In seinen Anfängen war der Jazz für Tanz und Unterhaltung da, als Ausdrucksmittel zum Hinterfragen bestehender Verhältnisse diente er nicht. Ungerechtigkeit und Härte des Lebens wurden eher im Blues artikuliert, Spirituals und Gospelsongs versprachen Erlösung. Noch bevor die Bürgerrechtsbewegung Fahrt aufnahm, änderte sich dies allmählich.

Obwohl bereits ein gefeierter Kornettist und Trompeter, musste Louis Armstrong Ende der 1920er-Jahre die Clubs durch die Hintertür betreten, auf Tourneen gab es für ihn kein Hotel, als erwachsener Mann wurde er „Boy“ genannt. 1929 schrieb der Texter Andy Razaf gemeinsam mit dem Pianisten Fats Waller den sozialkritischen Song „(What Did I Do To Be So) Black And Blue“, der bei seiner Aufführung einen Skandal auslöste. Als Armstrong das Lied im selben Jahr aufnahm – mit den Textzeilen „I᾿m white inside, / But that don᾿t help my case, / ’Cause I can᾿t hide / What’s in my face / My only sin / Is in my skin“ –, war dies der erste Protest gegen Rassismus, den es bis dahin im Jazz gegeben hatte. Dass Musik eine Waffe gegen Ungerechtigkeit sein kann, erlebte auch Billie Holiday, als sie ab 1939 den Song „Strange Fruit“ über Lynchmorde in den Südstaaten sang und daraufhin nach Bedrohungen und Inhaftierungen ihre Auftrittslizenz verlor. Da sich ihre Plattenfirma Columbia weigerte, den Song zu veröffentlichen, nahm sie ihn 1939 für Commodore auf. Bis heute gilt er als die erste Hymne der Bürgerrechtsbewegung.

Drei Jahre später begann Duke Ellington an einer dreiteiligen Orchestersuite über die Geschichte der amerikanischen Schwarzen seit der Sklaverei zu arbeiten. Black, Brown And Beige wurde Anfang 1943 in der Carnegie Hall aufgeführt, als erstes Werk eines afroamerikanischen Komponisten. Doch Ellingtons Plattenfirma RCA Victor war ebenfalls nicht bereit, Musik zu veröffentlichen, die nicht in die Schublade harmloser Unterhaltung passte. 1958 erschien die Suite bei Columbia, ergänzt durch den „23rd Psalm“, in dem Mahalia Jackson „Come Sunday“ singt, in der Hoffnung auf Veränderung und Heilung. 1961 unterstützte sie Martin Luther Kings Marsch auf Washington und eröffnete dort dessen Rede „I Have A Dream“.

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