Udo Lindenberg. Eine Ikone. Ein aus der deutschen Musikbranche nicht mehr wegzudenkender Künstler, Maler, Poet, Humanist... Der Rock’n’Roller mit dem Hut und den zerzausten Haaren. Hinter dieser düsteren Erscheinung, die oft erst ab 15 Uhr aus seinem Hotelzimmer des Hamburger Atlantics kriecht, verbirgt sich ein Mann mit Superkräften, dem es immer gelang, genau eines zu tun: sein Ding. Zu seinem 75. Geburtstag blicken wir auf die Hintergründe seiner Höhen und Tiefen sowie seine bedeutendsten Alben, die daraus hervorgingen.

Es mag ungewöhnlich erscheinen, eine Hommage an einen Künstler mit einem seiner größten Flops zu beginnen, aber genau darin hat sich im Laufe der Karriere Udo Lindenbergs größtes Talent bewiesen. 2002 brachte ihm sein Album Atlantic Affairs den Rausschmiss bei Sony ein. Eine Niederlage, die auch den sonst so smoothen Udo nicht kalt ließ, denn er hatte zum ersten Mal keinen Plattenvertrag mehr. Es geschah zu einer Zeit, zu der er nicht nur seinen Bruder Erich verloren hatte, dessen Tod ganz plötzlich eintrat, sondern auch sich selbst. Er war von seinem Weg abgekommen, verbrachte nun Tag und Nacht an der Bar seiner Heimat: dem Hamburger Hotel Atlantic mit seiner besten Freundin, der Eierlikörflasche. Und das, obwohl die Idee zu Atlantic Affairs doch eigentlich eine gute war. Die Platte sollte Komponisten wie Erich Holländer, Paul Abraham, Kurt Weill und weiteren vertriebenen jüdischen Komponisten, die teilweise während des Zweiten Weltkriegs in die Staaten flüchteten und ein beeindruckendes Erbe hinterließen, Ehre gebühren. Doch mit den Produzenten von Sony, die wohl in den schweren Zeiten der Plattenindustrie ein kommerzielles Produkt schaffen wollten und Sternchen der deutschen Musikszene wie Yvonne Catterfeld dazu einluden, war das Projekt wohl schon im Voraus zum Scheitern verurteilt - es landete auf Platz 84 der deutschen Albencharts und Udo war somit raus.

Raus? Einen solchen Niederschlag konnte das Stehaufmännchen Udo wohl keinesfalls akzeptieren, auch wenn er bis auf weiteres pleite war. Einen Ausweg konnte ihm auch seine Bank nicht mehr bieten, denn diese hatte sein Geld verzockt. Nur konnten sie nicht wissen, dass sie es mit Udo zu tun hatten… Woher er diese stetige Kraft aufbringen kann, ob es der Drang eines wahren Künstlers ist oder einfach nur die tiefsitzende Angst, wie etwa einige seiner Kollegen in Möbelhäusern auftreten zu müssen, bleibt fraglich.

2005. Das Jahr in dem es also nicht mehr weitergehen sollte. Weder mit Udo noch mit seiner Musik. Andreas Herbig, Produzent seines Albums Benjamin aus dem Jahr 1993, sollte ihn wieder zurückholen. Udo war nicht sofort überzeugt von der Idee, denn er sah sich eher als ein Mann für die große Show, als ein Musiker, der introspektive Alben produzierte. Zwei Wochen dauerte es, bis Herbig einen Anruf bekam. Udo war am Start. Mit neuem Lebensmut und von sich eigens investierten 80.000 Euro Aufnahmekosten. Doch auch wenn er seinem größten Feind, dem Alkohol, einen Tritt in den Hintern verpassen wollte, fanden die Aufnahme-Sessions nicht nur mit seinem geliebten Eierlikör statt (auf diesen hatten Herbig und er sich in ihrer Abmachung beschränkt), sondern auch mit weiteren Flaschen billigen Jim Beans, der die Aufnahmen vorläufig platzen ließ.

Das Album sollte den Sänger Udo wieder zu seinen Wurzeln zurückführen: mit echtem, simplem Rock, mit Texten, die direkt aus seiner Seele sprühten. Ein Sound, der an den Rock’n’Roller von damals erinnern sollte und das gepaart mit Talenten wie Jan Delay (Ganz anders), Max Herre, Till Brönner (Verbotene Stadt) und mit einer Komposition von Martin Tingvall (Wenn du durchhängst). 2008 war es schließlich so weit. Stark wie Zwei war das erste Album Lindenbergs, das sich auf dem ersten Platz der deutschen Albencharts platzierte. Und da war es wieder, das Gefühl des Erfolgs. Ein Comeback!

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