Anstatt dem Nachfolger des Digital- und Analog-Allrounders Brooklyn Bridge nur einige Updates mitzugeben, hat Mytek etwas Besonderes erdacht: Die Bridge II ist ein komplett fertiger “Roon Core”!

Während die erste Generation der Brooklyn Bridge sich als “Brückenbauer” zwischen Digital- und Analogtechnik verstand – was auch Gen 2 mindestens im gleichen Maße ist –, könnte der neue Mytek zudem die Brücke zwischen Einsteigerfreundlichkeit und der teils doch komplexen Digitalwelt darstellen. Verkörpert werden beide Facetten durch die Musikverwaltungs- und Abspiel-Software Roon, die der neue Streamer, Server, D/A-Wandler und (Phono-)Vorverstärker im Namen sowie im Herzen trägt.

Darin liegt wohl die größte, wenn auch nicht einzige, Neuerung der zweiten Brooklyn Bridge – die namensgebende Brücke zwischen Brooklyn und Manhattan in NYC feiert dieses Jahr übrigens den 140. Geburtstag. Wie nicht wenige Netzwerkspieler heutzutage konnte die originale Brooklyn Bridge als Roon Endpoint fungieren, also Musik von Roon empfangen und abspielen. Mit der neuen “Brooklyn Bridge II Roon Core” will Mytek aber etwas nahezu Einzigartiges anbieten: ein Gerät, das gleichzeitig “Roon Core” und “Roon Ready” ist.

Das könnte Digital-“Neulingen” erst einmal nichts sagen, darum ein kurzer Exkurs zu Roon. Der Mytek könnte für diese Zielgruppe vielleicht besonders interessant sein, will er doch unter anderem einen einfachen Einstieg in das System bieten. Roon ist eine digitale Plattform, die in erster Linie zum Sortieren und Abspielen von Musik gemacht ist, wahlweise von einem (integrierten) Server, Tidal oder Qobuz. Dazu kommen eine hervorragende Sortierung, weitere Infos zur Musik, automatische Empfehlungen, eine Klangregelung, Multiroom-Möglichkeiten und mehr.

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Die Anschlüsse sind wertig, als Hauptunterschiede zum Vorgänger hat Phono jetzt einen eigenen Eingang, eine zweite USB-Verbindung kam hinzu, und WLAN/BT läuft über ein Doppel-Antennen-System.
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Der Wiedergabebildschirm von Roon ist übersichtlich, bietet aber nach einem Klick aufs richtige Symbol viele Möglichkeiten.

Die Möglichkeiten von Roon

Die Software ist bereits relativ einsteigerfreundlich, aber der technische Aufbau des Systems mag abschreckend wirken. Roon braucht einen “Core” als “Zuhause” des Systems, eine “Remote” in Form von Handy-, Tablet- oder Computer-App und natürlich ein Ausgabegerät, sprich einen Streamer.

Der Namenszusatz “Roon Core” bei der neuen Brooklyn Bridge verrät damit, dass sie zusätzlich zum Streamer-Teil auch Ersteres übernimmt, inklusive Musikserver mit 64 GB oder, für einen Aufpreis von 800 Euro, vier TB Speicherplatz – wer mehr will, kann in beiden Fällen ein Speichermedium per USB an die rückseitigen Anschlüsse hängen.

Das macht die Brooklyn Bridge zu einer Art “Roon-All-in-One”, denn auch grundlegende Steuerungs-Optionen bietet das Display. Alle einzelnen Bestandteile bleiben natürlich ebenfalls bestehen; mit einem anderen Core zum Mytek streamen, ihn als Core für einen anderen Streamer benutzen und so weiter.

Auf der Front – im hübschen, Mytek-typischen Waben-Muster mit sanft leuchtendem Logo – findet sich zwischen Volume-Dreher und kräftigen Kopfhörerausgängen – 2 x 6,3 mm, die auch symmetrisch arbeiten können und uns etwa mit den Grado GS3000X Pink Floyds psychedelisches “Interstellar Overdrive” so präzise und räumlich auf die Ohren brachten, dass schon fast Schwindel einsetzte – der ebenso komplett neue Touchscreen-Bildschirm. Hoch aufgelöst und dimmbar zeigt dieser einerseits die aktuell abgespielte Musik inklusive Infos an und bietet ebenso die fast komplette Kontrolle über den Streamer-Preamp.

Simpel und schnell sind da Eingangswahl (als Unterpunkt von “Preamp”) und zugehörige Einstellungen wie Volume Trim oder MM-/MC-Wahl gefunden, wie auch Roon und Bluetooth. Letzteres ist beim aktuellen Stand auch die einzige Option für Nicht-Roon-Streaming.

