Kraftwerk – einflussreichste Elektromusik-Gruppe der Geschichte – waren ihrer Zeit immer schon weit voraus. Und das betrifft sowohl die Technologie als auch die Komposition und die Performances. Die Deutschen bewiesen damit dem breiten Publikum, dass auch Maschinen Gefühle auslösen können und bereiteten dem Techno, dem New Wave und sogar dem Hip-Hop den Weg.

Um die fünfzig Jahre war die Düsseldorfer Band Kraftwerk ihrer Zeit schon voraus, als sie ihr Dasein als Arty-Instrumental-Rockgruppe aufgab und zur Mensch-Maschine wurde. Und Synthesizer, Drumcomputer und Vocoder wurden zu ihren Markenzeichen. Man denke nur an Hits wie We Are the Robots und Tour de France. Der Umbruch begann mit dem Album Ralf und Florian im Jahre 1973 und war dann 1974 mit Autobahn, dem vierten, im Kölner Studio des legendären Toningenieurs Conny Plank produzierten Album der Gruppe abgeschlossen. Letzterer hatte übrigens mit den Spitzenmusikern der damaligen Zeit, den Krautrock-Gruppen Can, Neu!, Cluster oder Harmonia zusammengearbeitet. Daraufhin erlangen die Musiker aus dem Rheinland internationalen Ruhm: in ihrem Privatstudio Kling Klang spielen Kraftwerk einen Hit nach dem anderen ein, das beginnt mit Radioaktivität, Trans-Europa Express, Die Mensch-Maschine und reicht bis hin zu Computerwelt im Jahre 1981.

Warum also fünfzig Jahre? Weil die Technologie all diese Zeit benötigte, um Kraftwerk einzuholen, die seit dem Ende der achtziger Jahre mehrmals aufgehört hatten, auf Tournee zu gehen und nur tröpfchenweise Shows zum Besten gaben, bevor sie dann im ersten Jahrzehnt der zweitausender Jahre bei weltweiten Tourneen vor einem 3D bebrillten Publikum ihr großes Comeback feierten. Bis zu diesem Zeitpunkt schienen Live-Auftritte für die perfektionistische Gruppe mit ihrem Leader Ralf Hütter eine Qual gewesen zu sein (dieser war das einzige bleibende Mitglied der den jeweiligen Bedürfnissen immer wieder angepassten Combo, während sein Partner Florian Schneider immer wieder ausstieg und der Schlagzeuger Karl Bartos am Ende der achtziger Jahre Ade sagte). „Unsere Ausrüstung entspricht endlich dem aktuellen Stand“, behauptete der Mastermind Ende 2009 nachdrücklich in den Spalten des Guardian in einem seiner seltenen Interviews. Da Hütter anspruchsvoll ist, gab es für ihn nur eine Möglichkeit, den „wahren“ Kraftwerk-Sound zu hören: das King-Klang-Studio sozusagen auf die Bühne verfrachten. In einem Gespräch mit dem angesehenen britischen Journalisten Jon Savage im Jahre 1991 spielte er bereits den Propheten. „Ich glaube, dass wir am Beginn eines neuen musikalischen Zeitalters stehen. Wir stehen mitten in einer Revolution, die teilweise schon beendet ist. Das ist der Anfang der Miniaturisierung, und bei diesem Prozess werden die Strukturen im technologischen Bereich immer kleiner, die Funktionen werden aber beibehalten. Trans-Europa-Express war noch anhand von Riesenmaschinen realisiert worden, aber dieses ganze Kleinmaterial wie tragbare Computer etwa, das wird eine immer größere Rolle spielen. Mit diesem ganzen Gewicht machen wir derzeit noch richtige Umzüge von einer Stadt in die nächste. Wir träumen davon, uns mit nur einem Koffer von einem Konzert zum nächsten zu begeben, mit nur einem Laptop, Samples und ein paar kleinem Synthesizerm.“

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