Sie haben keinen besonders guten Ruf. Oft werden sie unter Musikkritikern verpönt und doch werden sie von aller Welt gehört. Diese besondere Spezies der Weihnachtsalben sprießt jedes Jahr von den bekanntesten und renommiertesten Künstlern und Künstlerinnen aus dem Boden. Hier ist eine Auswahl an Alben, die wir mit größter Sorgfalt für Sie auserlesen haben und die Ihnen die Weihnachtszeit in diesem Jahr ganz besonders schön machen soll...

Auch wenn diese Tradition noch relativ jung ist, gehört Nils Landgrens Christmas with my Friends für Freunde des Jazz seit mehr als 15 Jahren heute zu jeder gelungenen Vorweihnachtszeit. Im Jahr 2006 erfüllte sich der schwedische Posaunist mit dem ersten Volume einen Traum, indem er Musikerkollegen und -kolleginnen zu einem Weihnachtskonzert einlud, um Klassiker, die mehr von Freude und Heiterkeit denn von schwermütiger Melancholie geprägt sind, zum besten zu geben und Weihnachten musikalisch so abzubilden, wie er es als Kind empfunden hatte. Das dargebotene Repertoire der nunmehr acht Volumes reicht von Liedern aus dem mittelalterlichen Europa bis hin zu modernen Weihnachtsliedern der amerikanischen Tradition und fängt den Zauber von Weihnachten und seinen Bräuchen ein. Die neueste Ausgabe Christmas with my Friends VII ist im Oktober 2020 erschienen und präsentiert Nils Landgren unter anderem im Zusammenspiel mit Ida Sand, Jonas Knutsson oder Sharon Dyall. Als passenden Einstieg für ein Weihnachtsfest, das in diesem Jahr vermutlich anders ausfallen wird als gewohnt, beginnt das Album mit dem Song This Christmas, in dem uns in gospelartiger Manier mit Zeilen wie “This Christmas gonna hold a consolation, raising hope for every coming generation, this Christmas is gonna mean a brighter day for all.” (deutsch: “Dieses Weihnachten wird ein Trost sein und Hoffnung für jede kommende Generation bringen, dieses Weihnachten wird einen helleren Tag für alle bedeuten.”) Mut zugesprochen wird.

The Christmas Collection: The Best Of Stevie Wonder

Wer könnte weihnachtliche Atmosphäre mit seiner Stimme besser verbreiten, als DIE Stimme Motowns, alias Mann mit der Mundharmonika? Stevie Wonders allererstes Weihnachtsalbum Someday at Christmas floppte allerdings direkt nach seiner Veröffentlichung 1967. Der gleichnamige Song, der auch hier The Christmas Collection eröffnet, wurde von den beiden Motown Songwritern Ron Miller und Bryan Wells geschrieben (die auch A Place in the Sun und Yester-Me, Yester-You, Yesterday komponierten). Damit war der Kitsch schon vorprogrammiert, mag man denken. 1967 war allerdings ein Jahr, das mit Kitsch nun wirklich nichts am Hut hatte, denn der Vietnamkrieg machte der weihnachtlichen Stimmung einen erheblichen Strich durch die Rechnung, was auch Motown mit den Friede-Freude-Eierkuchen-Produktionen nicht kalt lassen konnte. “Someday at Christmas men won't be boys/Playing with bombs like kids play with toys/One warm December our hearts will see/A world where men are free… Someday at Christmas there'll be no wars/When we have learned what Christmas is for/When we have found what life's really worth/There'll be peace on earth…” Mit diesen Worten stellte Stevie Wonder als einer der ersten Künstler einen Weihnachts-Song in einen politischen Kontext, so wie es später 1971 nur noch John Lennon in Happy Xmas (War Is Over) tat. Natürlich fehlen auf diesem Album auch die zu erwartenden Klassiker nicht, die seit 1967 auf dieser Collection von 2013 mit zwei Bonus-Tracks (The Miracle of Christmas und Everyone’s a Kid at Christmas) bereichert wurde. Ein Album, das unverkennbar aus dem Hause Motown stammt und die Klassiker in ihrer souligsten und schillerndsten Verpackung präsentiert. Einer der größten Hits, der wohl zum erfolgreichsten Weihnachtssong des Albums gekürt werden könnte, ist What Christmas Means to Me, mit dem Sie so richtig schön zum Weihnachtsessen grooven können.

