Mit „There's A Riot Going On“ landen Sly Stone und seine Family in den aufgebrachten Siebzigerjahren in Amerika beim Funk. Willkommen in der Hölle!

Zu Beginn der 1970er Jahre zieht Sly Stone mit den Mitgliedern seiner Family nach Los Angeles. Blumen, Hasch und Friedensbewegung weichen dem Kokain, den Knarren und einem Gedankengut, das nur allzu bald in Vergessenheit gerät. Schluss mit Lächeln und Flitterkleidchen! Stress und Höllenfahrt ist angesagt! Willkommen in der Vorhölle des There’s A Riot Going On! Funk konnte sich, ebenso wenig wie das damalige entertainment, ohne den immer mehr zunehmenden Drogenkonsum aller Art nicht weiterentwickeln. Ein Meisterwerk wie There’s A Riot Going On ist ein perfektes Beispiel für eine schmerzhafte Geburt. Im Frühjahr des Jahres 1970 quartiert sich Sly Stone also in dem riesigen Haus von Coldwater Canyon in L.A. ein und in der Vine Street findet er Büroräume für seine Stone Flower Production. Für monatlich 12.000 Dollar mietet er bei John Phillips von The Mama’s & The Papa’s eine Riesenvilla in der Bel Air Road 783. Massenhaft Koks, reihenweise Konzertabsagen und das Plattenlabel Epic wird ungeduldig, denn es wartet auf die unwahrscheinlichen Aufnahmen für eine neue Platte.

Inzwischen versandet der Prophet Sly nach und nach. Gerüchte machen sich breit, dass seine Stimmbänder gerissen sind. Er soll sich angeblich völlig in seine neue Villa zurückgezogen haben, wo er allein endlose Basslinien spielt. Immer öfter kommt Larry Graham ins Gespräch, der sich übrigens nicht nach Bel Air begeben hat und stattdessen lieber in der Vorstadt von San Francisco, in Oakland geblieben ist. Und dann versinkt Sly Stone in lauter schlechten Plänen, im billigem Krempel und taumelt und stolpert über die unzähligen Flaschen, die auf dem Boden in seinem Bunker in Bel Air Road herumliegen. Eines Abends kommt plötzlich Philipps an, um die rückständigen Mieten einzukassieren, und zwar nicht allein, sondern von einer Truppe bis an die Zähne bewaffneter Chicanos und einer bleckenden Hundemeute begleitet! Der immer mehr an Paranoia leidende Sly trennt sich inzwischen nicht mehr von einer zwielichtigen Figur, einem gewissen Hamp ‘’Bubba“ Banks, einem zur Leibwache ernannten, ehemaligen Sträfling.

There’s A Riot Going On wird auf einer 16-spurigen Konsole im ersten Stock des Hauses eingespielt. Die Musiker lösen einander ab. Die (von Bubba auserkorenen) Groupies auch. Sly isoliert sich. Die Family ist keine Family mehr, auch wenn sie noch so heißt. Ihr Leader schiebt zuerst Larry ab, seinen Starbassgitarristen mit der charmanten Baritonstimme. Dieser spielt später übrigens alle seine Parts aus dem Riot im Overdub, ohne mit den restlichen Bandmitgliedern zusammen in Bel Air zu sein. Schlimmer noch, Sly löscht Aufnahmen, bestimmte Parts von Larry, und spielt sie selbst auf der Bassgitarre wie bei You Caught Me Smilin’! Dem Drummer Greg Errico ereilt dasselbe Schicksal: Sly kontrolliert höchstpersönlich die Drum Machine Rhythm King bei Family Affair. Kurz gesagt, Errico ist dann der Erste, der das Boot verlässt. Der wahnsinnige Riot ist eigentlich der Soundtrack eines zweifelnden Sly. Ein anscheinend sehr minimalistischer Sly, der sich von Overdubs ernährt.

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