Jay Weinberg ist seit acht Jahren und drei Alben Mitglied von Slipknot und macht dennoch den Eindruck, als sei er ein Gründungsmitglied der Band aus Des Moines, Iowa. Mit “5: The Gray Chapter” aus dem Jahr 2014, dem 2019 erschienenen “We Are Not Your Kind” und dem zuletzt veröffentlichten “The End, So Far” hat Weinberg sich einen festen Platz in der Band und in den Herzen der Fans erarbeitet. Ein Interview mit dem Chef-Holzfäller, der gerade erst zum Metaldrummer des Jahres gekürt wurde.

« The End, So Far » klingt wie die Vollendung dessen, was Slipknot mit den vorigen beiden Alben « 5: The Gray Chapter » und « We Are Not Your Kind » anstrebten. Seid ihr beim Songwriting und der Produktion zusammen mit Joe Barresi, dem Produzenten der beiden vorherigen Alben, nach demselben Schema vorgegangen?

Der Schreibprozess für The End, So Far lief ganz anders ab, weil wir auf Distanz voneinander waren. Wir sind alle ziemlich gut darin geworden, uns selbst aufzuzeichnen, ich habe zwangsläufig gelernt, wie ich mein Schlagzeug mit ProTools aufnehme — kurzum, es war ein ziemliches Durcheinander, um die Demos zwischen den einzelnen Bandmitgliedern hin und her zu schieben. Später im Studio hat jeder individuell mit Joe gearbeitet. Wegen Covid gab es nur selten Momente, in denen zwei von uns mit ihm im Studio waren. Joe respektiert uns und wir vertrauen ihm. Er wirft einen anderen Blick auf unsere Musik.

Paradoxerweise spürt man ein Niveau der Einheit, das noch nie zuvor auf einem Slipknot-Album erreicht wurde.

Dankeschön! Ich glaube zutiefst, dass unsere Band unschlagbar ist, wenn wir alle neun denselben Kurs verfolgen und vor allem, wenn wir einen guten Tag haben. Mit guter Kommunikation schaffen wir es, genau den Spirit einzufangen, den wir mit unserer Musik erreichen wollen. In solchen Momenten setzen wir das Potential dazu frei, um über uns hinaus zu wachsen.

Wie hat sich eure Zusammenarbeit zwischen "5: The Gray Chapter" und "The End, So Far" verändert?

Für mich ist es das dritte Album mit der Band und ich stelle mich nicht damit zufrieden, ein Album “einfach zu machen”. Ich denke, dass es unsere Verpflichtung ist, uns immer weiter zu entwickeln und, nochmal, über uns hinauszuwachsen. Auf jeder Platte versuche ich besser zu spielen, und ich glaube, dass ich das geschafft habe. Unser einziger Gegner sind wir selbst. Wir möchten die bestmögliche Version von Slipknot sein. Ich bin sehr stolz auf diese Grundeinstellung.

"Acidic" ist ein ziemlich kräftiger, direkter Song. Du hast ihn als "den heftigsten Blues-Song aller Zeiten" beschrieben.

(Schmunzelt.) Ja, das habe ich gesagt, weil ich den Eindruck habe, dass wir wirklich eine neue Dimension davon entdeckt haben, was wir für Slipknot wollen. Wir sind sehr stolz auf Acidic, denn wir sind künstlerische Risiken eingegangen und haben die Grenzen unseres Band-Universums verschoben – das war eine große Herausforderung. Es ist einer meiner Lieblingssongs auf dem Album. Wir haben uns freigemacht von jeglichen Markenzeichen, die einen Slipknot-Song traditionell ausmachen. Zum Glück haben wir die kreative Freiheit, nicht so viel darüber nachzudenken. Stattdessen können wir einfach herausfinden, wozu der Song sich entwickelt, und wenn wir geduldig genug sind, wird daraus etwas, von dem wir wirklich begeistert sind und das wir als eine neue Art, Musik zu kreieren, präsentieren können. Acidic ist echt wild. Ich bin sehr froh darüber, dass wir diese Richtung verfolgt haben und hoffe, dass wir den Song oft live spielen werden. Das wird ihm nochmal eine andere Dimension geben.

Slipknot © Elektra Music Group

Welche Grenzen dürfen nicht überschritten werden, um die Identität von Slipknot zu bewahren?

Ich habe das Gefühl, dass wir stetig reifen. Wir treiben uns weiterhin gegenseitig in diese neuen Gebiete und finden dort Motivation, trotz dessen, dass sie aus Sicht der Marke Slipknot eine Gefahr darstellen. In seiner Komfortzone zu bleiben, verliert irgendwann seinen Reiz. Unsere besten Studiotage sind die, in denen wir Risiken eingehen und Dinge tun, die völlig aus dem Rahmen fallen. Es war schon immer die Intention der Band, sich weiterzuentwickeln. Wir sind nicht wirklich daran interessiert, Dinge zu tun, die wir schon einmal getan haben, und ich denke, dieses Album ist ein Beweis dafür.

Die Chemie zwischen Sid Wilson und dir stimmt einfach auf dieser Platte.

Total! Und weißt du was? Sie ist so natürlich, dass wir nicht mal unbedingt darüber reden. (Lacht.) Unsere musikalische Verbindung geht über unsere Gespräche hinaus. Wir lassen die Dinge ganz organisch geschehen. Wir alle finden unseren Platz im Song und versuchen, unseren Beitrag dazu zu maximieren, damit die künstlerische und kreative Stimme wirklich für sich selbst sprechen kann, und das ist bei jedem von uns neun gleich. Es soll harmonisch sein. Der Einfluss von Sid ist wirklich etwas besonderes. Wenn wir das Gefühl haben, dass wir einen Song auf einen bestimmten Höhepunkt oder ein Plateau gebracht haben und das alles ist, was wir damit machen können, taucht ein wildes Sid auf (lacht). Plötzlich ist es ein ganz anderer Song. Das kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen. Ich verstehe nicht, was er macht! (Lacht.) Manchmal klingt es wie etwas aus dem Weltall, es ist wirklich erstaunlich. Es ist super wichtig, dass jeder einen Weg findet, seine persönliche Note in einen Song zu bringen. Und wenn dann alles fertig ist, können wir sagen: "Ja, das ist ein Slipknot-Song!", denn man kann alle neun von uns hören.

"The End, So Far" (“Das Ende, vorerst”) ist ein exzellenter Titel, um die Fans ins Grübeln zu bringen…

Wir überlassen ihn der Interpretation jedes Einzelnen. Wir gehen jedes Album so an, als wäre es unser letztes, denn man weiß ja nie, was die Zukunft bringt. Ich erinnere mich, dass wir, als ich in die Band kam, von The Gray Chapter als etwas Großem sprachen, das Spuren hinterlassen sollte und leicht als Abgesang präsentiert werden könnte. Dann kam We Are Not Your Kind. Ich weiß nicht, ob es fatalistisch ist, aber das ist unser Ansatz: Wir stecken alles, was wir haben, in alles, was wir tun. Als wir mit The End, So Far fertig waren, hatten wir jegliche Inspiration aufgebraucht. Es war nichts mehr übrig. Und wenn wir dann das Glück haben, dass dieser Geist mit uns weitergeht und wir uns motiviert fühlen, mehr zu machen, dann werden wir das tun. Aber wir setzen uns nicht unter Druck. Es ist das Ende eines Kapitels und der Anfang eines neuen, und wir werden sehen, wohin es uns führt. Auf jeden Fall ist es eine spannende Zeit, um ein Teil von Slipknot zu sein.

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