Zu seinem 200. Wiegenfest werfen wir einen Blick auf das Leben und Werk des Komponisten Bedřich Smetana (1824-1884), der für sein sinfonische Dichtung “Vltava” (Die Moldau) berühmt ist und als musikalische Verkörperung der tschechischen Seele gilt.

Smetana ist außerhalb seines Heimatlandes hauptsächlich als Schöpfer der sinfonischen Dichtung Vltava (Die Moldau) bekannt und leidet unter dieser ausschließlichen Zuordnung, genauso wie Paul Dukas mit dem Zauberlehrling oder Camille Saint-Saëns mit seinem Karneval der Tiere. Denn wenn Smetana auch nicht übermäßig produktiv war, hinterließ er doch eindrucksvolle Werke von universeller Bedeutung. Sein 200. Geburtstag im Jahr 2024 ist bietet einen willkommenen Anlass, sich näher mit seinem Werk zu beschäftigen.

Seine Musik ist stark autobiografisch geprägt, während er sich gleichzeitig vehement und beharrlich für die Entwicklung einer spezifisch tschechischen Musik einsetzte. Seine Bemühungen wurden immer wieder von einer reaktionären Presse torpediert, die ihn mit “neudeutsch”, “Wagnerianer” und “Musiker der Zukunft” titulierte – dabei ist die letztgenannte Bezeichnung völlig widersprüchlich. Nach und nach konnte er sich jedoch durchsetzen. Er gründete in Prag eine Musikschule, die zu einem Zentrum reger Konzerttätigkeit wurde, und trat zunächst als Pianist auf, bevor er sich als Komponist einen Namen machte.

Um seine Familie zu ernähren, nahm Smetana eine Stelle als Dirigent und Pianist in Göteborg in Schweden an. Später kehrte er in sein Heimatland zurück, wo er das gleiche Amt ausübte, während er sich intensiv dem öffentlichen und politischen Leben widmete und Verleumdungen und Erniedrigungen ausgesetzt war. Im Alter von 50 Jahren zog er sich aufgrund seiner Ertaubung aus der Öffentlichkeit zurück. Er widmete sich daraufhin ausschließlich dem Komponieren und verfiel aufgrund einer Syphilis, die er sich Jahre zuvor zugezogen hatte, allmählich dem Wahnsinn. Neben Má Vlast (Mein Vaterland), dem großen Zyklus mit sechs sinfonischen Dichtungen, die seine Heimat verherrlichen und zu denen auch Die Moldau gehört, hinterließ Smetana zwei herrliche Streichquartette, ein Klaviertrio, sinfonische Stücke, Klaviermusik und vor allem sechs wunderschöne Opern.

Ein persönlicher Stil

Trotz der unvermeidbaren Einflüsse von Schumann, seinem Freund Liszt und von Wagner gelang es Smetana, sich allmählich aus der germanischen Musiksphäre zu befreien. Sein Stil wurde origineller und sogar zunehmend national und erwies sich in den Werken seiner letzten Schaffensperiode in harmonischer Hinsicht als wahrhaft innovativ. Nach seinen ersten Anfängen als Komponist, insbesondere den kurzen, von traditionellen Tänzen und Musik inspirierten Klavierwerken, versuchte sich Smetana mit Richard III. nach Shakespeare, Wallensteins Lager und Hakon Jarl, die eine Art historische Trilogie bilden, an großen Orchesterkompositionen nach dem Vorbild Franz Liszts sinfonischer Dichtungen.