It's a Holiday Soul Party - Sharon Jones & The Dap-Kings

Wenn Sie auf der Suche nach dem coolsten Weihnachtsalbum aller Zeiten sind, dann haben Sie es hiermit gefunden. Grooviger und funkiger als Stevie Wonders Version eines Albums zu den Feiertagen, lädt uns die Queen von Daptone Records mit ihren Dap-Kings zur Weihnachtsparty ein. Und was für eine Sause sie da auf It's a Holiday Soul Party schmeißt! Schon der Opener, 8 Days (Of Hannukah) ist ein eher selten interpretierter Song, bei dem man sofort weiß, womit man es hier zu tun hat. Selbst die klassischsten Klassiker sind hier so arrangiert, dass man kaum bemerkt, dass es sich um einen Weihnachtssong handelt, denn die Weihnachtselemente sind hier wunderbar geschickt verpackt (wie etwa das Saxophon-Solo, das ein sehr kurzes Jinglebells in Ain’t No Chimneys in the Project anstimmt). Auch das sonst so schnulzig interpretierte White Christmas, das bei Bing Crosby wie von Zuckerguss überzogen ist, ist hier nahezu aggressiv energiegeladen, wo man hinterher schweißgebadet wie nach einem James Brown Konzert erst einmal wieder zur Ruhe kommen muss. Und auch den allzu bekannten Song des Little Drummer Boy haben die Daptone-Stars in ein Funk-Kostüm gesteckt.

It's a Holiday Soul Party ist ein wahres Kontrastprogramm zu jeglichen Alben, die auf dem Weihnachts(musik)markt zu finden sind. Wir mögen sogar behaupten, es sei das einzige Album, bei dem der Einsatz von Glöckchen so dezent gehalten ist. Es ist kein Weihnachtsalbum, um ein Weihnachtsalbum zu veröffentlichen. Es ist mit derselben Hingabe produziert, wie auch jedes andere Album von Sharon Jones und ihren Kings. Auch wenn Jones mit ihrer dunklen Soulstimme natürlich die Zügel dieses Schlittens in der Hand hält, sind es doch vor allem die Bläser, die einen umhauen. Sollten Sie nur einen Song dieses Albums hören wollen, dann bitte God Rest Ye Merry Gents!

White Christmas - Bing Crosby

Ein Rundgang durch die Welt der Weihnachtsalben kann nur vollständig sein, wenn man einen Halt bei den Croonern macht. Wie etwa bei Bing Crosby. Als Irving Berlin (derselbe, der mehr als 1000 Songs für die Jazz-, Film- und Musicalwelt geschrieben hatte, wie etwa das von Ella Fitzgerald und Louis Armstrong interpretierte Cheek to Cheek) White Christmas komponierte, konnte er sicherlich nicht erahnen, dass dieser Song mit 50 Millionen verkauften Platten die meistverkaufte Single aller Zeiten werden sollte. Und das obwohl Berlin nicht einmal Noten lesen konnte! Nachdem er den Song kürzte und Bing Crosby vorstellte, präsentierte dieser ihn erstmals am 25. Dezember 1941 der NBC-Radioshow. Der Song war ursprünglich für den Soundtrack des Films The Holiday Inn mit Bing Crosby gedacht und wurde schließlich 1943 als bester Filmsong mit einem Oscar gekürt! Nicht umsonst vergab Decca den Titel White Christmas für das vorliegende Album. Bing Crosbys Interpretation von Silent Night ist wohl die rührseligste und traurigste, die man neben seinen Kollegen wie Frank Sinatra, Nat King Cole oder Dean Martin finden kann, während Jingle Bells wohl zu den süßesten Interpretationen zählt, zu denen er glatt die Andrew Sisters eingeladen hatte, was ihm den nötigen Swing verlieh. Sicherlich ist der Stil der Crooner ein wenig seicht, doch sie eröffneten den Weg für viele heute zu unvergesslichen Klassikern gewordenen Songs, die gelegentlich zu Unrecht in einigen Radios der Supermärkte verkommen zu scheinen. Mögen Songs wie I’ll Be Home for Christmas mit üppigen Streichern schwermütig klingen und Santa Claus Is Coming To Town mit dem Einsatz der Andrew Sisters ein komplettes Gegenprogramm liefern, so vereint dies doch alles, was diese fröhlich-sentimentale Zeit mit sich bringt. Ist es vor dem Hintergrund unserer aktuellen Gefühlslage nicht unglaublich ermutigend, ein Album zu hören, das vor mehr als 70 Jahren entstand und all diese Gefühle generiert, die auch wir in uns vergraben haben...?

