, die Band auf dieser Bahn zu halten.

Bereits mit eurem letzten Album Let's Go Sunshine, das 2018 erschienen ist, habt ihr aber auch musikalisch neue Wege eingeschlagen.

Ja, man muss neue Dinge ausprobieren, das ist wichtig, sonst kann es auch schnell langweilig werden… Wir haben einfach zu viel Zeit in Kalifornien verbracht, das ist auch einer der Gründe, warum wir zurück nach Europa gekommen sind. Aber ich denke, mit Let's Go Sunshine haben wir neue Sachen ausprobiert. Ich meine, es ist wie eine Reise. Die ganze Sache ist wie eine wirklich lange, interessante Reise, die hoffentlich dazu führt, dass man sich inspirieren lässt und immer die Liebe bewahrt, das ist wichtig.

The Kooks und Milky Chance

Tauchen bestimmte Dinge oder Einflüsse immer wieder in eurer Musik auf?

Ich war schon immer ein Kind der Beat Generation und ich glaube, das ändert sich auch nie, was die Struktur der Songs angeht. The Kooks werden immer Mid-Century Popmusik und im Wesentlichen Britpop sein. Was die Texte und alles andere angeht, ist es eine Art Beat-Poesie, denke ich. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich in die Musik von Allen Ginsberg und Bob Dylan oder so abrutsche. Selbst wenn man verschiedene Dinge mit dem Sound macht, denke ich, dass die Art und Weise, wie ich Songs schreibe, gleich bleibt.

Für dieses Album habe ich jedoch viel mehr Surrealismus und Science Fiction gelesen und das hat meine lyrischen Themen leicht verändert, auch wenn es nicht beabsichtigt war. Außerdem bin ich jetzt verheiratet und habe ein Kind, und das ist irgendwie anders, als wenn man Liebeskummer hat oder wütend ist (lacht). Es war eine neue Erfahrung für mich, ein Album zu machen, bei dem ich mich ziemlich — ich war schon immer sehr unruhig — zentriert und entspannt fühlte. Daher waren einige der Songs etwas traumartiger und surrealer, und das macht auf dieser Platte sehr viel Spaß. Das vor davor nie wirklich ein Thema.

Die Musikindustrie hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Hat sich das auch auf eure Kunst oder die Art, wie ihr Musik macht, ausgewirkt?

Ich meine, ich arbeite definitiv viel mit Computern und ich habe eine Platte mit meiner Frau gemacht, wir haben eine Band namens Duo und diese Art von "Serge und Jane"-Musik gemacht, nach dem Motto "englisches Paar macht französische Musik" (lacht). Es ist eine wirklich coole, kleine Platte und weil wir sie während der Pandemie aufgenommen haben, habe ich ein bisschen am Computer gearbeitet und dabei wirklich gelernt, wie man produziert und das hat sich definitiv geändert. Tobi - der 10 Tracks to Echo in the Dark produziert hat - hat mir wirklich sehr viel beigebracht. Das ist definitiv ein großer Unterschied für mich, denn ich bin der Zeit weit hinterher (lacht)! Die Leute haben das schon vor langer Zeit gemacht und ich bin es gewohnt, einen Song auf der Gitarre zu schreiben und ihn dann den Jungs in der Band vorzuspielen, dann jammen wir den Song, dann arrangieren wir ihn und dann nehmen wir ihn auf... Das hat also bei diesem neuen Album wirklich Spaß gemacht, dass ich die Art und Weise, wie ich schreibe, sehr verändert habe.

Und wir als Band, unsere Lebensspanne, haben diese Veränderungen der Industrie auf jeden Fall mitbekommen und deshalb uns auch bei diesem Album entschieden, EPs herauszubringen. Wir haben also drei EPs herausgebracht (Echo in the dark, Pt. I, II und III), anstatt auf einmal ein ganzes Album. Denn jeder würde von den Kooks erwarten, dass sie einfach ein weiteres Album herausbringen und ich sehe viele aktuelle Künstler, die das nicht mehr wirklich tun. Sie veröffentlichen Singles, bis sie genug haben, und dann bringen sie das Album heraus. Das ist so ein Debütding und ich dachte, wir brauchen das nicht. Es ist nicht so, dass wir da drüber stehen oder so, aber wir versuchen einfach nicht, in die Charts zu kommen. Ich glaube nicht mehr wirklich an die Charts, sie bedeuten nicht wirklich etwas. Heutzutage können Songs eine viel längere Zeitspanne haben. Man kann einen Song herausbringen und niemand interessiert es, und ein paar Jahre später entdecken ihn vielleicht die sozialen Medien und er wird ein großer Hit. Running up a hill von Kate Bush ist im Moment auf Nummer eins, und der Song wurde '82 oder so aufgenommen? Ich meine, es ist eine seltsame Zeit und aus der Sicht der Musikveröffentlichungen ist es ziemlich aufregend, weil es nicht so sehr auf die erste große Kampagne zum Release ankommt oder darauf, es den Leuten unter die Nase zu reiben, sondern, dass die Leute es vielleicht im Laufe der Zeit entdecken und das gefällt mir.

HÖREN SIE "10 ECHOS IN THE DARK" VON THE KOOKS AUF QOBUZ

Ab kommenden Herbst sowie Januar 2023 sind The Kooks auf Tournee:

2022:

2. September - Bridlington

3. September - Stradbally

4. Oktober - Brisbane

6. Oktober - Melbourne

12. Oktober - Sydney

2023:

24. Januar - Lissabon

25. Januar - Madrid

27. Januar - Barcelona

28. Januar - Toulouse

29. Januar - Bordeaux

31. Januar - Lyon

1. Februar - Mailand

2. Februar - Zürich

4. Februar - Brüssel

5. Februar - Offenbach

6. Februar - Ludwigsburg

7. Februar - Köln

10. Februar - Stockholm

11. Februar - Oslo

12. Februar - Kopenhagen

13. Februar - Hamburg

14. Februar - Berlin

16. Februar - München

17. Februar - Amsterdam

18. Februar - Paris

Das Interview führte Lena Germann, 7. Juni 2022.

Visuels © Paul Johnson

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