Dynaudios neue Aktivserie Focus verliert das Kürzel « XD », sagt « Bye-bye » zur Bassreflexöffnung und bekommt dafür umfangreiche neue Streaming- und Bedien-Optionen. Diese und andere Änderungen sollen unseren Testprobanden, die kompakte « Focus 10″, zu Großem antreiben.

Auch wenn die neuen Focus dank ihrer Eigenständigkeit wie eine komplett neue Serie aussehen: Die smarten Aktivboxen zählen so gesehen als Nachfolger der bisherigen Ober-Aktivserie Focus XD von Dynaudio. Zuerst fällt auf, dass der Name kürzer ist, das XD fällt weg – was auch impliziert, dass wir weniger ein kleines Update vor uns haben, sondern eine richtige neue Serie. Natürlich bieten sie aber auch einige von den XD übernommene Merkmale.

Wie etwa den identischen Preis für die neuen Modelle, was wir hier erstmal mit einem ausgesprochenen Lob versehen wollen! Auch wenn die Marke von 5.000 Euro für die Kleinste der Serie, die hier getestete Focus 10, so oder so eher nach oben zielt. Dass aber bei Aktivlautsprechern die Dimension von Preis/Leistung etwas anders gesehen werden muss, sollte auch klar sein: Dies ist schließlich eine so hochmoderne wie komplette Anlage, in der alles perfekt aufeinander abgestimmt ist, und die dazu noch Extra-Features bietet.

Alle Eingänge sind auf der Rückseite des „Masters“ zu finden, „Coax Out“ kann den „Slave“ füttern, der nur den entsprechenden Input trägt.
Alle Eingänge sind auf der Rückseite des „Masters“ zu finden, „Coax Out“ kann den „Slave“ füttern, der nur den entsprechenden Input trägt.

Digital ist die Zukunft

Teil einer solchen Abstimmung ist etwa, dass die Focus 10 einen Verstärker pro Chassis trägt, die ihre Signale von der DSP-unterstützten Frequenzweiche bekommen, sodass die einzelnen Verstärker nur die Frequenzen übernehmen, die sie auch bedienen müssen. Die neuen Verstärker-Module entstammen der Flaggschiff-Studio-Monitor-Serie des Lautsprecher-Spezialisten und werden von der ebenfalls dänischen Firma Pascal bezogen. Klingt gut, genauso wie die Angabe von inzwischen kombiniert 390 W Class-D-Verstärkerleistung pro Box.

Ein optionales HUB, von dem Quellen an die Aktivboxen gesendet werden, gehört der Vergangenheit an. Alle Eingänge finden sich nun auf dem Haupt-Lautsprecher, der diese dann kabellos oder per Koax an seinen Spielpartner gibt. Dank der sowohl einfachen wie auch nützlichen Option zu wählen, ob der « Master » links oder rechts steht, ist das Anschließen an etwaige Quellen auch angenehm flexibel.

Als topmodernes System zielt die Focus auf Streaming als Hauptquelle ab. Dafür bietet die Dynaudio so ziemlich alles, womit sich Musik übers Netzwerk hören lässt. Spotify und Tidal Connect machen den Anfang, über Chromecast, Airplay und Bluetooth lassen sich viele weitere Dienste einbinden, und UPnP-Streaming sowie Roon-Ready-Zertifizierung sorgen für den Rest, wie etwa Zugriff auf Musik-Server im Heimnetzwerk.

Die sauber strukturierte App zeigt Cover und Quelle des aktuellen Songs und fungiert als zweite Fernbedienung. Hier lassen sich auch die diversen Klangeinstellungen anwählen, wie hier für jede Box einzeln die Positionierung.
Die sauber strukturierte App zeigt Cover und Quelle des aktuellen Songs und fungiert als zweite Fernbedienung. Hier lassen sich auch die diversen Klangeinstellungen anwählen, wie hier für jede Box einzeln die Positionierung.

Dazu gesellt sich die neue hauseigene Dynaudio-App. Sie bietet den Zugang zu Internetradio, wird für die Ersteinrichtung benötigt, ermöglicht Klanganpassungen und bietet dieselben Funktionen wie die Fernbedienung. Diese Steuerung arbeitet zudem vorbildlich flüssig sowie zuverlässig, was hier ebenso für das ganze System gesagt werden kann.

Zusätzlich bieten die App sowie die schicke Fernbedienung Zugriff auf eine Favoriten-Funktion; die Dynaudios können bis zu drei Favoriten speichern, welche danach mit nur einem Knopfdruck angewählt werden. Neben Radiosendern lassen sich auch Inhalte von Spotify auf diese Weise markieren und schnell über Spotify Connect abspielen. Ein durchaus nettes Feature, was gerne auch erweitert werden kann.

