Mit 'Rock Believer' sind die Scorpions zurück in der Musikwelt - und zwar so präsent und authentisch wie nie. Ein Album, das auf ihren Status als Rocklegenden zurückgreift und sie gleichzeitig im neuen Licht erstrahlen lässt...

Überraschungen tauchen stets unerwartet auf (was in der Regel der Sinn einer Überraschung ist). Seit einigen Jahrzehnten bereits hatten die Scorpions ein wenig die Aura einer Dauerbrenner produzierenden Gruppe verloren, wie etwa Taken By Force, Lovedrive, Love At First Sting oder das so berühmte Blackout, das 2022 sein 40. Jubiläum feiert. Die Combo schien einerseits auf ihren Status eines Kult-Balladen-Lieferanten reduziert zu sein, zeigte sich andererseits auf ihren letzten LPs weniger überzeugend. Wenn man dann noch eine Abschiedstournee hinzurechnet, die so lange dauerte, dass die Band sie schließlich selbst anprangerte, kann man nicht sagen, dass sich die Zukunft der Scorpions als besonders rosig ankündigte.

© Oliver Rath

Rock Believer ist demnach etwas Unerwartetes. Es ist das Album, mit dem keiner mehr rechnete. Die ersten Singles waren schon sehr vielversprechend, wie die für den Liveauftritt zugeschnittene Hymne Rock Believer, das aufbrausende Peacemaker, aber vor allem das unglaubliche Seventh Sun (das sich in eine Reihe mit Songs wie China White oder The Zoo stellen lässt) und das wunderbare Shining of your Soul im herrlichen Duft der späten 70s. Und, oh Wunder, keine Ballade in Sicht! Die Gruppe hatte sich entschieden, zum Hard-Rock zurückzukehren und beweist uns hier, dass sie die Zauberformel dafür nicht vergessen hat. Zum Glück sind die Singles nicht alles, was die Band zu bieten hat und sind repräsentativ für die Qualität des gesamten Albums. Roots in my Boots, Knock ‘em Dead oder Call of the Wild im Midtempo sind allesamt Titel, die auch auf den von uns so geliebten Alben ihrer Blütezeit nicht fehlen würden. Sogar die unvermeidliche Ballade When You Know (Where You Come From) die ganz ungezuckert daherkommt, erinnert uns - falls nötig - daran, dass wir von Musikern sprechen, die Juwelen wie Always Somewhere oder When the Smoke is Going Down in ihrem Keller gelagert haben. Es ist schwer, keinen Zusammenhang zwischen ihrer Rückkehr zu ernsten Dingen und dem neuen Mitglied, Mikkey Dee (Ex-Motörhead) hinter den Trommeln zu sehen. Er hat es geschafft, der Musik der Scorpions eine neue Dynamik zu verleihen, die man an jeder Stelle eines Breaks zu spüren bekommt, ohne in die Übertreibung zu verfallen. Und alle amüsieren sich dabei: Klaus Meine hat seit Ewigkeiten nicht mehr so gut gesungen (was für eine Freude, seine natürliche Stimme von unnötigen Effekten befreit wiederzufinden), und der Solist Matthias Jabs berührt uns mit einigen Höhenflügen, die uns an die Zeit erinnern, als er uns zurecht viel zu erzählen hatte. Kurzum: Rock Believer zaubert uns (wieder) ein Lächeln ins Gesicht, wenn wir den Namen "Scorpions" hören.

Rock Believer von den Scorpions © Vertigo Berlin

Erfolgversprechende Comebacks dieser Sorte hat es bisher nicht viele gegeben. Sie sind sogar sehr selten. In diesem Stadium einer Karriere ist es zwar schwierig, Wetten auf die Zukunft abzuschließen, aber wenn Rock Believer die “Ruhestands-Platte” dieser deutschen Kultband sein sollte (was wir nicht hoffen wollen), würde sie zweifellos auf der langen Liste ihrer wichtigsten Alben stehen. Die Scorpions sagen es auf ihre Art, höflich und musikalisch: "Wer ist hier der Boss?”

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