Auf ihrem neuen Album widmet sich Alison Balsom einer selten gewürdigten Seite der Trompete: ihrer Melancholie

Kein Musikinstrument ist in seiner Symbolik so festgelegt wie die Trompete. Sie verbreitet Glanz und Gloria mit ihrem Klang und nicht minder mit ihrem goldfunkelnden Äußeren. Sie ist seit jeher das Instrument der Fanfaren und Signale; sie kündigt die Herrscher an und erklingt zu ihrem Lob (im Falle der geistlichen Musik zum Lob des höchsten Herrschers); sie bläst zur Attacke, was sie zum Inbegriff der Instrumente macht, die beim Militär Verwendung finden. Überhaupt scheint ihr Klang ja vor Energie und Durchschlagskraft zu bersten: Der Ton der Trompete zielt in die Ferne, ihr Publikum ist so weit, wie der Himmel reicht. So eingesetzt erklingt sie dann zu Beginn von Richard StraussZarathustra und im Heldenleben in der Schlacht mit den Kritikern, oder – äußersten Wagmut erfordernd und zugleich illustrierend – kurz vor dem Gipfel in der Alpensinfonie. Man hört sie königlich in den festlichen Kantaten von Johann Sebastian Bach, heldenhaft in Richard Wagners Ring und feierlich in den Sinfonien Anton Bruckners.

Und doch gibt es noch eine Kehrseite: die der gebrochenen Kraft. Wenn Glanz und Gloria verblichen sind und nur noch die Erinnerung daran existiert; wenn der Held gefallen ist und er betrauert werden muss mit dem ihm eigenen Instrument. Dann kommt eine ganz eigentümlich melancholische Seite der Trompete ins Spiel, die immer auch Nähe hat zum Sentimentalen – wie stets, wenn Heldisches mit all seiner gedanklichen Überhöhung zusammenbricht. Der Trauermarsch zu Beginn der 5. Sinfonie von Gustav Mahler gehört dazu und, deutlich milder getönt, das große Solo zu Beginn von Franz Schmidts 4. Sinfonie. Schmidt dachte diesen Beginn als Klage für seine verstorbene Tochter.

Alison Balsom, die britische Trompeterin, hat nun eine ganze CD dieser melancholischen Seite ihres Instrumentes gewidmet. Beginnend mit Aaron Coplands Quiet City, das dem Album auch den Titel gab. Das Stück für Trompete, Englischhorn und Streicherbegleitung gehört zu den gelungensten und erfolgreichsten Zweitverwertungen in der klassischen Musik. Copland fasste Teile seiner Bühnenmusik zum gleichnamigen Schauspiel von Irwin Shaw zusammen, die sonst wohl vergessen worden wären: eine äußerst stimmungsvolle, bildstarke Musik, die von den Einsam- und Müdigkeiten der zivilisierten Welt erzählt. Über ruhigen, wie im Abendlicht stehenden Streicherklängen erheben die beiden Soloinstrumente einen Gesang von geklärter Melancholie. Wobei das Englischhorn an eine Naturstimme erinnert, der Klang der Trompete aber immer die Erinnerung an die Zivilisation evoziert: an Militärisches, Heldisches, das hier gerade in der Abendruhe versinkt: Nichts klingt so einsam wie die Trompete über dem Schlachtfeld eines zu Ende gehenden Tages. Für Alison Balsom gehört Quiet City zu den liebsten Stücken, auch, weil der Trompetenpart so gesanglich, so nah an der menschlichen Stimme geführt sei. Eine Seite ihres Instrumentes, die Balsom immer wieder herausgestellt hat, zuletzt mit zahlreichen Einspielungen auf der Barocktrompete.

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