Das umfangreiche Schaffen Koechlins, das durch einen sehr persönlichen Stil charakterisiert ist, - fest in der Tradition verankert und bahnbrechend zugleich - hat seine Zeitgenossen durch seinen Facettenreichtum, seine große Freiheit und seine philosophische Dimension verunsichert. Die vorliegende CD trägt dazu bei, die wahre Bedeutung dieses Klangalchimisten zu ermessen, des genialen Propheten, der seiner Zeit weit voraus war. Wir feiern dieses Jahr am 27. November seinen 150. Geburtstag...

Ein erfülltes Leben

Er wurde in Paris in einer Familie elsässischer Industrieller und Ingenieure geboren. Neben der Musik hatte er auch viele andere Interessen (Astronomie, Mathematik, Naturwissenschaften… ) und begann zunächst ein Studium an der Pariser Hochschule Ecole polytechnique. Schließlich entschied er sich jedoch für die Musik (1888). Da er die Altersgrenze für das Auswahlverfahren überschritten hatte, wurde er am Konservatorium als Gasthörer zugelassen (1890 – 1900) und genoss bei seinen Lehrern Fauré und Massenet hohes Ansehen. 1902 heiratete er Suzanne Pierrard. An der Seite dieser intelligenten und feinfühligen Lebensgefährtin konnte er sich auf seine berufliche Aktivität konzentrieren. Sie schenkte ihm fünf Kinder, denen er ein aufmerksamer Vater war. Sein Leben war mit seinem künstlerischen Schaffen eng verbunden: ein arbeitsintensives Leben, nicht ohne materielle Sorgen, das sich im Sommer durch Aufenthalte in Villers-sur-Mer im Département Calvados sowie in Boulouris und Canadel an der Côte d’Azur erhellte, wo er zwei Häuser nach eigenen Plänen bauen ließ. Um seine Familie zu ernähren, unterrichtete er viel. Dadurch vertiefte er seine Kenntnisse in Chorsatz, Kontrapunkt und Fuge so weit, dass er darin zu einem unübertroffenen Meister des 20. Jh. wurde.

Diese Lehrtätigkeit gab ihm Stoff für zahlreiche Abhandlungen (zu Kontrapunkt, Chorsatz, Harmonielehre, Instrumentierung, modaler Mehrstimmigkeit), von denen einige heute noch verwendet werden. Zu seinen vielen Schülern gehören Poulenc, Sauguet und Désormière. Während er von verschiedenen Universitäten der Vereinigten Staaten zu Vortragsreisen eingeladen wurde, haben ihn die öffentlichen Institutionen in Frankreich nie akzeptiert. Dies war der Preis für seine Unabhängigkeit und Modernität, die ihm andererseits die Bewunderung seiner jungen Kollegen (Milhaud, Dutilleux) einbrachte. Es lag ihm fern, sich in einen Elfenbeinturm zurückzuziehen – er war sich der gesellschaftlichen Aufgabe des Künstlers sehr bewusst – und kämpfte als Präsident des Volksmusikverbands in vorderster Reihe für einen Zugang der breiten Bevölkerung zur musikalischen Kunst. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, erhielt staatliche Kompositionsaufträge und gelangte nach 1930 zu einiger Berühmtheit. Seine Anerkennung kam er jedoch eher aus Brüssel, dank dem unermüdlichen Einsatz des Musikwissenschaftlers Paul Collaer und des Dirigenten Franz André. Dieser leitete in Anwesenheit des Komponisten an der Spitze des Radioorchesters (INR, heute RTBF) die Uraufführung zweier seiner Hauptwerke: Le Livre de la Jungle (1946) und Le Docteur Fabricius (1949). Bis zum letzten Tag aktiv, starb Koechlin am 31. Dezember 1951 in seinem Haus in Canadel. Auf seinem Grab im Garten, umgeben von der Natur, die ihm Kraft und Inspiration bedeutet hatte, kann man folgenden Satz lesen: „Der Geist, der mein Werk und mein ganzes Leben durchdringt, ist vor allem der Geist der Freiheit.“

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