The First Noël (Genuin)

Diese 2017 bei Genuin erschienene Kompilation ist die erste dieser Art, die das Label veröffentlichte. Eine Sammlung, die so wunderbar zusammengestellt ist, dass man sie den ganzen Winter über hören kann und die mit ihrer Vielfältigkeit glänzt. Zu traditionellen Stücken der Weihnachtszeit aus den verschiedensten Ländern und Kompositionen, die wunderbar in die stille Winterzeit passen, tummeln sich hier der MDR Rundfunkchor, das Flötenensemble Quintessenz, die Sächsiche Bläserphilharmonie, der Oboist Ramon Ortega Quero, das Hornensemble German Hornsound

Der MDR Rundfunkchor nimmt uns mit Gustaf Nordqists Jul, jul, stralande jul (zu deutsch: “Weihnacht, Weihnacht, strahlende Weihnacht”) auf die Reise in das verschneite Schweden. Einen schönen Kontrast bietet dazu das Siciliano aus dem Oboenkonzert von Telemann mit Ramon Ortega Quero, dessen zartes Oboenspiel wie ein Ohrenwärmer wirkt. Schön ist hier auch die Idee, den Dezember aus Tschaikowskys Klavierzyklus Die Jahreszeiten op. 37b aufzunehmen, die der Komponist im Auftrag Nikolai Bernhards, der als Herausgeber der Petersburger Musikzeitschrift 1875 jeden Monat eine neue Klavierkomposition veröffentlichen wollte, komponierte. Die hier vorliegende Version wurde von Gudrun Hinze für Flötenensemble arrangiert und bringt diesen “Monat” in ganzer Fülle klingend zum Tanzen, was die originiale Klavierversion beinahe in den Schatten stellt. Das Abendlied aus Schumanns 12 Klavierstücke für kleine und große Kinder Op. 85 ist hier ebenfalls von Schumann (nur nicht Robert, sondern Mark!) für Klavier und Cello arrangiert. Das Cello bringt eine für die Winterzeit unausweichliche Sentimentalität in dieses Abendlied ein, während das Klavier in eine begleitende Rolle rutscht. Auch Bachs Choral aus der Matthäus Passion, Oh Haupt voll Blut und Wunden, erklingt hier nicht etwa vom Rundfunkchor gesungen, sondern erstrahlt durch helle Bläser und Orgel. Die Idee des Abends wird erneut mit Humperdincks Hänsel und Gretels Abendsegen aufgegriffen, bei dem die Bläser des German Hornsound Ensembles eine so ruhige und wohltuende abendliche Stimmung erzeugen, dass es wie Balsam wirkt. Doch neben der besinnlichen und winterlichen Stimmung dürfen auch kleine Überraschungen in dieser Zeit nicht fehlen, die Sie hier in Tycha nich des ukrainischen Komponisten Walentyn Sylwestrow finden können. Mit einem feierlichen The First Nowell stimmt uns der Rundfunkchor ganz A capella in die Feiertage ein und bildet den krönenden Abschluss dieses so wohltuenden Albums.