Kurz vor seiner Abreise nach Schweden komponierte er als Hochzeitsgeschenk für den jungen Kaiser Franz Joseph und die fast noch jugendliche Prinzessin Elisabeth Wittelsbach (”Sissi”) die Triumphsinfonie. In diesem Werk zitierte Smetana mehrmals die (von Haydn komponierte) österreichische Kaiserhymne, wahrscheinlich in Anerkennung Franz Josephs als König von Böhmen. Sein Geschenk wurde jedoch abgelehnt und von der Zensurbehörde an ihn zurückgeschickt. Diese Demütigung traf nicht nur ihn als Komponisten, sondern die gesamte tschechische Nation. Die Sinfonie geriet in Vergessenheit. Smetana bewahrte sein ganzes Leben lang eine bittere Erinnerung an diese Episode, blieb aber seinem Werk, das heute manchmal wieder aufgeführt wird, sehr verbunden.

Die Rückkehr aus Schweden nach Prag war für Smetana nicht einfach. Aus Unterricht und Konzertgagen sowie seiner Arbeit als Chor- und Musikschulleiter bezog er nur bescheidene Einkünfte. Der tschechische Patriotismus, der in einer Zeit aufblühte, in der das Land gegen die Herrschaft der Habsburger kämpfte, entfernte ihn allmählich von seinen deutschen romantischen Vorbildern. Damals begann er mit der Arbeit an seiner ersten großen patriotischen Oper, Die Brandenburger in Böhmen, deren Libretto der vorherrschenden germanischen Ideologie tschechische Werte entgegensetzt. Nach diesem ersten Erfolg erschien bald die erste Fassung der komischen Oper Die verkaufte Braut, die ihm später zu internationalem Ruhm verhelfen sollte. Das Werk besticht bereits durch seine lebhafte Ouvertüre, die häufig aufgenommen und in Konzerten aufgeführt wird. Die Partitur ist voller Farbe und Lebensfreude und gleichzeitig eine wahre Hymne an die Nation, deren Lokalkolorit den unbedarften Hörer durchaus irritieren können. In den Arien und Ensembles dieser “Bauernmusik” kommen Smetanas übersprudelnder Erfindungsgeist und ungezügelte Fantasie zum Ausdruck.

Endlich fand er Anerkennung und wurde zum Direktor des Provisorischen Theaters ernannt, wo er einen Erfolg nach dem anderen feierte: zunächst mit der Oper Dalibor, die manchmal als “tschechischer Fidelio” bezeichnet wird und von einem legendären Helden der tschechischen Unabhängigkeit im 15. Jahrhundert handelt, dann mit Die zwei Witwen und vor allem Libuše, einer Art große Bühnenkantate, die für die Einweihung des neuen Nationaltheaters an der Moldau, komponiert wurde. Dieses heroische, feierliche Drama im Stil von Parsifal endet mit einem atemberaubenden Finale in der prächtigen, glanzvollen Stadt Prag. Smetana kehrte später mit Der Kuss, Das Geheimnis und Die Teufelsmauer mehrfach zur Gattung der komischen Oper zurück.

Die letzten Meisterwerke

Smetana blieb weiterhin Leiter des Prager Nationaltheaters und gleichzeitig dessen erster Dirigent. Diese Position behielt er bis zum verhängnisvollen Jahr 1874, in dem er ertaubte und mehrere Krankheiten entwickelte, die seine letzten Jahre verdüsterten und erschwerten. Außerdem glich sein Privatleben durch den Verlust drei seiner vier Töchter und seiner Frau aufgrund einer schweren Tuberkulose einem wahren Kreuzweg, auf dem er selbst unter zahlreichen gesundheitlichen Problemen litt und schließlich in geistige Umnachtung geriet. Die Leiden Beethoven und Schumanns, die sich in seiner Person vereinten, haben ihn völlig zerstört. Der schwerkranke Komponist wohnte bei seiner einzigen noch lebenden Tochter Žofie in Jabkenice, einer kleinen Ortschaft etwa 50 km nordöstlich von Prag. Das in der Nähe eines weitläufigen Jagdreviers gelegene große Forsthaus aus dem späten 17. Jahrhundert beherbergt heute das Bedřich-Smetana-Museum, das 2003 nach langen Bauarbeiten wiedereröffnet wurde. Dort sind sein Arbeitszimmer voller Briefe, Fotografien und Manuskripte sowie das Wohnzimmer mit den Originalmöbeln der Familie Smetana zu sehen.

