Die großartige Karriere der afroamerikanischen Altistin Marian Anderson ist eng mit ihrem unermüdlichen Kampf gegen den Rassismus verbunden. 1991, im Alter von 94 Jahren, erhielt sie schließlich den Grammy Lifetime Achievement Award für ihr musikalisches Lebenswerk. Aber es war ein langer und steiniger Weg zu dieser späten Anerkennung...

In Philadelphia, wo sie 1897 geboren wurde, trat Marian Anderson als Kind in den Chor der Union Baptist Church ein - dank einer Tante, die schnell die Begabung ihrer sechsjährigen Nichte erkannte. Anderson verdiente ein paar Cent, wenn sie in der Liturgie als Solistin die Lieder sang. Ihre Stimme war stark, natürlich und rein, und das Kind erhielt bald den Spitznamen "Baby-Altistin". Dank ihres großen Tonumfangs, der drei Oktaven umfasst, erhielt das junge Mädchen nach dem Tod seines Vaters, der es orientierungslos und mittellos zurückließ, Gesangsunterricht. Während ihrer Teenagerjahre blieb Marian Anderson aktiv in den musikalischen Aktivitäten ihrer Kirche und engagierte sich stark im Erwachsenenchor. Schließlich gelang es den Leitern des People's Chorus und dem Pfarrer ihrer Kirche, Reverend Wesley Parks, zusammen mit anderen führenden Persönlichkeiten der schwarzen Gemeinde, die nötigen finanziellen Mittel aufzubringen, um ihr Gesangsunterricht bei der Sopranistin Mary Saunders Patterson sowie den Zugang zur South Philadelphia High School zu ermöglichen, die sie 1921 abschloss.

Nach und nach begann Marian Anderson ein Repertoire aufzuführen, das aus europäischer klassischer Musik bestand, die sie mit voller Leidenschaft interpretierte (Bach, Händel, Schubert, Schumann, Brahms), sowie African-American Spirituals umfasste, die sie während ihrer gesamten Karriere sang. Als Marian Anderson sich schließlich an der Philadelphia Music Academy einschreiben wollte, wurde ihr die Aufnahme aufgrund ihrer Hautfarbe verweigert. Die Rassendiskriminierung sollte sie lange Zeit verfolgen, bis sie schließlich zum zentralen Thema ihres Lebens wurde. Die ehrgeizige junge Frau nahm dennoch weiterhin Privatunterricht, dank der Unterstützung der schwarzen Gemeinde in ihrer Heimatstadt, die an ihr Talent glaubte. Sie gewann den ersten Preis bei einem Gesangswettbewerb der New Yorker Philharmoniker, was ihr 1925 einen Auftritt mit Orchester ermöglichte. Drei Jahre später sang sie in der New Yorker Carnegie Hall und hatte sofort großen Erfolg bei Presse und Publikum. Der Demütigung ihrer Herkunft überdrüssig, beschloss sie, nach Europa zu gehen und dort Konzerte zu geben.

In den 1930er Jahren war Marian Anderson zu einer bekannten Sängerin geworden, die in der ganzen Welt auftrat. Gleichzeitig musste sie in ihrer Heimat, in den Vereinigten Staaten, im hinteren Teil eines Busses sitzen und in getrennten Autos fahren. Es war ihr nicht erlaubt, ein Hotelzimmer auf ihren Namen buchen und sie musste durch den Dienstboteneingang gehen, wenn sie nicht von den Garderoben der prestigeträchtigen Konzertsäle, in denen sie ihr Publikum erfreut, ausgeschlossen werden wollte. Albert Einstein, der diese Diskriminierung entschieden ablehnte, lud sie zu sich nach Hause ein, wohin sie bis zum Tod des Physikers oft zurückkehrte. Im Jahr 1939, als Marian Anderson bereits einen international erfolgreichen Ruf hatte und in ganz Europa gefeiert wurde, wurde sie erneut abgewiesen, als die konservative Vereinigung Daughters of the American Revolution sie daran hinderte, die Constitution Hall in Washington zu betreten, wo sie einen Liederabend geben sollte. Der Skandal war so groß, dass es der energischen Intervention der Präsidentengattin Eleanor Roosevelt bedurfte, diesem Ereignis entgegenzuwirken, indem sie am Ostersonntag 1939 ein Gedenk-Konzert organisierte, bei dem die Repräsentantin der Sklaven vor 75.000 Menschen auf der Esplanade des Lincoln Memorials sang. Viele Jahre später erklärte auch Martin Luther King am selben Ort öffentlich, wie sehr Marian Anderson ihn in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung inspiriert hatte.

Bei ihrem Freund Jean Sibelius

Ganz anders war die Situation in Europa, wo die junge Sängerin ohne rassistische Vorurteile bejubelt wurde. Sie hatte einen großen Erfolg in der Wigmore Hall in London und Skandinavien empfing sie wie eine Königin. Der Komponist Jean Sibelius, der sie in Helsinki zum ersten Mal hörte, war fasziniert von ihrem betörenden Ton und erstaunt über ihre Fähigkeit, die nordische Seele zu durchdringen. Er lud sie sofort zu sich nach Järvenpää ein, in sein Haus mitten in der Natur. „Deine Stimme ist so kräftig, dass sie meine Decken sprengt”, sagte er hochachtungsvoll. Er verzichtete auf den traditionellen Kaffee, den er seinen Gästen anzubieten pflegte, und empfing die amerikanische Sängerin mit Champagner und sollte ihr später sogar seine Melodie Solitude widmen, die er eigens für sie orchestriert hatte. Es war der Anfang einer echten Freundschaft. Weiter auf dieser Reise lernte Anderson den finnischen Pianisten Kosti Vehanen kennen, der einer ihrer wichtigsten Begleiter werden sollte und mit dem sie die Sibelius-Lieder in finnischer und schwedischer Sprache aufnahm, darunter das wunderschöne Var det en dröm?, dessen Text ihre schöne Freundschaft zu beschreiben scheint: „War es ein Traum, dass ich einst der Freund deines Herzens war, ich erinnere mich daran wie an ein stilles Lied, dessen Melodie fortbesteht, ich erinnere mich, dass du mir eine Rose gabst, mit einem Blick, der so schüchtern und zärtlich war, ich erinnere mich an das Glitzern einer Abschiedsträne, war das alles ein Traum?“

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