Bach: Weihnachtsoratorium, BWV 248 - Gaechinger Cantore

Schon wieder eine neue Einspielung des Weihnachtsoratoriums, werden manche sagen und sie haben Recht, die Diskografie dieses Werkes gehört zu den umfangreichsten überhaupt. Dagegen lässt sich sagen, dass dieses Oratorium ein „Jahreszeiten-Werk“ ist, das man jedes Jahr in der Weihnachtszeit wieder neu entdecken kann – strenge Oratorienfans, auch solche, die überhaupt nicht religiös sind, hören dieses Werk nur in der Weihnachtszeit. Warum sollte man daher, anstatt Jahr für Jahr dieselbe Aufnahme, sich nicht jedes Mal eine andere Version vornehmen wie etwa diese Einspielung von 2017? So sieht es jedenfalls der berühmte Chorleiter Hans-Christoph Rademann, Leiter der Gaechinger Kantorei in Stuttgart, die 1954 von Helmut Rilling gegründet wurde, unter dessen Leitung eine wunderbare Gesamtausgabe der Kantaten und Oratorien des Kantors für Haenssler Classics realisiert wurde. Rilling wurde 2013 von Rademann abgelöst. Die Gaechinger sind zu einem Vokalensemble von internationalem Niveau geworden, das durch ein hochkarätiges professionelles Orchester, das Ensemble der Bachakademie, verstärkt wird. Das Weihnachtsoratorium besteht bekanntlich aus sechs Kantaten, die eigentlich getrennt aufgeführt werden sollten: die drei ersten während der drei Weihnachtstage, eine für Neujahr, eine für den ersten Sonntag des Jahres sowie eine für Heilige Drei Könige am 6. Januar. Bach hat, wie so oft, in diesem Werk ältere Kantaten wiederverwendet, was jedoch keineswegs als Faulheit zu betrachten ist. Im Gegenteil, er wollte dadurch Werke in den Vordergrund rücken, auf die er zu Recht stolz war, und die aufgrund ihrer seltenen Verwendung in jener Zeit sonst in Vergessenheit geraten wären. Für das Oratorium ist in dieser Hinsicht allerdings nichts zu befürchten! Hier liegt uns jedenfalls eine schöne Interpretation vor, zwar „barock“ aber nicht dogmatisch, mit echten Opernstimmen und einem wunderbaren Chor-Orchester-Ensemble.

Ella Wishes You A Swinging Christmas - Ella Fitzgerald

Eine der schönsten und wärmsten Stimmen der Jazzgeschichte, wenn nicht sogar der Musikgeschichte, darf ganz besonders zu Weihnachten nicht fehlen. Einige mögen die amerikanischen Klassiker, die für Ella Wishes You A Swinging Christmas ausgewählt wurden, für puren Kitsch halten, andere werden sich zu Tränen gerührt davon in den Bann ziehen lassen. Die Aufnahmen fanden im Juli und August 1960 statt und für die Arrangements wurde der mehrfach Oscar nominierte Frank De Vol angeheuert, der bereits Filmmusiken für Klassiker der Doris Day-Filme komponierte und diesen leichten Touch auch in die Arrangements dieser Platte einbrachte. Denn es sind genau diese Arrangements, die das perfekte Pendant zu Ellas sentimentaler Stimme bilden, wie etwa in Good Morning Blues und die ein Jingle Bells so locker leicht machen, dass man einfach nur dazu swingen möchte. Auch das ansonsten so schwerfällig interpretierte Have yourself a merry little christmas von Hugh Martin und Ralph Blane (denken Sie bitte an Judy Garland!) wird hier mit dem Bläserintro so aufgelockert, dass man damit problemlos auch Weihnachten alleine zuhause verbringen könnte, ohne dabei in Depressionen zu verfallen. Auch das berühmte Sleigh Ride, das die meisten wohl von Leroy Anderson & His Pops Concerts Orchestra im Ohr haben, ist hier im Tempo etwas heruntergefahren, erklingt aber im schönsten Big-Band Sound, ohne es beschwerlich wirken zu lassen.

