Dieser Mann ist ein Phänomen. Und für viele auch ein Phantom. Der Geiger Thomas Albertus Irnberger bringt in einer abenteuerlichen Frequenz CDs auf den Markt. Durchdachte Projekte, exzellent gespielt. Aber live ist er zumindest hierzulande selten zu erleben…

„Der denkende Virtuose“ - so war das erste Porträt im FONO FORUM 12/2010 überschrieben. Autor Torben Schmidt war sichtlich beeindruckt vom damals 25-jährigen Salzburger Thomas Albertus Irnberger, der bereits zwölf CDs aufgenommen und sich eine beachtliche Sammlung alter Tasteninstrumente aufgebaut hatte. In Porträts anderer Zeitschriften war vom Erbe einer Großmutter die Rede, das er in einem Aufnahmestudio, seiner Instrumentensammlung und in alten Porsches angelegt habe. Acht Jahre später empfängt mich der inzwischen 33-Jährige am Tor seines Grundstücks am Stadtrand von Salzburg in Puschen und T-Shirt. „Am besten gehen wir gleich ins Studio“, sagt er und geleitet mich am Haus vorbei - einem zehn Jahre alten Neubau, vor dem ein alter Maserati und ein Mercedes stehen - zum Seiteneingang und hinein in einen modernen Saal mit Stuck an der Decke – „dem Biedermeier nachempfunden“, sagt er später. Und gibt mir erst einmal eine Führung durch seine Sammlung historischer Tasteninstrumente. Mit echter Begeisterung und Kennerschaft erklärt er mir die technischen Finessen, weist auf die handwerklichen Schönheiten hin und spielt die Flügel auch alle an; schwärmt vom singenden Ton des Schweighofers von 1846, vom kuriosen Staubboden im Conrad-Graf-Flügel, erklärt mir die vielen Pedale des Johann-Balley-Flügels und meint, wenn man diesen Broadwood von 1816 kenne, verstünde man vieles in Beethovens Werken besser. Sein ganzer Stolz aber ist seine neueste Errungenschaft: ein Sebastian Érard aus den 1880er Jahren, der einst (für Chorproben u. ä.) in der Kathedrale Notre-Dame in Paris stand und den Irnberger aufwendig hat restaurieren lassen. Exakt das gleiche Modell hätten Ravel, Franck und Duparc besessen, und wenn man den scharf fokussierten Bass höre, wisse man plötzlich, was Debussy meinte, als er sagte, seine Musik solle gespielt werden wie ein japanischer Holzschnitt. Mit Michael Korstick an diesem Flügel hat Irnberger vor kurzem das Horntrio von Brahms aufgenommen.

Anschließend sitzen wir im Nachbarraum, neben weiteren Flügeln und vor einer Auswahl an Torten, Wasser und Saft, und Thomas Albertus Irnberger erzählt mir, warum er als Geiger historische Tasteninstrumente sammelt. Mit sieben begann der Arztsohn, Geige zu spielen, mit neun kam das Klavier hinzu. In der Plattensammlung des Vaters entdeckte er Aufnahmen von Paul Badura-Skoda und Jörg Demus - die beiden wurden zu seinen Helden. Zwar blieb die Geige sein Instrument – mit neun wurde er außerordentlicher Student am Mozarteum, studierte dann in Linz und fünf Jahre bei Ivry Gitlis in Paris, debütierte mit 15 Jahren mit dem Tschaikowsky-Konzert in Brüssel und spielte mit 17 seine erste CD ein, mit Werken von Hindemith, Debussy, Enescu, Paganini u. a. Doch beeindruckte ihn eine Privatführung von Jörg Demus durch dessen „unglaubliche“ Flügelsammlung so sehr, dass er beschloss, es ihm gleichzutun. „Ich habe zur richtigen Zeit angefangen; heute sind solche Instrumente kaum noch zu kaufen. Die Kenntnis dieser Instrumente bereichert mein Violinspiel. Man lernt so viel, wie Musik komponiert wurde. Viele Komponisten haben vom Klavier aus gedacht.“

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