Darüber hinaus lassen sich so auf dem Gerät direkt auch die generellen Einstellungen vornehmen, wie etwa das Setup – also hauptsächlich die Versorgung mit Internet – , wofür es sonst öfters eine eigene App oder teils kompliziertere Anleitungen gibt. Also schnell Kabel einstecken oder das WLAN-Passwort im Gerät eingeben, in der Roon-App zwei bis drei Klicks machen – und schon läuft die Musik. Einfacher geht’s kaum.

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Der Startbildschirm des Mytek macht die Quellenwahl simpel; per Klick auf das Rädchen rechts oben geht‘s zu den Settings.
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Über den Bildschirm finden sich Settings, wie etwa Filter oder Lautstärkeregelung. Zudem gibt‘s hilfreiche Buttons: einen Schritt zurück, zum Start und zum Wiedergabebildschirm (links, von oben nach unten).

Auch ohne Roon

Wer die Brücke nur zum Überqueren der Digital/Analog-Wandlung und Vorverstärkung nutzen will und Roon erstmal außen vor lässt, kann das sogar ignorieren, Quellen anschließen und sofort loslegen. Entgegen der möglichen “Angst” vor der Digitalwelt ist die analoge Sektion des Mytek nämlich komplett unabhängig und arbeitet getrennt vom Digi-Teil, inklusive analoger (oder wahlweise digitaler) Lautstärkeregelung.

Und im Inneren der Brücke finden sich weitere Details, die das analoge Herz begeistern. Wie etwa der eingebaute Phono-Pre für MM und MC, der aus der ersten Bridge übernommen wurde, uns da bereits sehr gefiel und dies nun erwartungsgemäß wieder tut. Unsere Messergebnisse bestätigen das und überzeugen wie auch beim Vorgänger auf voller Linie.

Neu hingegen ist der ordentlich proportionierte Ringkerntrafo, der sich die Digital/Analog-Trennung zu Herzen nimmt und den Server-Teil separat vom restlichen Gerät versorgt, was allen Sektionen zuträglich ist. Besagter Server-Teil wird von einem hochwertigen Intel-I5-Chip gesteuert und beruht auf einer SSD-Festplatte, auf der die komplett neue Digitalplattform mit hauseigenem Mytek-Betriebssystem läuft. Die Hochleistungsarbeit des ganzen Systems bemerkt man unter anderem an der deutlichen Wärme, die das Gerät abgibt – zur Kühlung wurde ein Lüfter mit steuerbarer Intensität eingebaut.

All das verspricht einerseits gute und schnelle Leistung sowohl für den Server-Betrieb als auch die Roon-Funktionen; auch beim zeitgleichen Abspielen geht die Navigation fix und flüssig. Der andere Aspekt ist die Zukunftsfähigkeit: Mytek plant und arbeitet an Updates, die mehr Funktionen, Verbesserungen und vielleicht ja sogar weitere Streaming-Protokolle versprechen könnten. Das Gerät soll in gewisser Weise eine Plattform darstellen, auf der in Zunkunft hoffentlich weitere Updates und Features Einzug halten werden.

Vermutlich wird der Großteil der Menschen, die sich aktuell mit dem neuen Mytek auseinandersetzen, Roon benutzen – der Aufpreis zur ersten Generation für Server und Core ist gerechtfertigt und günstiger, als etwa der Roon-eigene Core “Nucleus” separat; aber trozdem sind es 1.000 Euro mehr. Auch ein Upgrade von Alt auf Neu bietet Mytek an, dann für 2.500 Euro. Die Kosten für Roon dürfen nicht vergessen werden und kommen noch obendrauf. Im Monats-Abo kostet es aktuell 12,50$ oder 15$, eine lebenslange Lizenz 830$. Eine kostenlose Testversion gibt es aber.

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Falls Roon-App und Touchscreen/Drehknopf nicht reichen, liegt dem Mytek auch noch eine simple Fernbedienung von Apple bei.

Digitale Optimierung

Neben dem komplett analogen Vorverstärker, nebenbei erwähnt mit Cinch- und XLR-Ausgängen, ist auch der eingebaute D/A-Wandler nicht zu unterschätzen. Wie jede Sektion des Gerätes kann dieser auch einzeln benutzt werden und empfängt externe Signale per USB, optisch und koax. Verarbeitet wird bis 384 kHz/32 Bit, auch DSD256 und MQA sind im Angebot.