The Secret Of Christmas, das von Jimmy Van Heusen und Sammy Cahn 1959 komponiert wurde, hatte Ella Fitzgerald zunächst mit dem Russell Garcia Orchestra aufgenommen und als B-Side einer Single von 1959 veröffentlicht. The Secret Of Christmas wurde später für die vorliegende Reedition von 2002 als Bonustrack hinzugefügt. Auch für den Silvesterabend ist hier bereits vorgesorgt. Frank Loessers What Are You Doing New Year's Eve ist vielleicht die schönste Interpretation des gesamten Albums, bei dem Ella so gefühlvoll über das sachte Orchester hinweg singt, dass es sofort warm ums Herz wird. Es ist und bleibt - Kitsch hin oder her - ein fabelhaftes Jazzalbum! Denn nichtsdestotrotz steckt kein anderer als Norman Granz hinter der Produktion, der für Ellas Karriere und das Label Verve eine entscheidende Rolle spielte und auch zu dieser sentimentalen Zeit keinesfalls daneben lag!

Hark! - Andrew Bird

Andrew Bird, alias "Der Mann der schönen Melodien", hat sich in diesem Jahr zum Trödler begeben, um uns etwas zu bescheren, das aus dem letzten Jahr stammt und das er uns zum Fest aufgehübscht hat. Seine EP Hark! hatte er bereits 2019 veröffentlicht, und erweitert sie 2020 nun unter demselben Titel um sieben weitere Songs. Bereits die ersten sechs Titel, die er für sein Weihnachtsgeschenk an uns ausgesucht hatte, sind wie eine Auswahl der besten Plätzchen aus Omas Rezeptbuch. Sein erster Song Alabaster ist definitiv mit viel Andrew Bird gewürzt und leitet uns mit einem Gedanken an das Licht in die besinnliche Stimmung ein. Beim zweiten Song Skating wird es mit dem Einsatz des Schlagzeugs ungewöhnlicherweise etwas jazziger und bleibt bei allem durch die Geige und die leichte Melodie festlich. Wie bei einer Fiddle aus vergangenen Zeiten gleitet Bird auf den Saiten seiner Geige dahin und lässt uns bereits ans festlich geschmückte Wohnzimmer denken. Mit Christmas is Coming hören wir schon, dass Weihnachten nicht mehr weit ist und Bird pfeift so schön wie bereits auf seinem fabelhaften Album My Finest Work Yet (Sisyphus) zu einem anfänglichen Jazz, der sich schließlich zum Gypsy entwickelt hat. Mit einem sachten White Christmas und Oh Holy Night bringt er doch auch etwas Traditionelles ein. Mit den neu hinzugefügten Songs rückt er seine Geige noch mehr in den Vordergrund, wie etwa in Franz Schuberts Chor Mille Cherubini In Coro (vielleicht die pfiffigste Interpretation, die es je gegeben hat). Im traurigen Greenwine glänzt er besonders mit seiner Stimme während Andalucia ganz zärtlich von Alan Hamptons Background untermalt wird. Das Weihnachten vor allem eine Herzensangelegenheit ist, beweist er in Christmas in April in dem er uns in vollstem Blues Frohe Weihnachten wünscht. Mit der fröhlichsten Version des stets allzu schwermütigen Auld Lang Syn der Geschichte, verabschiedet sich Bird für dieses Jahr von uns. Und wir sind im siebten Himmel...