Die Fernbedienung bietet sauber aufgeräumt die wichtigsten Features. Die Tasten 1-3 erlauben die Anwahl von in der App gewählten Favoriten an Radios oder Spotify-Inhalten.
Die Fernbedienung bietet sauber aufgeräumt die wichtigsten Features. Die Tasten 1-3 erlauben die Anwahl von in der App gewählten Favoriten an Radios oder Spotify-Inhalten.

Der « Master » der beiden nach hinten schmaler werdenden Boxen trägt zudem auch je einen Koax- und einen optischen Digitaleingang sowie ein Paar analoge Cinch-Buchsen. Einzig USB-Audio könnte man Input-seitig vermissen; aber über die Möglichkeiten von Roon oder UPnP lässt sich vieles auch kabellos einbinden.

Eine weitere Möglichkeit, die Focus mit Signalen zu füttern, ist zudem das « WiSA »-Protokoll, was hauptsächlich in Fernsehern und extra dafür gemachten Geräten anzutreffen ist. Mit ihm werden kabellose Mehrkanal-Systeme ermöglicht, in die die Focus integriert werden können. WiSA wird ebenfalls zur kabellosen Kommunikation zwischen den Boxen genutzt, und bietet Auflösungen bis zu 96 kHz; ein Koax-Kabel bis zu 192 kHz. Die Funkverbindung ließ uns nie im Stich während der Tests – auch nach Gemeinheiten, wie den Hauptstecker der Netzleiste zu ziehen, während die Focus noch spielten, fanden sie nach kurzer Zeit wieder automatisch zusammen und spielten freudig weiter.

Zusätzlich tragen die Boxen auch ein paar weitere « smarte » Kniffe in sich, wie etwa einen Hochpassfilter, der bei extrem hohen Pegeln die Chassis schützen soll. Falls Sie vielleicht die Boxen mit Abdeckung schöner finden oder sie schützen wollen, hat der eingebaute DSP eine eigene Einstellung dafür. Diese erkennt die magnatischen Abdeckungen und passt den Klang daran an. Neben dieser automatischen Anpassung bietet die zugehörige App auch noch ein paar manuelle Einstellungen für den DSP. Diese mussten bei der Focus XD-Serie noch an den Lautsprechern an sich geändert werden, und lassen sich nun entspannt und flüssig in der App anwählen.

Die den Bass dämpfende Positionswahl – wie sich im Hörtest zeigen wird, dürfte diese Einstellung allerdings bei der Focus 10 kaum notwendig sein –, eine Anpassung der Höhen sowie drei Einstellungen für die Empfindlichkeit am analogen Eingang finden sich hier. Das ermöglicht schonmal einiges an Anpassungen etwa an den Raum und persönliche Hörgewohnheiten, kann aber logischerweise nicht mit einer echten Raumkorrektur mithalten – wie etwa Dirac Live, das auch in der Focus-Serie zu finden ist.

Raumkorrektur mit Dirac Live in der Focus-Serie

Dynaudio verkündet stolz, dass die neuen Focus-Lautsprecher die ersten Aktivboxen sind, die alles für die hochdetaillierte Raumeinmessungs-Software Dirac Live eingebaut haben, bisher nur auf Verstärkern oder dedizierten Einmessgeräten verfügbar. Zugegebenermaßen braucht es immer noch Smartphone oder Computer, um das Ganze zu steuern, sowie ein eigenes Mikrofon. Aber nach dem Einmessungs-Prozess können wir auch diese Hilfsmittel beiseitelegen und die an den Raum angepasste Klangveränderung einfach in der App aktivieren. Bis zu sechs Filter können dafür direkt auf der Focus gespeichert werden, nachdem diese in Dirac erstellt wurden.

Die Einmessung eines Raumes ist bekanntlich ein bisschen Arbeit, will doch das Messmikrofon an verschiedensten Stellen um den Hörplatz und im Raum die Testtöne hören. Danach dürfen wir entscheiden, welche Anpassungen der Frequenzgang erfahren soll. Das bezieht sich oft auf den Bass, der am meisten unter suboptimalen Raumeinflüssen leidet und dann Gefahr läuft, zu dröhnen.

Und die Anpassungen gehen in verschiedenste Richtungen: Mit einer Idealkurve als Vorbild lassen sich alle Frequenzen anpassen, in unserem Beispiel hier wird hauptsächlich eine Absenkung einer spezifischen Bass-Frequenz sowie eine Rundum-Begradigung empfohlen; wie stark die Anpassung sein soll, entscheiden wir. Auch können wir wählen, welche Frequenzen überhaupt angepasst werden sollen, also etwa nur den Bass bearbeiten. Und zu guter Letzt lässt sich auch die Idealkurve anpassen und damit wiederum alles beeinflussen.

