Wir kennen es bereits von Motown und Stax, Rubinstein und Horowitz, Miles Davis und John Coltrane: Man wirft die Sex Pistols und The Clash gerne in einen Topf, obwohl da doch in Wahrheit überhaupt nichts zusammen passt. Die Gangs um Johnny Rotten und Joe Strummer mögen sich vielleicht den Thron der Punkbewegung teilen, haben aber darüber hinaus nicht sonderlich viel gemeinsam…

Sind die Sex Pistols und The Clash heute, mehr als vier Jahrzehnte nachdem sie den Buckingham Palace, seine Bewohner und deren Untertanen ordentlich aufgerüttelt haben, nichts weiter als Schwarz-Weiß-Fotos aus einem alten Familienalbum oder stoßen ihre neuartigen Ideen von damals ganz im Gegenteil auch heute immer noch auf so großen Anklang? Manchmal gehen einige Dinge mit der Zeit unter und so kann es nicht schlecht sein, noch einmal den gesellschaftlich Kontext von damals ins Gedächtnis zu rufen: Als die ersten Noten der am 17. Oktober 1976 aufgenommenen und einen Monat später herausgebrachten ersten Single der Sex Pistols, Anarchy In The UK, ertönen, ist der Rock schon nicht mehr in seiner Bestform und wird selbst in Stadien gespielt. Wir sind also bereits weit vom Schrei der Revolte entfernt, den er am Anfang noch darstellen sollte und als er noch mit den nötigsten Mitteln am liebsten in einer Garage produziert wurde. Von Revoltemusik wurde er schließlich zum Kassenschlager. Vom instrumentalen Gewusel des Psychedelic Rock, der gerade das Tageslicht erblickenden Schwere des Hard Rock und den frustrierten Jazzmen, die sich zum Progressive Rock hinwandten, ist Mitte der 70er Jahre nicht mehr allzu viel übrig. Der Rock hat seine Notwendigkeit, seine Einfachheit, seine Aggressivität und seine Ehrlichkeit eindeutig verloren. Sogar die Werte der Hippies scheinen sich langsam der Norm und dem Mainstream anzupassen. Hinzu kommt, dass der Himmel über England immer grauer wird: steigende Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise, die Debatte über die Nordirland-Frage und eine Monarchie, mit der der Großteil der Jugend nichts mehr anfangen kann. Und inmitten dieses Bildes erscheinen plötzlich vier freche Jungs, die gerade einmal zwanzig Jahre auf dem Buckel haben, mit ihren zerrissenen Flaggen wie aus dem Nichts. Vier junge Engländer (die sich nicht einmal besonders gerne mögen), angeführt von John Lydon alias Jonny Rotten, welcher vom Teufel besessen zu sein scheint und ein T-Shirt von Pink Floyd trägt, auf dem in Handschrift zu lesen ist: I hate. Die Bande hält gerade einmal zweieinhalb Jahre lang und bringt nur ein einziges Studioalbum heraus, das jedoch in die Legende eingehen wird: Never Mind The Bollocks, Here’s The Sex Pistols.

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