Songs for Christmas - Sufjan Stevens

Wer Weihnachtsmusik abseits von Kitsch und Klischees sucht, der wird bei Sufjan Stevens fündig. In dem 2006 veröffentlichten Boxset Songs for Christmas werden 5 EPs des aus Detroit stammenden Singer/Songwriters zusammengefasst, die in den Vorjahren veröffentlicht wurden und sich mit dem Thema Weihnachten befassen. Allen Songs, ob Eigenkomposition oder Interpretation eines Weihnachtsklassikers, ist dabei nicht nur das Thema gemein, sondern auch die musikalische Umsetzung, die im Gegensatz zu vielen anderen Weichnachstalben eben nicht von üppigen Produktionen getragen wird. Die Songs wirken handgemacht, unkonventionell und persönlich - ganz so, wie das Cover, von dem man annehmen könnte, es stamme aus der Hand eines Kindes - und so verwundert es wenig, wenn man erfährt, dass Stevens die Weihnachtslieder über die Jahre hinweg als Geschenke für Freunde und Familie aufgenommen hat. Bei den kindlich anmutenden Xylophon-Interpretation des Klassikers Angels We Have Heard on High, der beinahe nach sommerlicher Strandatmosphäre klingenden Banjo-Einspielung von Silent Night und der schwungvollen, auf dem Klavier eingespielten Version von Jingle Bells hat man das Gefühl, man sitzt im Kreise seiner Lieben und Onkel Sufjan mach ein bisschen Musik dazu. Unter den insgesamt 42 Titeln findet man aber auch weitaus ausgefeiltere Interpretationen, teils von Stevens allein, teils im Duett oder Chor gesungen, wie Joy to the World oder Little Drummer Boy und auch Originalkompositionen wie Sister Winter oder Star of Wonder. Bei der Entwicklung über die EPs hinweg, die sich von den reinen Folk-Anfängen zu komplexeren Arrangements erstreckt, ist Sufjan Stevens seinem Klangwelten sowie seinem unverkennbaren Sound und Optimismus treu geblieben und sogar bei Songs wie That was the Worst Christmas Ever kommt man um ein Schmunzeln nicht herum.

The Molly Burch Christmas Album - Molly Burch

Molly Burch beschert uns 2019 auf ihrem so passend betitelten The Molly Burch Christmas Album moderne Indie-Folk-Versionen von Weihnachtsklassikern sowie zwei Originalsongs. Die Singer/Songwriterin aus Texas interpretiert die Lieder mit ihrer zuckersüßen Stimme so herzerwärmend und inbrünstig und damit ganz im Sinne ihrer Vorbilder Ella Fitzgerald oder Billie Holiday, wobei die tiefe Melancholie und Hingabe durch eine Spur Leichtigkeit und Spielerei aufgefrischt wird. Songs, derer man vielleicht über die Jahre hinweg überdrüssig geworden ist, verpasst Molly Burch einen vollkommen neuen Anstrich und so wird Wham!s Last Christmas zur Rahmenmusik einer satirehaften Unterhaltung zwischen den US-amerikanischen Komikern John Early und Kate Berlant und Have Yourself a Merry Little Christmas wirkt durch den Kinderchor auf einmal gar nicht mehr so abgedroschen. Das Duett The Coldest Night of the Year mit dem Musiker Jesse Wood bietet eine angenehme Abwechslung zu dem allzu oft interpretierten Baby It’s Cold Outside und zeigt uns Molly Burch ebenso wie ihre eigenen Kompositionen Holiday Dreaming und New Year Love in typisch verträumter und verführerischer Haltung. Alles in allem sind die Glöckchen und Schellen über das Album hinweg eher dezent eingesetzt und wenn man nicht so genau auf die Liedzeilen hört, kann man sich beinahe das ganze Jahr an diesem Album erfreuen.

A Very She & Him Christmas - She & Him

She, alias die Schauspielerin Zooey Deschanel, und Him, Singer/Songwriter M. Ward, präsentieren uns auf dem 2011 erschienenen A Very She & Him Christmas die moderne Version von Christmas-Crooning. Dem amerikanischen Indie-Folk-Rock-Duo, das zuvor bereits zwei Alben heraubrachte, gelingt mit diesen zwölf Weihnachtsklassikern, die größtenteils - und ach so inbrünstig und zuckersüß - von “ihr” gesungen werden, eine interessante Mischung aus Tradition und unbeschwerter Jugend. Beide Musiker, die weder auf eine professionelle Musikausbildung zurückblicken, noch perfekte Gesangsstimmen haben, behalten die klassischen Arrangements der von ihnen gecoverten Songs von Elvis Presley, Frank Sinatra, Brenda Lee oder The Beach Boys bei und peppen sie mit Ukulele und in einem Country-R&B-Gewand mit fröhlich gezwitscherten Gesängen neu auf. Statt kabarettistischer Strenge und hochglanzpolierter Interpretation in Rat-Pack-Manier erfrischen She & Him mit musikalischer Unschuld und Spontaneität. Ohne zu sehr den religiösen Hintergrund zu betonen, steht die Stimmung dennoch ganz im Zeichen der Heiterkeit, Wunder und des weihnachtlichen Zaubers. Das 2016 erschienene Christmas Party setzt diese musikalische Reise im selben Stil fort und bietet, anders als der Name vermuten lässt, ebenfalls eher den Soundtrack zu einer seichten Einstimmung auf den Weihnachtsabend denn einer ausgelassenen Feier. Selbst wer Weihnachten nicht viel abgewinnen kann, wird dem Charme dieses Albums und der klaren Stimme seiner Sängerin kaum widerstehen können und es als das zu schätzen wissen, was es ist: ein Album von schlichter Schönheit!

