The Land Is Inhospitable and So Are We

Albumbeschreibung

"Moskitos können sich an mir erfreuen/ Ich kann nicht ins Haus gehen", singt Mitski in Buffalo Replaced, einer bodenständigen Grunge-Ballade ihres siebten Albums, in der die Sängerin die an ihr nagende Selbstverzweiflung offenbart. "I have a hope/ Though she's blind with no name/ She shits where she's supposed to feed herself when I'm away/ Sometimes I think it would be easier without her" ("Ich habe eine Hoffnung / Obwohl sie blind ist und keinen Namen hat / Sie scheißt dort, wo sie sich nähren soll, wenn ich weg bin / Manchmal denke ich, es wäre einfacher ohne sie"). Wie Tori Amos, Kate Bush oder Frank Ocean neigt auch Mitski dazu, trotz ihres beruhigenden Auftretens so viel Wildheit zu offenbaren. Die vergangenen Jahre waren für sie eine besonders schwere Zeit. 2019 kündigte sie ihre "letzte Show auf unbestimmte Zeit" an und gab später zu, dass sie durch physische und mentale Erschöpfung zermürbt sei, die durch das Musikgeschäft und seine "übersättigte Version des Konsumismus", aber auch durch die ständigen Anforderungen, die ihre Berühmtheit mit sich bringt, verursacht wurde. Sie kritisierte, dass ihre asiatisch-amerikanische Herkunft immer wieder ein besonderes Thema sei: "Das ist wie Rassismus, der sich hinter progressivem Denken verbirgt ... Ich bin ein Symbol." Letztes Jahr teilte sie der BBC mit: "Ich musste einen Schritt zurücktreten, um aus diesem Mechanismus herauszukommen und einfach zu lernen, wieder ein Mensch zu sein, denke ich." Diese Auszeit führte Mitski zu dem, was sie als ihr “amerikanischstes Album” bezeichnet. “Dieses Land, das sich bereits für so viele seiner Bewohner ungastlich anfühlt, wird sich bald wieder hoffnungslos hin- und hergerissen fühlen - vor allem zu Zeiten, in denen es keine Liebe gibt. Dieses Album ist wie eine Beruhigungspille.”

Mit Ennio Morricones hochdramatischen Einflüssen des Italowesterns oder Carter Burwells  Fargo-Soundtrack paart Mitski auf The Land Is Inhospitable and So Are We ihre gelegentlich düsteren Gedanken mit einer Aufruhr vermittelnden Musik sowie mit einem von Drew Erickson arrangierten und dirigierten Orchester und einem 17-stimmigen Chor. In When Memories Snow geben sowohl das Klavier als auch Mitskis Gesang das Marschtempo vor, während sie ihre eindringliche innere Welt offenbart: "When memories snow/ And cover up the driveway/ I shovel all those memories ... and when memories melt/ I hear them in the drainpipe/ Dripping through the downspout/ As I lie awake in the dark." (“Wenn Erinnerungen schneien/ Und die Einfahrt verdecken/ Schaufle ich all diese Erinnerungen ... und wenn Erinnerungen schmelzen/ Höre ich sie im Abflussrohr/ Durch das Regenrohr tropfen/ Wenn ich im Dunkeln wach liege.”). Dann baut sich die orchestrale Spannung auf und explodiert: Hörner, Streicher und Chorstimmen kämpfen sich mit Ellenbogen den Platz frei. Der Opener Bug Like an Angel beginnt wie ein akustischer Lagerfeuer-Song, bei dem Mitski singt: "As I got older, I learned I'm a drinker/ Sometimes a drink feels like family" (“Als ich älter wurde, lernte ich, dass ich ein Trinker bin / Manchmal fühlt sich ein Drink wie Familie an”) - und dann, wie aus dem Nichts, ertönt ein aus voller Kehle gesungener Broadway-Chor: "family!". Bei The Deal konzentriert sie sich auf den Boden der Tatsachen, während die Musik wie ein atmosphärisches Wettersystem umherwirbelt und sich schließlich zu einem Tornado aufbaut, der alles mitreißt, was ihm in den Weg kommt. Es ist jedoch nicht alles im Chaos verschwunden, sobald die Ruhe einkehrt. Countrified Heaven klingt leicht mit Streichern und nach den Cowboy Junkies. My Love All Mine ist eine schwermütige Romanze, mächtig und vollkommen, während Star funkelt und zu einer Supernova explodiert, wenn Mitski davon singt, dass verlorene Liebe niemals ganz verloren ist. Am Ende von I Love Me After You wird es geradezu majestätisch (schmetternde Becken), nachdem sie eine Art Selbstpflegeroutine durchführt (Feuchtigkeitspflege, Toner, Haare bürsten), um dann zu verkünden: “Ich liebe mich gleich nach dir/ König des ganzen Landes". © Shelly Ridenour/Qobuz