In der ländlichen Ruhe des Familienguts komponierte Smetana seine großen Meisterwerke: den berühmten Zyklus mit sechs sinfonischen Dichtungen, Má Vlast (Mein Vaterland), und seine beiden Streichquartette. Völlig taub, von der Welt abgeschnitten und schwer an Syphilis erkrankt, brauchte er fünf Jahre, um die sechs Bilder zu komponieren, in denen er die Landschaften und Legenden seines geliebten Böhmens besingt. Das zweite Gedicht, Vltava (Die Moldau), erklingt jedes Jahr zur Eröffnung des berühmten Prager Frühlingsfestivals. In dieser inspirierenden Atmosphäre vertonte er seine leidvolle Autobiografie in Form von zwei großartigen Streichquartetten. Smetana hatte zwar in seiner frühen Jugend als zweiter Geiger Quartett gespielt, sich in seinen Kompositionen jedoch noch nie mit dieser anspruchsvollen Gattung auseinandergesetzt. Wir werden nie erfahren, welche intimsten Geheimnisse in diesen beiden Meisterwerken enthalten sind, aber ihr intensiver Ausdruck löst bei jedem Anhören große Ergriffenheit aus.

Der Titel des Quartetts Nr. 1 in e-Moll “Aus meinem Leben” spricht für sich. Starke und widersprüchliche Gefühle kommen hier zum Ausdruck, von der freudigen Beschwörung der Illusionen der Jugend in den ersten drei Sätzen bis hin zur Bewusstwerdung des Nationalgefühls im Finale, die jäh durch das Auftreten von Krankheit und Taubheit unterbrochen wird. Über seine zugrundeliegende programmatische Absicht hinaus erweist sich das e-Moll-Quartett laut Musikwissenschaftler Bernard Fournier “als eines der bemerkenswertesten Quartette des 19. Jahrhunderts nach Beethoven”.

Im Quartett Nr. 2 in d-Moll, das ein Jahr vor seinem Tod entstand, ergänzt Smetana seine Autobiografie und führt die Betrachtung seiner Psyche noch weiter. Er durchläuft eine Abfolge von Gefühlen, die mit der Bewusstwerdung seines körperlichen und geistigen Verfalls von Revolte bis Resignation reichen. Das Ergebnis ist ein ungewöhnliches Werk mit einem Stil und Harmonien, die eindeutig einige große Werke des 20. Jahrhunderts ankündigen. Arnold Schönberg und Hugo Wolf bewunderten dieses spröde, aber durchweg faszinierende Werk. Auch wenn es weniger häufig aufgeführt und eingespielt wird als das e-Moll-Quartett, bildet das Quartett in d-Moll dessen Gegenstück und in gewissem Maße seine Fortsetzung. Die beiden zutiefst originellen Werke zeugen von einer Freiheit, die zu ihrer Zeit ihresgleichen suchte, und stehen mit der Intensität ihrer Aussage neben Beethovens letzten Quartetten.

Während des gesamten Jahrs 2024 werden zu Ehren des 200. Geburtstags von Bedřich Smetana überall in der Tschechischen Republik Feierlichkeiten stattfinden. Im Rahmen dieser Ehrung ist auch eine Konzertreise der berühmten Tschechischen Philharmonie in den USA geplant, um den internationalen Aspekt von Smetanas Musik zu unterstreichen. Das Mährisch-Schlesische Nationaltheater in Ostrava (der drittgrößten Stadt des Landes) wird zwischen dem 2. März und dem 12. Mai den gesamten Zyklus der acht Opern Smetanas aufführen. Eine einzigartige Gelegenheit, die Werke des großen tschechischen Komponisten in ihrer Gesamtheit zu erleben.