The Beach Boys' Christmas Album - Beach Boys

Auch wenn für unser Empfinden Sonne- und Strandatmosphäre einem Weihnachtszauber vielleicht widersprechen mögen, zählt das 1964 von den Kalifornier Beach Boys erschienene The Beach Boys' Christmas Album zu einem Klassiker, um den man nicht herumkommt. Die Mischung aus fünf Rock-Songs, die aus der Feder Brian Wilsons stammen, und sieben traditionellen Weihnachtsliedern, für die ein 40-köpfiges Orchester als musikalische Untermalung des Gesangs der Beach Boys eingesetzt wurde, wurde als ihr siebtes Studioalbum bei Capitol Records veröffentlicht. Die insgesamt zwölf Songs kommen im typischen Beach Boys-Sound mit eingängigen Rock’n’Roll-Melodien und vierstimmigem Chorsatz daher und passen trotz des sonst eher sommerlichen Backgrounds der Jungs aus Hawthorne, denen wir Songs wie Surfin’ USA, California Girls oder Good Vibrations verdanken, mit ihrem Hang zum Kitsch und ihrer durch und durch amerikanischen Art perfekt zu Weihnachten. Die Beach Boys verstellen sich nicht und wirken auf diesem siebten Studioalbum, für das sie ihre Musik kurz in einen Bottich voll Weihnachtselixier getränkt haben, vollkommen authentisch. Wer statt nach jahresendzeitlicher Melancholie eher auf der Suche nach Feelgood-Weihnachten ist, der hat mit The Beach Boys’ Christmas Album den perfekten Soundtrack gefunden. Die für 1978 geplante Fortsetzung dieses Abenteuers Merry Christmas from the Beach Boys wurde bedauerlicherweise vom Label Warner Bros. abgelehnt und somit nie veröffentlicht. (Einige Kompositionen sollten sich zwar später auf dem M.I.U Album wiederfinden, jedoch wurden die Songtexte nicht-weihnachtlichen Themen angepasst.)

If On A Winter's Night… - Sting

Wenn man an musikalische Klassiker der Weihnachtszeit denkt, dann fallen einem wohl zuerst typisch amerikanische Hits wie Jingle Bells oder Have Yourself a Merry Little Christmas ein. Sting präsentiert auf seinem 2009 erschienenen Album If On A Winter’s Night... die britische Tradition der Jahresendzeit. Die 15 Songs - eine Mischung aus überlieferten Gesängen, jahrhundertealten sowie zeitgenössischen Kompositionen von Musikerkollegen und -kolleginnen und Eigenkreationen - handeln nicht nur von Weihnachten selbst, sondern widmen sich dem keltischen Winter insgesamt. Mit Arrangements aus Dudelsack, Harfe und Fidel nimmt Sting uns mit auf eine Reise in seine Heimat. Bilder von Schneelandschaften tauchen vor unserem geistigen Auge auf und wir sehen uns förmlich inmitten von Menschen, die zu der Musik von Sting um ein Lagerfeuer herum tanzen. Wie eine Wolldecke oder ein rauchiger Whiskey spenden Stings wohlige Stimme und sein ruhiger Gesang Wärme und zahlreiche namhafte Musiker wie Geiger Daniel Hope (Hurdy Gurdy Man), Trompeter Ibrahim Maalouf (Gabriel’s Message), Jack DeJohnette (The Burning Babe) und natürlich Gitarrist Dominic Miller, der auf vielen Stücken vertreten ist, machen die musikalische Untermalung dieses englischen Wintertraums perfekt. Es ist wohl vor allem diese interessante Mischung aus Altem und Neuem, die If On A Winter’s Night… so besonders macht, wie zum Beispiel im Song Soul Cake, in dem sich unverkennbar die Melodie von God Rest You Merry, Gentlemen in die Komposition von Paul Stookey (von Peter, Paul und Mary) mischt.