Vollendet wird die Digitalsektion durch diverse digitale Filter sowie Myteks “HAT”-Option für den DAC, welche die Auswahl zwischen den Klangsignaturen “Normal” und “Warm” ermöglicht. Die Unterschiede machen sich sogar direkt bemerkbar, Letzterer gibt dem Klangbild eine gefällige “Abrundung” und Entspanntheit, während in der Standard-Einstellung Präzision und Direktheit vorne stehen. Typisch “analoger” vs. “digitaler” Klang könnte man jetzt im Extrem sagen; beide haben ihren Charme, am Ende ist es Geschmackssache.

Bei diesem Aspekt schließt sich dann auch wieder der Kreis zu Roon, hat das Programm doch wie eingangs erwähnt eine ausgezeichnete Klangregelung eingebaut. Genug Möglichkeiten, den Mytek anzupassen, gibt es damit also, sei es an den persönlichen Geschmack oder an die Umgebung.

Damit schließt sich der nächste Kreis, Stichwort: Einsteigerfreundlichkeit. Selbst “out of the box” will der Streamer/Server ja überzeugen, Simplizität mit dann doch vielen teils komplexen, aber immer optionalen Möglichkeiten vereinen. Und genau das tut er. Musik über Roon zu hören ist auf vielen Ebenen eine Freude und durch die Bridge auch einfach gestaltet; falls man doch tiefer einsteigen will, ist das nächste Level nur ein paar Klicks entfernt.

Dann wird möglicherweise auch die größere Variante der Bridge interessant. Auf die 64 GB unseres Testmodells passen durchaus ein paar Alben. Die sonst identische Ausführung mit vier TB Speicher hat dann aber schon Platz für eine riesige Musiksammlung, gerne auch in HiRes. Musik draufladen ist übrigens ebenfalls angenehm simpel: Computer per Netzwerk mit dem Server verbinden, die Dateien rüberziehen und Roon den Rest erledigen lassen. Zur Not kann man Infos, die nicht automatisch in der riesigen Datenbank gefunden werden, nachtragen.

Sind die Dateien dann drauf, legt die Brooklyn Bridge II ja erst mit ihrer Hauptaufgabe los: Musik spielen. Und da zeigt sie direkt ihre Qualitäten.

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Im Inneren der Brooklyn Bridge II sind hochwertige Bauteile dicht gepackt, visuell dominieren vor allem die Roon-Server-Abteilung rechts und der ordentliche Ringkerntrafo mit zwei separaten Windungen.
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Bis auf den Bildschirm und die nun nicht mehr benötigten Knöpfe sieht die originale Brooklyn Bridge (Test in STEREO 11/2019) dem Nachfolger äußerlich relativ ähnlich.

Ein Experiment

Um es einfach mal probiert zu haben, starteten wir direkt mit ungleichen Spielpartnern und schlossen den Mytek als Streamer, DAC und Vorstufe an unsere Referenz-Endstufen von Audio Research an, die knapp das Zehnfache kosten... Und nur ein paar Sekunden später kamen die ersten ordentlichen Bassimpulse in MEUTEs Coverversion von Sail so präzise wie druckvoll und kontrolliert aus den Boxen, dass es uns fast aus dem Sessel warf.

Auch an vom Preis realistischeren Komponenten entfaltet die Brooklyn Bridge II ihr Können, lassen sich keine Schwächen aufweisen. Eben erwähntes Sail knallt etwas weniger, bietet aber immer noch immensen Spaßfaktor, während alle Instrumente klar umrandet ihren Job verrichten. Die vielseitigen Aspekte des Debüt-Albums 16 von Einar Solberg – irgendwo zwischen Singer-Songwriter, Orchestral, Folk, Elektronisch und Metal-Klängen – bringt sie überzeugend rüber, bereitet dem Geschehen eine beeindruckende Bühne, während die teils erstaunlich hohe Stimme des Sängers durch den Raum schwebt.

Zugegeben: Es ist eine relativ spitze Zielgruppe, die Mytek hier ansprechen will, der Roon-Fokus ist Stand jetzt ein großer Teil des Streamers. Aber wer sich mit der Brooklyn Bridge II ein Roon-System aufbaut, kann damit komfortabel alle Vorzüge des Programms genießen – und bekommt zudem ein analog wie digital unglaublich vielseitiges Gerät mit wirklich begeisterndem Klang.

Test-Geräte

Plattenspieler: Avid Diva / Hana SH
Netzwerkspieler: Bluesound Node, AVM Inspiration AS 2.3
Vollverstärker: Musical Fidelity Nu-Vista 800.2, Audiolab 8300A
Endstufen: Audio Research Reference 160M
Lautsprecher: PMC Twenty5.22, DALI Epicon 6
Kabel: Audioquest, In-Akustik

STEREO-Playlists mit Songs zum Test der Audiogeräte aus Ausgabe 08/23