Rammstein — Metal über alles

Obwohl Rammstein erst in den 1990er-Jahren einem größeren Publikum bekannt wurden, liegen ihre Wurzeln im zweigeteilten Deutschland der 1980er-Jahre. Die Bandmitglieder waren damals auf verschiedene Underground-Punkbands verteilt, von denen die meisten in den wenigen Konzertsälen Ostberlins auftraten. Als ab 1993 das Bandprojekt Form annahm, war die Mauer gefallen und die geopolitische Lage hatte sich verändert. Das Erbe der Jahre unter dem kommunistischen Regime hatte jedoch auch bei ihnen Spuren hinterlassen. Von nun an fühlten sich die Musiker frei wie Vögel und beschlossen, ihrer künstlerischen Vision nichts mehr in die Quere kommen zu lassen. Schon bei ihren ersten Auftritten stand der Einsatz von pyrotechnischen Effekten an der Tagesordnung. Ihr Ruf auf der Bühne eilte ihnen wie ein Lauffeuer voraus. Als 1995 ihr erstes Album Herzeleid, mit dem wegen seines angeblich zur neonazistischen Ästhetik neigenden, hoch verpönten Cover, erschien, war dies der Beginn einer Karriere, die von zahlreichen Missverständnissen und skurrilen Phasen geprägt war. Aber von nichts kommt nichts …

Romantik und Medienhype

Schon bei der Veröffentlichung von Herzeleid hätten bei einigen die Alarmglocken läuten müssen. Der Titel spiegelt genau das wider, was Rammstein in ihren Songs oft betont haben: Liebesgeschichten im rein romantischen Stil, ganz im künstlerischen und historischen Sinne des Wortes (also die Strömung, die Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland entstand). Diese Art von Geschichten hat die Band im Laufe ihrer Alben immer weitergesponnen - von Seemann (1996 als Single veröffentlicht) über Ohne Dich (Single aus dem Album Reise, Reise, 2004) bis hin zu Rosenrot (aus dem gleichnamigen Album, 2005). Auch wenn der hochgradig elektrische Ansatz, der mehr als einmal durch eine beeindruckende Gitarrenfront verstärkt wird, diejenigen abschrecken mag, für die Romantik nur im Zusammenhang mit Sanftheit und Leichtigkeit stehen kann, so ist der Kern doch vorhanden und fest in den Wurzeln der Combo verankert. Wenn das Herz spricht, aber der Lärm der Maschinen auf der Bühne ertönt, dann kann man sich auf einen überraschenden Cocktail gefasst machen.

Rammstein haben sehr schnell verstanden, dass Videos für die Karriere einer Band unabdinglich sind, wenn sie ihrem Namen alle Ehre machen wollen. Zum Durchbruch in den USA verhalf ihnen das Kino. Auf dem Soundtrack des Films Lost Highway von David Lynch aus dem Jahr 1997 erschienen zwei Songs aus Herzeleid (Rammstein und Heirate Mich). Zwanzig Jahre später macht sich der Regisseur, der in seiner eigenen Serie Twin Peaks eine kleine Rolle spielt, sogar einen Spaß daraus, in einer Folge der dritten Staffel die Melodie von Engel zu pfeifen. Jedes Video der Gruppe ist eine echte Inszenierung mit wunderschönen Bildern und extra starker Wirkung. Ihre Clips wurden zu den perfekten Botschaftern der Veröffentlichung ihres Albums und schürten den Buzz - Eine erfolgreiche Wahl, die nach den Jahren der DVDs mit dem Aufkommen des Streaming noch überzeugender wurde. Zu den zahlreichen starken Bildern, die sich in den Köpfen einprägten, gehören der Clip Sonne (2001), in dem die Geschichte von Schneewittchen auf zynische Weise neu erzählt wird, der Banküberfall in Ich Will (2001), das unglaubliche Keine Lust (2005), in dem die Musiker stundenlang in der Maske sitzen, um später alle als fettleibig dazustehen, das urkomische Mein Land (2011) mit seiner schrägen Beach Boys-Attitüde und das unglaubliche Zeit (2022), bei dem ein schwebendes Bild des Todes auf besonders ästhetische Weise gefilmt wurde. Heute werden neue Musikvideos der Band oft mit mehr Ungeduld erwartet als ihre Alben.