Happy X-mas - Eric Clapton

Könnten wir eine Zeitreise unternehmen und dem 19-jährigen Eric Clapton, der gerade die Yardbirds verlassen hat, weil er For Your Love zu poppig fand, erklären, dass er eines Tages ein Weihnachtsalbum aufnehmen würde, so würde er es keine Sekunde glauben und drohen, uns mit der Gitarre zu erschlagen. Sicher, im Jahr 2018 und mit 73 Jahren ist Clapton ein ganz anderer. Er hat viele Schicksalsschläge überwunden, wirkt gelassener und zufrieden und kann endlich die Freuden eines friedlichen Familienlebens genießen. Das heißt, auch Weihnachten am Kamin. Selbstverständlich hat Clapton wie kaum ein anderer das Recht, seine Version der Klassiker White Christmas, Silent Night oder Away In A Manger (Once In Royal David’s City) zum Besten zu geben und auch seltenere Titel zu präsentieren wie Sentimental Moments (1955 durch Joan Bennett verewigt), Lonesome Christmas (von Lowell Fulson und später von B.B. King oder Joe Bonamassa neu aufgenommen) oder das von Judy Garland oder Frank Sinatra interpretierte Have Yourself A Merry Little Christmas. Letzteres war auch auf dem Weihnachtsalbum der Jackson 5 zu hören (als der kleine Michael 12 Jahre alt war) und wurde daneben unter anderem von Chrissie Hynde mit den Pretenders gesungen... Eric Clapton hat sogar sein eigenes Weihnachtslied komponiert, For Love On Christmas Day, das in seinem besonderen Stil keineswegs lächerlich klingt. Es passt gut zu Tannenbaum und Girlanden, zumal es natürlich mit einer guten Dosis Blues vom Feinsten „claptonisiert“ wurde. Die einzige Ausnahme, die viele überraschen wird, bleibt die EDM-Version von Jingle Bells, die der Musiker dem schwedischen DJ Avicii gewidmet hat. Dessen Tod hat ihn aufgrund der Parallelen zu seinen eigenen jungen, selbstzerstörerischen Jahren sehr berührt. Ein zusätzliches Geschenk: der lustige Weihnachtsmann auf dem Cover stammt ebenfalls von Clapton (Selbstportrait?).

Christmas Songs - Diana Krall

Natürlich konnte die amtierende Königin des Great American Songbook es sich nicht nehmen lassen, sich im Laufe ihrer Karriere auch einmal dem Kapitel der Weihnachtsklassiker zu widmen. 2005, als die Karriere der kanadischen Jazzsängerin bereits mehr als zehn Jahre andauerte, veröffentlichte Diana Krall Christmas Songs, das zwölf der wohl bekanntesten amerikanischen Weihachtshits in jazzigem Gewand präsentiert. Ohne viel Überraschung und Variation, liefert Diana Krall zuverlässig genau das ab, was man von ihr kennt und von einem typischen Weihnachtsalbum erwartet. Wer auf der Suche nach der perfekten und sanften Begleitmusik für den Weihachtsabend ist, und sich nicht von zu viel Innovation von seinen Traditionen abbringen lassen möchte, der wird an dieser Stelle fündig. Diana Kralls tiefe und unaufgeregte Stimme lullt uns perfekt ein und das Zusammenspiel mit dem Clayton–Hamilton Jazz Orchestra rundet dieses vollkommene Jazz-Weihnachtserlebnis ab.