Für den ganzen Prozess sollte natürlich ein gewisser Spaß am Experimentieren und ein anfängliches Verständnis des Themas schon mit von der Partie sein, kann es doch sehr kleinschrittig werden. Aber genau das ist es, wofür Dirac da sein kann: der Anlage und dem Raum die letzte Perfektion zu entlocken. Ein erster Einstieg in die Software ist minimal kompliziert, aber mit etwas Geduld auch für Nicht-Computer-Profis durchaus machbar.

Mit Dirac hat STEREO sich schon mehrmals beschäftigt – wie etwa auch in dieser Ausgabe im Artikel ab S.12. Und dabei wieder und wieder feststellen müssen, dass selbst die aufwendig akustisch optimierten STEREO-Hörräume noch perfektioniert werden können. Selbst mit eher grundlegenden als hochkomplexen Einstellungen kommt das gesamte Klangbild zusätzlich mit ein bisschen mehr Einheitlichkeit daher, ohne dass etwas überbetont wäre. Und das ist wie gesagt erst der Anfang der Möglichkeiten.

Bedingt durch den ohnehin schlanken Bassbereich der Focus 10 ist das Potenzial hier naturgemäß beschränkt. Bei den größeren Focus-Modellen sieht das wahrscheinlich nochmal anders aus. Dirac ist in den Focus-Boxen aber ein explizit optionaler Bonus, um ihnen und dem Raum noch den letzten Feinschliff zu verpassen. Bedeutet: Die Dirac-Lizenz muss erst noch gekauft werden, die Basisversion kostet aktuell zirka 160$. Bei Luxus-Speakern wie diesen könnte dies ruhig Teil des Pakets sein; aber auch so ist es ein überschaubarer zusätzlicher Aufwand, der sich durchaus lohnen kann – ein bisschen Spaß am Experimentieren vorausgesetzt.

Die neue Focus-Serie kommt in insgesamt vier Finishes. Einzig das Flaggschiff 50 (rechts) trägt einen echten Mitteltöner.
Die neue Focus-Serie kommt in insgesamt vier Finishes. Einzig das Flaggschiff 50 (rechts) trägt einen echten Mitteltöner.

Optimierungen innen & außen

Der generellen Platzierungs-Flexibilität könnte zudem auch das inzwischen geschlossene Gehäuse zuträglich sein, da der Luftfluss einer nun nicht mehr vorhandenen Reflexöffnung nicht mit eingerechnet werden muss. Im Zuge der Gehäuseumbauten wurde dieses auch etwas kleiner, was mit einer Minimierung des Basschassis einhergeht. Sowohl der nun 14 cm große MSP-Woofer wie auch der 28-mm-Gewebehochtöner mit bestem Dynaudio-Erbe sollen den Vorgängern natürlich in nichts nachstehen. Und wieder sei hervorgehoben, dass bei Aktivlautsprechern alles penibel aufeinander abgestimmt und optimiert werden kann – und so ein ganz spezifisches Klangziel möglich ist.

Was sich bei der kompakten Größe vielleicht schon erahnen lässt, wird auch im Hörraum bestätigt: Krasse Party-Lautstärke und tiefste Frequenzen sind nicht das Metier der Dynaudio. Alles, was die Focus präsentiert, liefert sie aber sauber und deutlich in den Raum; die Bühne wirkt klar und aufgeräumt, ohne übertriebene Analytik konstruiert. Nur schließt das leider die tiefsten Frequenzen nicht mit ein.

Sobald die mit dezentem Dynaudio-Schriftzug versehene Abdeckung auf den Boxen platziert wird, aktiviert sich eine dafür vorgesehene DSP-Einstellung.
Sobald die mit dezentem Dynaudio-Schriftzug versehene Abdeckung auf den Boxen platziert wird, aktiviert sich eine dafür vorgesehene DSP-Einstellung.

So stellt sie den ätherischen Gesang in « Sea Of Tranquility » der norwegischen Rockband Gazpacho überzeugend plastisch dar, während die Instrumente drumherum präzise platziert und scharfkantig ihren Teil zum stimmigen Gesamtgefüge beitragen. Aber ein bisschen Kraft und Energie im Bass vermissen wir leider schon, wie auch unsere Messungen bestätigen. Ein Blick auf die großen Stand-Geschwister oder eine den Bass betonende, wandnahe Aufstellung wären hier einen Versuch wert. Sollte diese Platzierung doch Brummen verursachen, gibt’s ja immer noch DSP und Dirac.

Aber trotz allem: Die Neutralität, Genauigkeit und Definition der Dynaudio Focus 10 werden ihre Liebhaber finden. Die ausgezeichnete Praxistauglichkeit trägt sicher auch ihren Teil dazu bei sowie die lange Liste an Features – wobei wir in diesem Fall besonders den Subwoofer-Ausgang hervorheben wollen…

Testprofil des Dynaudio Focus 10 auf stereo.de

STEREO-Playlist mit Songs zum Test der Audiogeräte aus Ausgabe 03/23