Homer, Joyce und Kafka. Diese drei Autoren hat Peter Eötvös in seinem „The Sirens Cycle“ von 2016 vertont. Dem Streichquartett mit Koloratursopran liegt – durch das Hinzufügen einer Singstimme – ein ähnliches Konzept zugrunde wie dem „Zweiten Streichquartett“ von Schönberg, der „Lyrischen Suite“ von Alban Berg (in der singbaren Variante) oder den „Sonetten der Elizabeth Barrett-Browning“ von Egon Wellesz. Das Album schließt mit dem ersten Streichquartett von Eötvös, „Korrespondenz“, einem Werk aus dem Jahr 1992, einer Art „Minioper“ ohne Gesang, basierend auf einem Briefwechsel zwischen Mozart und seinem Vater im Jahr 1778. Omer Corlaix kommt für uns auf das Werk zurück, nachdem er sich - in einem Gespräch, exklusiv für Qobuz! - mit dem Komponisten selbst darüber unterhalten hat. „The Sirens Cycle“ beim Plattenlabel BMC ist unser Qobuzissime im Oktober 2017. Lassen Sie sich von der Musik eines der interessantesten Komponisten unserer Zeit verzaubern.

Peter Eötvös, 1944 geboren, widmet sich ab Mitte der 60er-Jahre der Musik. Ungarischer Herkunft und Schüler von Karl-Heinz Stockhausen, macht er als Dirigent zeitgenössischen Repertoires auf sich aufmerksam, seit er 1978 Pierre Boulez als musikalischen Leiter des Ensembles Intercontemporain ablöst.

Sollte man zwei bezeichnende Werke auswählen, so würden wir Chinese opera für Instrumentalensemble aus dem Jahr 1986 nennen und Steine, auch für Instrumentalensemble und Kieselsteine, das anlässlich des 60. Geburtstages von Pierre Boulez geschrieben wurde – die Kieselsteine spielen auf Boulez‘ Vornamen an… Das wichtigste Genre bleibt für Peter Eötvös jedoch die Oper, die musikalische Dramaturgie, wie sie in diesen beiden Werken bereits vorweggenommen wird. Darin ist er dem etwas älteren englischen Komponisten Harrison Birtwistle (1934) ähnlich: wir denken an Tragoedia (1965) oder Secret Theatre (1984). Während Pierre Boulez auf diese Gattung verzichtet, setzt sich Peter Eötvös 1997 in der Oper von Lyon mit Drei Schwestern, nach dem gleichnamigen Meisterwerk von Anton Tschechow, durch. Von da an ist Eötvös eine der wichtigsten Figuren der zeitgenössischen Musikkreation und steht als einer der Besten für die Erneuerung der Oper. Wie Le Balcon (2002) oder Angels in America (2004) beweisen, weiß er das Erbe der französischen “Grand Opera“ mit dem Musiktheater auszusöhnen.

Mit seinem neuen Werk The Sirens Cycle, 2016 für Streichquartett und Sopran oder Koloratursopran komponiert, setzt Peter Eötvös seine musikalischen Betrachtungen zur lyrischen Form mit einer Kombination aus drei Texten fort, die dem Roman Ulysses von James Joyce, einem kurzen Auszug aus Homers Odyssee sowie Gedanken von Franz Kafka über das Schweigen der Sirenen entnommen wurden:

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